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Kölner Fahrlehrer ordnen einWieso mehr als jeder Dritte durch die theoretische Prüfung fällt

Lesezeit 5 Minuten
Nordrhein-Westfalen, Brühl: „Nicht bestanden“ steht auf dem Monitor eines Prüfers bei der theoretischen Prüfung für den Führerschein beim TÜV-Rheinland, während im Hintergrund Prüflinge die Aufgaben absolvieren. (Symbolbild)

Der Fahrlehrerverband Nordrhein spricht sich dafür aus, den Fragenkatalog für die theoretische Fahrprüfung zu überarbeiten. (Symbolbild)

Bei den 18- bis 24-jährigen Prüflingen fällt bundesweit sogar jeder Zweite durch. Gleichzeitig liegen die unter 18-Jährigen deutlich über dem Durchschnitt. Worin sich die jungen Menschen unterscheiden.

E-Scooter übersehen, Vorfahrt missachtet, der Fahrlehrer bremst, schon ist die Prüfung vorbei. Die Zahl der wiederholten praktischen Fahrprüfungen ist hoch, doch auch beim Erstversuch der theoretischen Prüfung fallen viele durch. „Im Jahr 2024 wurden in Nordrhein-Westfalen 446.854 theoretische Führerscheinprüfung durchgeführt. Die Durchfallquote lag bei 41 Prozent“, berichtet Fani Zaneta, Referentin beim TÜV-Verband.

Der überwiegende Teil der Prüfungen entfalle auf den Führerschein Klasse B: 363.104 Theorieprüfungen mit einer Durchfallquote von 44 Prozent. In der Praxis seien bei 401.928 Prüfungen 29 Prozent durchgefallen (Klasse B: 298.904, nicht bestanden: 36 Prozent), so Fani Zaneta.

Was auffällt: Am häufigsten fallen 18- bis 24-Jährige in der Theorieprüfung durch. Mit 52 Prozent lag die Altersgruppe im vergangenen Jahr sieben Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt. Bei den Jugendlichen unter 18 Jahren fielen dagegen nur 36 Prozent durch. Warum schneiden die jungen Prüflinge so unterschiedlich gut ab?

Vor-Prüfung des theoretischen Tests lässt sich zu Hause nicht kontrollieren

Einige Kölner Fahrschulen, die hier anonym bleiben möchten, haben Zweifel an der Lernmethode der Fahrschülerinnen und Fahrschüler. Sie bereiten sich mit einer App auf dem Handy auf die ebenfalls digital stattfindende theoretische Prüfung vor. „Da sind dann viele abgelenkt, wenn sie zum Beispiel Nachrichten auf WhatsApp bekommen“, kritisieren die Fahrlehrer.

Als Fahrschule sei es möglich, in der App eine Vor-Prüfung freizuschalten, erläutert Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Nordrhein. Das Problem bei einer Vor-Prüfung zu Hause: „Beim Vortest können die Fahrlehrer nicht kontrollieren, ob jemand ein Buch aufgeschlagen hat oder andere Hilfsmittel verwendet.“ Deshalb empfiehlt der Fahrlehrerverband, die Vor-Prüfungen in den Fahrschulen durchzuführen.

Der Kölner Fahrschüler Tim, 17 Jahre alt, findet das Lernen per App hilfreich. Mit der App könne er flexibel lernen, in Schulpausen oder wenn er auf die Bahn wartet. Problematisch ist für ihn der Aufbau der Fahrprüfung: „Manche Fragen sind ein bisschen gemein gestellt.“ Zum Beispiel könnten mehrere Antworten richtig sein – manchmal sei aber nicht klar, dass aufgrund einer richtigen Antwort auch eine andere als richtig markiert werden müsse.

Zwei falsche Fragen und Ende?

Tim vermutet, dass die hohe Durchfallquote an der strengen Bewertung liege. Die Prüfungsfragen hätten je nach Schwierigkeitsgrad zwei bis fünf Fehlerpunkte. Um zu bestehen, seien aber weniger als zehn Fehlerpunkte erlaubt. „Wenn man also von insgesamt 30 Fragen nur zwei der schweren Fragen falsch beantwortet, ist man schon durchgefallen.“

Fani Zaneta ordnet ein: „Die Prüfung für die Fahrerlaubnisklasse B besteht aus 30 Fragen, von denen 20 den Grundstoff und zehn spezifische Fragen zur Fahrzeugklasse B betreffen.“ Von den maximal 110 Punkten müssten Prüflinge mindestens 100 Punkte erreichen. „Bei Vorfahrtsfragen, die mit fünf Fehlerpunkten gewichtet sind, darf beispielsweise nur eine Frage falsch beantwortet werden.“

TÜV und Fahrlehrerverband Nordrhein sprechen von vielschichtigen Gründen fürs Durchfallen

