Hamas und HisbollahNRW gilt als Hotspot und Rückzugsraum für palästinensische Extremisten

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Polizisten halten Teilnehmer einer israelfeindlichen Demonstration in Duisburg am Montag zurück.

Polizisten halten Teilnehmer einer israelfeindlichen Demonstration in Duisburg am Montag zurück.

In Nordrhein-Westfalen sammelten Unterstützer Millionen für den Vernichtungskampf gegen Israel ein.

In den Briefen an ihre verstorbenen Väter schworen die Kinder einen Eid. Die Jungen versprachen jenen Männern nachzueifern, die als sogenannte „Märtyrer“ für die schiitische Terror-Miliz „Hisbollah“ (Partei Gottes) gestorben waren. Man werde den Kampf zur Befreiung Palästinas fortführen, hieß es. Zugleich gelobten die Briefeschreiber, den Staat Israel zu vernichten. Als Herausgeber der Bekenntnisse fungierte die Shahid-Stiftung im Libanon. Shahid steht für Märtyrer, für Selbstmord-Attentäter.

3,3 Millionen Euro zum Terrorkrieg der Hisbollah beigesteuert

Vor gut zwei Jahren verbot der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer drei Vereinigungen, die mit Millionen-Spenden die Märtyrer-Organisation der Hisbollah finanziell unterstützt hatten. Die Hilfswerke galten als Nachfolger der Spendenzentrale „Waisenkinderprojekt Libanon“, die vor sieben Jahren durch die deutschen Staatsschutzbehörden aufgelöst worden war.

Unter dem Mantel humanitärer Hilfe soll allein diese gemeinnützige Organisation zwischen 2007 und 2013 knapp 3,3 Millionen Euro zum Terrorkrieg der Hisbollah beigesteuert haben. Das Geld floss an die Shahid-Stiftung, die Familien verstorbener oder potenzieller Selbstmordattentäter unterstützte. Die Spenden waren steuerlich absetzbar, sodass der deutsche Staat jahrzehntelang die Attacken auf den Staat Israel indirekt mitfinanzierte.

Das Ziel: Die Vernichtung des Judenstaats

Trotz der damaligen Verbotswelle trommeln nach wie vor palästinensische Extremisten hierzulande für ein Ziel: den Judenstaat zu vernichten. Nach den verheerenden Angriffen auf Israel durch die Hamas bejubeln erneut palästinensische Eiferer auf deutschen Straßen den Tod von mindestens 900 Israelis. Durch Duisburg-Hochfeld zogen am Montag etwa 150 Menschen mit antisemitischen Parolen. Der Einpeitscher von „Palästina Solidarität Duisburg“ wetterte über vermeintliche Gräueltaten Israels.

Das Motto der Protestveranstaltung lautete: „Palästina befreit sich: vom Meer bis an den Fluss.“ Eine gängige Hassparole. Bedeutet der Satz doch, den israelischen Staat von der Landkarte zu tilgen. Die Veranstalter stehen nach Erkenntnissen der Staatsschützer mit dem Pro-Palästina-Netzwerk „Samidoun“ in engem Kontakt. Die Gruppierung gilt laut dem Verfassungsschutz NRW als Vorfeldorganisation der militanten Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Die Akteure der PFLP wenden sich gegen ein Existenzrecht Israels.

Vor allem Juden und ihre Einrichtungen sind gefährdet. Hier muss es maximalen Schutz geben
Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion

Intern fürchten die Sicherheitsbehörden, dass es zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen jüdische Gebetsstätten kommen könnte, sollte sich der Konflikt im Nahen Osten zuspitzen. „Es besteht eine latente Gefahr, dass die Auseinandersetzungen in Israel auf Deutschland überspringen“, warnte Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Vor allem Juden und ihre Einrichtungen sind gefährdet. Hier muss es maximalen Schutz geben. Jede Sympathiekundgebung für die Hamas in Deutschland muss mit aller Konsequenz unterbunden werden.“

Knapp 150 Hamas-Anhänger leben in NRW

NRW gilt als Hotspot für Hamas-Anhänger. Knapp ein Drittel der republikweit bekannten 450 Mitglieder lebt an Rhein und Ruhr. Laut den Verfassungsschützern ist die Terror-Miliz insbesondere mit der radikal-islamischen Muslimbruderschaft eng verwoben. Die Terror-Miliz unterhalte in Deutschland zwar keine feste Anlaufstelle, so der NRW-Verfassungsschutz, „verfügt aber über Strukturen, in denen sich ihre Unterstützer zusammenfinden“. Ferner zeichnen sich Querverbindungen zu zahlreichen anderen extremistischen Gruppierungen ab.

