Regelmäßig müssen Polizisten bei Straftaten in Unterkünften einschreiten. SPD und Flüchtlingsrat sehen ein klares Problem der Unterbringung.
„Manchmal reichen geringfügige Anlässe“NRW-Polizei war 2525 Mal in Geflüchteten-Unterkünften im Einsatz

Ein Transparent mit dem Symbol für den Fluchtweg hängt vor Wohncontainern einer Erstaufnahmeeinrichtung in Köln-Zollstock.
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In den Flüchtlingsunterkünften des Landes sind aktuell rund 30.900 Menschen untergebracht. Unter den Bewohnern kommt es immer wieder zu Konflikten. Das NRW-Integrationsministerium hat jetzt transparent gemacht, wie oft die Einrichtungen Hilfe anfordern mussten. „Die Gesamtzahl polizeilicher Einsätze im Zusammenhang mit unter Landesaufsicht stehender Unterbringungseinrichtungen beläuft sich auf 2525 Einsätze“, heißt es in einer Antwort von Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) auf eine Kleine Anfrage der SPD im Düsseldorfer Landtag, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.
Bei der Abfrage waren die Einsätze im Zeitraum 1. Februar bis 31. Juli 2023 erhoben worden. Die Zahlen wurden von den 29 Kreispolizeibehörden zusammengetragen, in denen sich die Landesunterkünfte befinden. Die Kölner Polizei teilte auf Anfrage mit, es habe in der Zeitspanne insgesamt 20 Einsätze gegeben. Als Ursachen für die Einsätze wurden unter anderem Betrug, Körperverletzung, Streit, besonders schwerer Diebstahl, Bedrohung, Häusliche Gewalt, Brandmeldealarm und Ruhestörung genannt.
NRW: 37.626 Flüchtlinge kamen aus der Ukraine
Nach Angaben des NRW-Integrationsministeriums sind die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes derzeit zu 94 Prozent ausgelastet. Die meisten Flüchtlinge stammen aus Syrien, Afghanistan, Türkei, Irak und Iran. Hinzu kommen Schutzsuchende aus der Ukraine. Von März bis August wurden 37.626 Kriegsflüchtlinge in Landesunterkünften aufgenommen.
Claus-Ulrich Prölß ist der Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. Nach seinen Erfahrungen ist das „beengte Leben in den Flüchtlingsunterkünften“ ein ständiger Stressfaktor. „Manchmal reichen dann geringfügige Anlässe, um Prügeleien auszulösen – etwa, wenn sich bei der Essensverteilung oder bei der Ausgabe des Taschengelds jemand vordrängeln will“, so Prölß.
Ein weiterer Konfliktherd: In den Flüchtlingsunterkünften treffen zum Teil Menschen mit völlig unterschiedlichen Wertesystemen aufeinander. „Da gibt es Antisemitismus, rassistische Ansichten, unterschiedliche Familien- und Rollenbilder. Das löst Konflikte aus, die in Gewalt münden und zu Polizeieinsätzen führen“, erklärte Prölß.
„Land hat die Lage nicht im Griff“
Der Geschäftsführer sieht auch bei der schwarz-grünen Landesregierung eine Mitverantwortung für die zum Teil explosive Stimmung in den Einrichtungen. „Das Konzept, Flüchtlinge zentral unterzubringen, ist ein Inkubator für die Konflikte. Flüchtlingsministerin Paul sollte es ein Anliegen sein, zumindest die vulnerablen Gruppen wie Kinder, Alte und Kranke aus der Massenunterbringung herauszunehmen. Aber das sehe ich nicht.“ Flüchtlingsministerin Paul scheine sich „beim Thema Flucht und Integration immer noch in einer Einarbeitungsphase zu befinden“, kritisierte Prölß.
Auch die SPD im Düsseldorfer Landtag hält die zentrale Unterbringung der Geflüchteten für die Hauptursache der Konflikte. „Wenn in den Unterkünften bis zu acht Menschen gemeinsam in abgetrennten Nischen mit Etagenbetten eingepfercht werden, sind Probleme programmiert“, sagte Vize-Fraktionschefin Lisa-Kristin Kapteinat dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. In den Einrichtungen würden auch Menschen aufeinandertreffen, die sich in ihren Heimatländern bekämpft hätten. „Die Strategie, möglichst wenige Standorte aufzubauen, um Geld bei den Hilfsstrukturen zu sparen, geht nicht auf“, so Kapteinat. Die hohe Zahl der Polizeieinsätze in den Flüchtlingsunterkünften zeige, „dass das Flüchtlingsministerium die Lage nicht im Griff“ habe.
Die SPD befürchtet zudem, dass regelmäßige Polizeieinsätze auch der Akzeptanz der Einrichtungen bei den Anwohnern schaden würden. Flüchtlingsministerin Paul erklärte, der Landesregierung sei es „bewusst, dass die Unterbringung von Geflüchteten eine große Herausforderung“ darstelle. In jeder Landeseinrichtung gebe es ein „Umfeldmanagement“, das eine Mittlerfunktion zwischen der Aufnahmeeinrichtung und der Bürgerschaft übernehmen soll.