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„Professionelle Fehlerkultur“ oder gefühltes Misstrauensvotum?Grüne wollen Polizeibeauftragen in NRW – CDU hält dagegen

Lesezeit 4 Minuten
Polizeieinsatz in Dortmund: Hinter einem Absperrband steht im Oktober 2022 ein Polizeiauto.

In Dortmund kam im Oktober 2022 ein 16-Jähriger nach einem Polizeieinsatz ums Leben. Der Fall hat die Diskussionen um Kontrolle der Polizei weiter angeheizt.

Bei CDU und Grünen in NRW kracht es bei der Frage, welche Kompetenzen ein unabhängiger Polizeibeauftragter bekommen soll.

Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen ist kurz und prägnant. „Wir stehen für eine gesunde Fehlerkultur, um die Polizei in Nordrhein-Westfalen in dieser Hinsicht insgesamt zu stärken. Wir werden die Stelle einer/eines unabhängigen Polizeibeauftragten beim Landtag einrichten“, heißt es auf Seite 83.

Die Grünen feierten die Festlegung als wichtigen Teilerfolg, der den Skeptikern an der Basis die Zusammenarbeit mit der CDU schmackhafter machen sollte. Derzeit wird darüber beraten, wie die Verabredung umgesetzt werden soll. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ verlaufen die Gespräche zäh - hinter den Kulissen wird mit harten Bandagen gekämpft.

Die CDU hatte sich in den Koalitionsverhandlungen gegen die Einführung eines Polizeibeauftragten gewehrt. Die Einrichtung einer solchen Stelle komme einem Misstrauensvotum gegen die Beamten gleich. Außerdem könne die Institution von der linken Szene genutzt werden, um die Polizei öffentlichkeitswirksam mit Vorwürfen zu überziehen und in Misskredit zu bringen.

Grüne in NRW wollen neuen Polizei-Beauftragten etablieren: Sehnsucht nach neuer Fehlerkultur

Julia Höller ist die innenpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion. Sie erklärt, was sich die Grünen von der Einführung eines Polizeibeauftragten versprechen. „Derzeit müssen Bürgerinnen und Bürger zu einer Polizeistation gehen, um mögliches polizeiliches Fehlverhalten zu melden. Also genau zu der Stelle, mit der sie zuvor schlechte Erfahrungen gemacht haben. Das hemmt und schreckt ab. Es ist aber wichtig, dass genau diese Fälle geklärt werden“, sagte Höller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Auch für Polizeibeamte und -beamtinnen sei es „deutlich einfacher“, sich mit ihren Belangen an eine unabhängige Stelle wenden zu können - das stärke „die professionelle Fehlerkultur“. Die Einführung des unabhängigen Polizeibeauftragten sei für die Koalition „ein zentrales innenpolitisches Anliegen“ und habe „deshalb hohe Priorität“, so die Grüne Höller. Mit dem Koalitionspartner sei man „in guten Gesprächen“.

Bei der CDU betont man, die Polizei in NRW genieße hohes Vertrauen, hohe Akzeptanz und ein großes Maß an Wertschätzung. „Dieses Ansehen beruht auf dem professionellen und verantwortungsvollen Handeln fachlich gut aus- und fortgebildeter Polizeibeamtinnen und -beamten“, sagte CDU-Innenexperte Christos Katzidis unserer Zeitung. Dazu gehöre auch eine gesunde Fehlerkultur. „Welche Aufgaben genau auf den unabhängigen Polizeibeauftragten zukommen werden, ist gerade in der Abstimmung mit dem Koalitionspartner“, so Katzidis.

Über diese Details können sich CDU und Grüne bislang offenbar nicht einigen. Soll der Polizeibeauftragte Einblick in Ermittlungsakten bekommen? Muss ihm der Zugriff auf die digitale Infrastruktur und polizeiinterne Berichte gewährt werden? Während die Grünen den Polizeibeauftragen mit weitreichenden Kompetenzen ausstatten wollen, zeigen sich CDU-Vertreter zurückhaltend.

Was ist der Mehrwert der Stelle?

Der Dissens bei dem Thema ruft naturgemäß die Opposition auf den Plan. Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger": Schwarz-Grün  laufe „erneut den eigenen Ansprüchen und vollmundigen Ankündigungen im Koalitionsvertrag hinterher“.  Gerade in Fragen der Inneren Sicherheit würden CDU und Grüne „völlig über Kreuz“ liegen.

„Diese Landesregierung lähmt sich im Clinch selbst, und das ist ein Bärendienst für die Sicherheit der Menschen im Land“, so Lürbke. Bis heute sei unklar, „welchen Mehrwert“ die neue Stelle gegenüber dem bestehenden polizeilichen Beschwerdemanagement hätte: „Das andauernde grüne Misstrauen gegenüber unserer Polizei ist nicht hilfreich, es schürt nur Verunsicherung.“

Sie SPD steht der Einführung der neuen Instanz grundsätzlich positiv gegenüber. „Unabhängige Polizeibeauftragte sind eine wichtige Anlaufstelle für die Anliegen von Bürgerinnen“ , sagte Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Bundesländer wie Hessen, Schleswig-Holstein oder Berlin hätten eine solche Stelle schon. Wann die Koalition in NRW zu einer Einigung komme, sei unklar.  „Auch auf unsere Nachfrage“ gab es dazu bisher keine Antwort von der Landesregierung. „Das irritiert uns sehr und lässt Zweifel daran aufkommen, wie ernst es CDU und Grünen mit diesem Vorhaben wirklich ist“, so Kampmann.

Kurzfristig ist mit einer Umsetzung jedenfalls nicht zu rechnen. Denn wenn die Regierungsfraktionen sich gemeinsam auf die Details der Jobbeschreibung einigen sollten, müssen die Abmachungen erst noch in einen Gesetzentwurf gegossen werden, der in den Landtag eingebracht, diskutiert und beschlossen werden muss.  Erst, wenn das Gesetz in Kraft getreten ist, kann der oder die Polizeibeauftragte die Arbeit aufnehmen.