Was die Gründe für die hohe Durchfallquote angeht, sind sich TÜV und Fahrlehrerverband Nordrhein einig: Die Ursachen seien vielschichtig. „Die Anforderungen im Straßenverkehr sind anspruchsvoller geworden“, erläutert Fani Zaneta: „Fahrschülerinnen und Fahrschüler sind heute mit einer deutlich komplexeren Verkehrssituation konfrontiert.“ Hierzu gehörten etwa dichter werdender Verkehr, eine Vielzahl an neuen Verkehrsschildern und -regelungen sowie die steigende Ablenkung durch Handys. Die Integration von Fahrerassistenzsystemen falle ins Gewicht und neue Verkehrsmittel, etwa E-Scooter- oder Pedelecs, machten das Verkehrsgeschehen unübersichtlicher. „Alle diese Entwicklungen spiegeln sich in der Prüfung wider.“ Kurt Bartels verweist zudem auf die erhöhte Aufregung während der Prüfungssituation.

Auch der individuelle Ausbildungsstand und die Motivation seien ausschlaggebend für den Erfolg beim Theorieteil, sagen Fahrlehrerverband und TÜV. „Prüfungen werden häufig zu früh angetreten, ohne dass die Fahrschülerinnen und Fahrschüler ausreichend vorbereitet sind“, schätzt Zaneta ein. Diese Beobachtung deckt sich mit den Eindrücken von Kurt Bartels: „Im zweiten Anlauf bestehen 85 Prozent bundesweit. Die meisten haben den Schuss gehört und bestehen dann. Die dritte Prüfung bestehen weit über 90 Prozent. Viele gehen bei der ersten Prüfung baden, weil sie es einfach mal probieren wollen.“

Unterschiede zwischen Fahrschülern und -schülerinnen unter 18 und zwischen 18 und 24 Jahren

Die Zahlen der Durchgefallenen müsse man differenzierter sehen, so Kurt Bartels. „Die Leute, die das begleitete Fahren machen, haben eine viel bessere Bestehensquote in Theorie und in der Praxis.“ Seine Erklärung: „Bei den Schülern ist die Motivation höher, die Fahrprüfung direkt zu bestehen, weil die Eltern auch so dahinter stehen.“ Zudem seien viele von der Schule gewohnt, für Prüfungen zu lernen und das Wissen zielgenau abrufen zu können.

Dem stimmt Fani Zaneta zu. Sie führt die Motivation neben der familiären Situation auch auf berufliche Gründe zurück. So seien einige Prüflinge für eine Ausbildung auf den Führerschein angewiesen. Die unter 18-Jährigen widmeten dem Führerschein viel Zeit und Aufmerksamkeit. „Bei älteren Fahrschülern konkurrieren unterschiedliche Prioritäten: Familie, Beruf und so weiter.“ 

Änderungen des Prüfungskatalogs stehen bevor

Auch bei der Theorieprüfung selbst fordern die Fahrlehrer jedoch Anpassungen: „Der gesamte amtliche Prüfungskatalog soll verschlankt und vereinfacht werden“, kündigt Kurt Bartels an. Die über 1200 Fragen seien teils aus der Zeit gefallen oder für die Fahrzeugklasse B irrelevant. „Es gibt Fragen zu Technik – zum Beispiel, warum qualmt ein Dieselmotor? – braucht man heute nicht mehr. Ein Fahrprüfer der Klasse B muss auch nicht wissen, wie hoch ein Auto sein darf, das ist eher für größere Fahrzeuge relevant.“

Der Fahrlehrerverband Nordrhein erwarte Änderungen der Ausbildungsordnung für Fahrschüler und Fahrschülerinnen. Laut Fani Zaneta arbeitet das Bundesministerium für Verkehr derzeit an einer Novelle der Ausbildungsordnung: „Ziel des Ministeriums ist es nach unserem Wissen, das Rechtsetzungsverfahren zügig abzuschließen, sodass die Änderungen frühestens ab dem ersten Quartal 2026 in Kraft treten könnten.“ Eine Sprecherin des Ministeriums bestätigt dies auf Anfrage. Ein Referentenentwurf solle in Kürze vorliegen.

Bis dahin hat Kurt Bartels Tipps für (junge) Menschen vor der Theorieprüfung: „Man sollte mit hoher Motivation hingehen und die Fahrprüfung wie ein zusätzliches Schulfach sehen.“ Es sei sinnvoll, das Ganze kompakt zu machen, ohne große Lücken am Ball zu bleiben. „Im Zeitraum für die Fahrschule sollte man im wahrsten Sinne des Wortes Gas geben. Das spart Zeit und Geld und macht allen Beteiligten sehr viel mehr Spaß.“