Als verlängerter Arm der Hamas gilt den Sicherheitsbehörden zufolge die Palästinensische Gemeinschaft Deutschland (PGD). Deren Agitatoren rufen immer wieder zu Kundgebungen gegen den Judenstaat auf. Von „israelischen Verbrechen gegen den Gaza-Streifen“ ist die Rede. Als im Mai 2021 im Zuge der Konflikte um die al-Aksa-Moschee in Jerusalem eine palästinensische Protestwelle durchs Land schwappte, brachte die PGD allein in Dortmund und Duisburg jeweils gut 600 Demonstranten auf die Straße. Viele schwenkten Fahnen des palästinensischen Autonomiegebietes, skandierten „Kindermörder Israel“. Nach Erkenntnissen der Staatsschützer sammelte etwa der Verein „Barmherzige Hände“ aus Dortmund Spenden für die palästinensische PGD.

Deutschland ein Rückzugsraum für die Hamas

„In erster Linie betrachtet die Hamas Deutschland als Rückzugsraum“, berichtete das NRW-Innenministerium. „Die hiesigen Anhänger unterstützen die Organisation vor allem propagandistisch und finanziell, agieren hier aber nicht militant. Sie treten insbesondere durch eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit in Erscheinung.“

In Deutschland versuchten die Hamas-Ableger, insbesondere Geldgeber für den Dschihad gegen Israel zu generieren. Jahrzehntelang sammelten Spendenvereinen ungehindert hierzulande Millionen für den Kampf gegen den Judenstaat ein. Seit 1991 finanzierte etwa die Aachener al-Aqsa-Vereinigung unter einer Legende die islamistischen Kämpfer der sunnitischen Hamas im Gazastreifen. Anstatt für wohltätige Zwecke, wurden die Zuwendungen genutzt, um neue Selbstmordattentäter zu rekrutieren oder deren Familien ein sorgenfreies Leben nach dem Anschlag zu garantieren.

In den Palästinensergebieten unterhält die Hamas bis heute einen eigenen Sozialapparat. In verbandseigenen Schulen und Kindergärten werden schon die Jüngsten mit antisemitischer Hetze gegen den Staat Israel zu den „Gotteskriegern“ von morgen herangezogen. Diese Erkenntnisse brachte das Bundesinnenministerium bereits 2004 im Verbotsverfahren gegen den Aachener Verein beim Bundesverwaltungsgericht vor. Demnach fanden sich bei weiteren palästinensischen Sozialorganisationen, die aus Aachen Gelder erhalten hatten, Computerlisten mit den Namen von Hamas-Bombenlegern.

Zweistellige Millionenbeträge flossen über Düsseldorfer Organisation

Nach dem rechtskräftigen Verbot der al-Aqsa-Vereinigung 2005 übernahmen andere „Wohltätigkeitsverbände“ hierzulande die Aufgabe. So etwa der Verein Ansaar International, der offiziell nur soziale Projekte wie den Brunnenbau in Krisengebieten unterstützte. Tatsächlich aber sollen laut Staatsschützern zweistellige Millionenbeträge über die Düsseldorfer Organisation an islamistische Terrorgruppen in Syrien, Somalia und an die palästinensische Hamas geflossen sein. Bundesinnenminister Seehofer hatte die Vereinigung im März 2021 verboten. Vor zwei Monaten hat das Bundesverwaltungsgericht diese Verfügung bestätigt.

Mit Sorge beobachten die Sicherheitsbehörden ferner Anschlagsversuche auf jüdische Einrichtungen, hinter denen vermutlich staatliche Drahtzieher aus dem Iran stecken. So soll ein deutsch-iranischer Rockerboss der Hells Angels – nach seiner Flucht vor der hiesigen Justiz – im Auftrag der Revolutionsgarden in Teheran einem Bekannten aus Dortmund Brandattacken auf eine Synagoge in Bochum und in Dortmund befohlen haben. Der Iraner muss sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Sein mutmaßlicher Auftraggeber Ramin Y., der wegen Mordes an einem Hells Angel durch die deutschen Behörden gesucht wird, bestreitet an seinem Fluchtort im Iran die Vorwürfe.

Hunderte Hisbollah-Aktivisten leben in NRW

Nach wie vor sind Anhänger des Mullah-Regimes nebst dem iranischen Geheimdienst in Deutschland aktiv, darunter auch Sympathisanten der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon. Nachdem Teheran die sunnitische Hamas-Attacke als „stolzen Einsatz“ feierte, startete auch die durch den Iran finanzierte Schiiten-Miliz Raketenangriffe auf Israel.

Von den 1250 Aktivisten der Hisbollah bundesweit lebt ein Viertel in NRW. Laut Verfassungsschutz galt das inzwischen verbotene Imam-Mahdi-Zentrum in Münster als Plattform und Begegnungsstätte für die Anhänger der Terror-Miliz. Demnach soll das Zentrum in den 90er Jahren sechsstellige Beträge vom iranischen Revolutionsführer Ali Khamenei erhalten haben. Nach dem Verbot der Hisbollah in Deutschland vor drei Jahren gehen die Behörden davon aus, dass die schiitischen Radikalen „künftig stärker konspirativ vorgehen“. Nach außen hin, so die Analyse, suche man sich „als vermeintlich unpolitische, religiöse Vereinigung“ zu tarnen.

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