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„In der Zeit zurückschauen“Einstein-Teleskop in NRW – Dem Urknall auf der Spur

Lesezeit 3 Minuten
Wissenschaftler planen den Bau des unterirdischen Einstein-Teleskops im Dreiländereck.

Wissenschaftler planen den Bau des unterirdischen Einstein-Teleskops im Dreiländereck.

Die NRW-Landesregierung bewirbt sich um den Bau des Einstein-Teleskops. Das Vorhaben, das weltweit Beachtung finden würde, soll bei Aachen entstehen. 

Wie entstehen schwarze Löcher? Wie sah unser Universum aus, bevor die ersten Sterne entstanden? Über 30 Kilometer Tunnel in 250 bis 300 Metern Tiefe, um vielleicht irgendwann nachvollziehen zu können, wie der Urknall abgelaufen ist: Nicht weniger als das soll mit dem Einstein-Teleskop (ET) gelingen – einem europäischen Gravitationswellendetektor der dritten Generation.

Für die Vorbereitungen und den Bau werden rund zwei Milliarden Euro veranschlagt. Einen Standort für das Teleskop gibt es bisher noch nicht. Beispielsweise die Vertreter der sächsischen Lausitz machen sich Hoffnungen. Auch Regionen im Norden Sardiniens und im Süden der Niederlande bewerben sich. Wenn es jedoch nach dem Willen der nordrhein-westfälischen Landesregierung geht, wird das Projekt, dessen wissenschaftliche Bedeutung wohl der des Teilchenbeschleunigers Cern bei Genf gleichkommt, im Aachener Grenzgebiet zu Belgien und den Niederlanden realisiert werden.

10,9 Millionen Euro für die Bewerbung

Bis 2026 fließen 10,9 Millionen Euro in geologische Untersuchungen, Machbarkeitsstudien und die Erstellung der offiziellen Standortbewerbung. Das geht aus einer Antwort des NRW-Wissenschaftsministerium auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hervor.

Die kilometerlangen Röhren des Einstein-Teleskops werden unterirdisch verlaufen.

Die kilometerlangen Röhren des Einstein-Teleskops werden unterirdisch verlaufen.

„Wir möchten verstehen, wie das Universum funktioniert“, erklärt Achim Stahl, Professor für Experimentalphysik an der RWTH Aachen, den Grund des Projektes. Mit einem klassischen Teleskop könne das Licht beobachtet und gemessen werden, das von den Sternen kommt. „Mit dem Einstein-Teleskop beobachten wir die Gravitationswellen, die Sterne aussenden. Wenn die Wellen hier auf der Erde ankommen, können wir sie mit dem Einstein-Teleskop nachweisen“, erklärt Stahl.

Signale aus der Zeit, als sich die ersten Sterne bildeten

Man könne sozusagen „sehr viel weiter hinausblicken“, ergänzte der Spitzenwissenschaftler gegenüber dem Frauenhofer-Institut. „Weiter hinausschauen heißt in der Astrophysik vor allem, in der Zeit zurückzuschauen. Wir werden Signale aus der Zeit empfangen, wo sich die Galaxien formierten und die ersten Sterne bildeten. Und wir werden mit den Gravitationswellen kosmische Explosionen live hören, bevor wir sie sehen.“

Gravitationswellen werden nicht nur von Schwarzen Löchern ausgelöst, auch Neutronensterne und explodierende Sterne senden sie durch das Universum. Diese Wellen lassen sich mithilfe des Einstein-Teleskops in Tunneln unter der Erde messen.

Das Teleskop, das eher wie ein Seismograph wirkt

Anstatt hoch in den Nachthimmel guckt man mit dem ET also gewissermaßen nach unten. Man könnte das Teleskop vielleicht eher mit einem Seismographen ins All vergleichen. Weltweit messen bisher nur drei Gravitationswellen-Teleskope: Zwei in den USA, eines in Italien, in Japan wird gerade ein viertes in Betrieb genommen.

Die Idee für eine besonders sensibles Gravitationswellen-Teleskops mitten in Europa gibt es schon seit 2007. Viele Jahre wurde der Plan jedoch nur stiefmütterlich verfolgt, denn es gab ein Problem: Man wusste nicht, ob es Gravitationswellen wirklich gibt. Sie waren nicht mehr als eine Theorie, die Albert Einstein aufgestellt hatte und für die keinerlei Nachweise existierten. Bis Wissenschaftler in den USA es 2015 schafften, Gravitationswellen aus dem All auf der Erde nachzuweisen: Kleinste Verzerrungen von Raum und Zeit, die über hundert Jahre nur eine Vermutung waren.

Standort-Entscheidung womöglich schon 2025

Im nordrhein-westfälischen Grenzgebiet herrscht jetzt Aufbruchstimmung. An der RWTH Aachen soll begleitend zum Teleskop ein Ultrahochvakuumlabor entstehen, dessen Bau das Land im laufenden Jahr mit einer Million Euro fördert. Im Labor soll unter anderem an der Technik der Messinstrumente gearbeitet werden, die extrem empfindlich auf Gravitationswellen reagieren müssen. Und die neue Bundesregierung sei gebeten worden, den „Aufbau eines nordrhein-westfälischen ET-Rechenzentrum" finanziell zu unterstützen, heißt es im Landtagspapier.

„Die drei Staaten wollen zudem ein europäisches Institut nahe dem Teleskop mit über tausend Mitarbeitern errichten“, ergänzt Professor Stahl. Davon würden etwa auch die örtlichen Geschäfte, Restaurants oder Handwerker profitieren. „Wir rechnen damit, dass rund 3000 Arbeitsplätze in der Region durch das Teleskop entstehen“, sagt Stahl.

Ob die hochfliegenden Ziele Realität werden, hängt natürlich davon ab, wo das „europäisches Leuchtturmprojekt“ letztlich entstehen soll. Noch in diesem Jahr könnte laut beteiligten Wissenschaftlern die Entscheidung fallen, ob es im Dreiländereck gebaut wird.