Junge Männer, die sich sexuell zurückgewiesen fühlen, verbünden sich im Internet mit Gleichgesinnten zu Frauenhassern. Wie gefährlich ist die Szene - und über welche Erkenntnisse verfügen die Ermittlungsbehörden in NRW?
Netflix-Serie wird Thema im LandtagWie gefährlich sind junge Frauenhasser in NRW?

Owen Cooper spielt Jamie Miller in der britischen Netflix-Serie ‚„Adolescence“‘.
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Dass eine Netflix-Serie zum Aufhänger für eine Anfrage an NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) wird, ist wohl neu im Politikbetrieb von NRW. Es geht um das TV-Drama „Adolescence“, die seit März zu sehen ist. Die Serie handelt von einem 13-jährigen Jungen, der des Mordes an einer Mitschülerin bezichtigt wird. Der Schüler hatte sich im Internet zu einem Mädchenhasser radikalisiert, nachdem er sich sexuell zurückgewiesen fühlt. Dieser Fall sei „keine Fiktion“, sagt die SPD-Abgeordnete Lisa-Kristin Kapteinat: „Frauen- und Mädchenhass verbreitet sich im Netz in rasender Geschwindigkeit.“
Die vierteilige Serie aus Großbritannien hat offenbar einen Nerv getroffen und wurde seit dem Start weltweit millionenfach abgerufen. „Adolescence“ thematisiert viele aktuelle Fragen, die Jugendliche beschäftigen – wie Mobbing in sozialen Medien oder der Einfluss von rechten Influencern auf das toxische Selbst- und Frauenbild von männlichen Teenagern. Dabei geht es auch um „Incel-Ideologien“ im Netz. Incel steht für „involuntary celibate" – zu Deutsch ‚unfreiwillig zölibatär‘. Dahinter steht eine Gruppe von Männern, die sich von Frauen sexuell abgelehnt fühlt und die ein tief verwurzelter Frauenhass eint, den sie in sozialen Netzwerken verbreiten.
„Alle reden gerade über Adolescence, als wäre das eine komplette Überraschung“, sagte Kapteinat dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Für viele Kinder und Jugendliche sei die Problematik „hingegen oft pure Realität“. Die Gewalt bleibe aber nicht im Netz, insbesondere gegen Frauen und Mädchen nicht.
Kapteinat will nun wissen, bei wie vielen Straftaten gegen Frauen und Mädchen eine Online-Radikalisierung im Vorfeld eine Rolle gespielt hat, und was die Landesregierung dagegen unternimmt. Dieser digitale Hass sei kein reines Onlinephänomen. „Er hat echte Auswirkungen in der realen Welt und stellt insbesondere vor dem Hintergrund der auch in Nordrhein-Westfalen stetig steigenden Zahl an Fällen von häuslicher Gewalt und Femiziden ein ernstzunehmendes Gefahren- und Radikalisierungspotenzial dar“, so die SPD-Politikerin.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik für NRW bildet Gewalttaten der maskulinistischen Szene bislang nicht separat ab. Gewalt von Männern gegen Frauen wird nur generell unter der Rubrik häusliche Gewalt erfasst. 2024 stiegen die Fallzahlen in dem Bereich mit rund 61.400 erfassten Fällen um 1,9 Prozent. 51 Menschen starben dabei. Rund die Hälfte der insgesamt 66.754 Opfer lebten mit der tatverdächtigen Person in einem Haushalt.