Krisengipfel für HausärzteLauterbach verspricht mehr Geld und weniger Bürokratie – NRW-Ärzte hoffnungsvoll

Lesezeit 4 Minuten
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, trägt einen blauen Anzug.

Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, kündigt bei einem Krisengespräch mit Ärzten und Vertretern der Krankenkassen Verbesserungen für die Branche an.

Deutschlands Hausärzte sind unzufrieden. Bei einem Krisentreffen geht Minister Lauterbach nun auf sie zu. Reicht das?

Die Anzahl der Gegner hat sich erhöht. Zu Viren, Bakterien, schweren Beinen und Cholesterin gesellen sich für niedergelassene Ärzte vermehrt Unannehmlichkeiten nicht-medizinischen Ursprungs: Allen voran die Bürokratie, die vielen Hausärzten nach eigenen Angaben im Schnitt jährlich rund 60 Arbeitstage blockiert. Die ungerechte Verteilung von Honoraren wird auch beklagt. Allein in NRW fehlten zudem nach Angaben des Hausärzteverbandes „mehr als 1000 Hausärzte in fast allen Planungsbezirken“. Und dann wäre da noch ein Bundesgesundheitsminister, der nach Meinung der Ärzte bislang zu wenig konkrete Hilfe in Form von Gesetzen auf die Schiene gebracht hat. Bei einem Krisentreffen in Berlin hat sich Karl Lauterbach (SPD) nun den Protesten der Berufsverbände gestellt.

Oliver Funken, Vorsitzender der Ärztekammer Nordrhein, zeigte sich anschließend erleichtert und hoffnungsvoll. Die zentralen Forderungen der Ärzte seien vom Minister „aufgenommen“ worden, wenn auch nicht alle. „Es zeigt aber, dass wir mit der Regierung in einem guten Dialog zur Verbesserung und zum Erhalt der Versorgung sind“, so Funken gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er sprach von einem „sichtbaren Zeichen“, auch wenn Nachbesserungen noch anstünden. Zum Beispiel forderte Funken für eine Stärkung der Allgemeinmedizin zusätzlich einen Kurswechsel in der „fehlgesteuerten Ausbildung im Medizinstudium und in den Weiterbildungskurrikula“.

Die Budgetierung für Hausärzte fällt künftig weg

Karl Lauterbach (SPD) hatte ein Maßnahmenpaket im Gepäck, das die Not der Hausärzte lindern soll. Er kündigte die „Entbudgetierung“ an. Das bedeutet, dass Hausärzte künftig alle Leistungen abrechnen dürfen, die sie erbringen. Bislang mussten Ärzte nach Aussage des Virchowbundes etwa ein Fünftel ihrer Leistungen unentgeltlich anbieten, weil das Budget schon aufgebraucht, aber zum Ende des Quartals weiter Patienten behandelt werden mussten. Die Ampel hatte einen Wegfall der Deckelung schon im Koalitionsvertrag versprochen, die Kinder- und Jugendärzte profitieren davon schon seit dem vergangenen Jahr. Bislang sträubten sich vor allem die Krankenkassen gegen eine solche Entgrenzung. Man verliere dadurch die Kontrolle über die Kosten, ein Ansteigen der Kassenbeiträge sei in der Folge wohl nicht mehr zu vermeiden.

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Die finanzielle Situation gerade von Hausärzten mit hohem Versorgungsaufwand und in Gegenden mit wenig Privatpatienten ist nach Angaben des Virchowbundes zum Teil nicht rosig, die Einkünfte lägen um bis zu 50 Prozent unter denen in anderen Vierteln. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nahmen Hausärzte im Jahr 2021 im Schnitt 537.000 Euro ein. Davon abgezogen werden müssen Personalkosten sowie Sachaufwendungen in Höhe von 245.000 Euro. Als Reinertrag bleiben 292.000 Euro im Jahr übrig. Mit dem Gewinn, beziehungsweise dem Einkommen der Ärzte sei das nicht gleichzusetzen, sagt Monika Baaken vom Hausärzteverband Nordrhein gegenüber dieser Zeitung. Zunächst wird der Reingewinn nicht pro Arzt, sondern pro Praxis berechnet. Bei Praxen mit mehreren Inhabern muss der Ertrag also auf mehrere Köpfe verteilt werden. Man müsse zudem bedenken, dass Hausärzte als Selbständige neben der Einkommenssteuer auch die gesamte Last der Alters- und Krankenversicherung selbst tragen müssten. Zudem bräuchten sie zum Teil hohe Rücklagen, um neue medizinische Geräte anschaffen zu können.

Was die zeitaufwändige Bürokratie betrifft, hatte der Minister ebenfalls Lösungsvorschläge zum Treffen mitgebracht. Patienten, die sich krankschreiben lassen wollten oder lediglich ein Rezept verlängern müssten, könnte seit Jahresende telefonisch geholfen werden. Lauterbach räumte bei der Einführung von E-Rezept und telefonischer Krankschreibung zwar einige Startschwierigkeiten ein, glaubt aber, das werde sich in ein paar Wochen „eingeruckelt“ haben. Ausgebaut werden soll die Digitalisierung zudem durch eine Stärkung der Telemedizin.

Für chronisch kranke Patienten erhalten Ärzte künftig eine Jahrespauschale

Auch die quartalsweise Abrechnung, zu der dann vierteljährlich die Gesundheitskarte eingelesen werden muss, sieht Lauterbach als Auslaufmodell. Änderungen versprach der Minister vor allem bei erwachsenen Versicherten mit chronischen Erkrankungen, die kontinuierlich Arzneimittel benötigen. Für sie sollen Hausärzte künftig nur noch einmal jährlich eine Versorgungspauschale beim ersten Kontakt abrechnen - unabhängig von folgenden weiteren Terminen. Dies soll die Zahl vermeidbarer Praxisbesuche deutlich senken und mehr Behandlungszeit ermöglichen. Funken verspricht sich davon eine deutliche Erleichterung und vor allem „mehr Zeit für die medizinische Behandlung“.

Was die Entbürokratisierung betrifft, sind nach Funkens Meinung nun vor allem die Krankenkassen gefordert. Sie müssten ihre Softwaresysteme harmonisieren. „Und auch die Praxisanbieter müssen endlich Vereinfachungen über Standardisierungen hinbekommen.“

Vorhaltepauschale nützt vor allem Ärzten, die Hausbesuche machen

Wenn Praxen bestimmte Kriterien wie Hausbesuche oder eine Mindestzahl an Versicherten in Behandlung erfüllen, sollen sie nach Lauterbachs Zusage künftig zudem eine gesetzlich geregelte „Vorhaltepauschale“ bekommen können. Einmal pro Jahr sollen Hausarztpraxen auch eine qualifizierte Hitzeberatung für Risikogruppen mit der Kasse abrechnen können. Für Funken von der Ärztekammer Nordrhein eine sehr gute Nachricht: „Mit der hausärztlichen Vorhaltepauschale für Versorgerpraxen werden Praxen unterstützt, die den größten Teil der Versorgung leisten und auch Hausbesuche durchführen.“ (mit dpa)

KStA abonnieren