Illegal entsorgter Müll in NRWs Wäldern ist eine schwere Belastung für das Ökosystem. Hohe Geldstrafen halten viele Menschen nicht davon ab, Elektrogeräte, Altreifen und Autobatterien in die Natur zu kippen.
„Kriminelle werden immer skrupelloser“Reifen, Badewanne, Autobatterie: NRW-Förster sind entsetzt über Müll im Wald

Müll im Kottenforst - in diesem Fall nur zu Anschauungszwecken abgelegt.
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Hans Otto Schacknies hat einen weißen Eimer in der Hand, in den er welke Blätter sammelt. Seit vielen Jahren kümmert sich der 72-Jährige um die Sauberkeit auf dem Waldparkplatz am Forsthaus in Wachtberg-Villiprott bei Bonn. An diesem Morgen verblüfft ihn ein überraschender Anblick. Im Grünstreifen steht eine alte Badewanne gefüllt mit Plastikmüll. Einige Meter weiter stehen halbleere Kanister im Gras, einer enthält Insektengift. Auch drei Autoreifen liegen am Wegesrand. „Was ist denn hier los?“, fragt der Rentner. „Keine Sorge, das Zeug kommt gleich wieder weg“, beruhigt ihn Jörg Schmidt, der Bürgermeister der Gemeinde.
Der Müll wurde vom Landesbetrieb Wald und Holz zu Anschauungszwecken ins Gehölz drapiert. NRW-Forstministerin Silke Gorißen ist aus Düsseldorf gekommen, um Bürger auf ein schwerwiegendes Problem aufmerksam zu machen. „Müll im Wald kann fatale Folgen haben. Wildtiere verfangen sich an Schnüren, verletzen sich an Drähten und scharfen Kanten und verzehren Verpackungsreste – das sind tödliche Gefahren“, sagt die CDU-Politikerin. Wenn sie mit ihrem Mischlingshund Friso zu Hause im Wald spazieren gehe, stoße sie selbst regelmäßig auf illegale Kippen. „Oft geraten so Gifte ins Grundwasser, die den Wald zerstören.“
Firmen wollen bei Entsorgung sparen
Wolfgang Bongardt ist seit 30 Jahren Förster im Kottenforst. „Wir haben rund 40 Waldparkplätze“, sagt der 62-Jähirge. „Es macht mich fassungslos, wenn ich sehe, was da alles abgeladen wird.“ Bongardt berichtet von einer LKW-Landung Altbatterien, die am Waldrand entsorgt wurden. „Diese kriminellen Idioten werden immer skrupelloser. Wer macht so was?“, fragt sich der Forstbeamte. Das Müllproblem werde immer größer. In Gemeinden wie Wachtberg nehmen die Entsorgungskosten von Jahr zu Jahr zu.
Die meisten Umweltfrevler lassen keine Spuren zurück, durch die sie zu identifizieren wären. Neben kriminellen Firmen, die Geld für die Entsorgung sparen wollten, gebe es wohl auch immer wieder Menschen, die sich ein Problem vom Hals schaffen wollten, sagt Stephan Schütte, Regionalforstamtsleiter Rhein Sieg: „Oft werden nachts in größeren Mengen Altmöbel nach einer Wohnungsräumung abgeladen, weil die kommunale Abgabestelle für Sperrmüll um diese Zeit geschlossen ist und der Mietwagen am nächsten Morgen wieder abgegeben werden muss.“ Auch Gartenbesitzer würden den Wald nutzen, um ihren Rasenschnitt zu entsorgen, wenn die Biotonne schon voll sei.
Tatsächlich gibt es offenbar einen Zusammenhang zwischen der Waldverschmutzung und den Öffnungszeiten der Müllannahmestellen. Die seien für Heimwerker vor allem an den Wochenenden ein Problem, heißt es. In Sankt Augustin, Swisttal, Eitorf und Bornheim schließen die Center samstags bereits um 13 Uhr. Tim Hahlen, Umweltdezernent im Rhein-Sieg-Kreis, sucht jetzt nach einem Lösungsansatz. „Wir planen einen Versuch, beim dem an einem Standort Müll rund um die Uhr abgegeben werden kann“, so Hahlen. Das habe aber auch Nachteile. „Wir können ja nicht rund um die Uhr Personal vorhalten. Wenn die Leute uns nachts gebührenpflichtigen Müll in frei zugängliche Container kippen, gehen uns Einnahmen durch die Lappen.“
Müllcenter schließen zu früh
Im Kampf gegen die illegalen Müllkippen im Land komme es „weniger auf spektakuläre Müllkulissen im Wald“, sondern auf ein pragmatisches Vorgehen an, heißt es bei der SPD im Düsseldorfer Landtag. Bei handfester Umweltkriminalität reichten „freundliche Appelle“ der Ministerin nicht aus. „Hier geht es um handfeste Straftaten, die konsequent verfolgt werden müssen“, sagt SPD-Umweltexperte René Schneider. Im Umgang mit Gartenabfällen könnten „statt gut gemeinter Worte“ lebensnahe Öffnungszeiten von Abfallhöfen helfen. „Wer nach der Gartenarbeit am Wochenende oder nach Feierabend nicht vor verschlossener Tür steht, kommt vielleicht auch nicht auf dumme Ideen“, so der SPD-Politiker.
Die können jedenfalls ganz schön teuer werden. Der Landesbetrieb Wald und Holz weist darauf hin, dass die Entsorgung von Gartenabfällen mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro geahndet werden kann. Mit dem abgemähten Gras kämen oft gesundheitsgefährliche Nitrate ins Grundwasser, heißt es. Außerdem würden „gebietsfremde Samen“ ausgebracht. „Die hoch allergene Ambrosia-Pflanz und der Japanische Staudenknöterich haben so ihren Weg in den Wald gefunden“, heißt es.
Die größte Gefahr für den Wald geht von Bauschutt, Batterien, Elektrogeräten und lackiertem Altholz aus. Sie enthalten unter anderem Asbest, Blei, Öle, und Kühlmittel. Auch Zigarrenkippen, die vielfach achtlos auf den Boden geworfen werden, belasten die Wälder. Die watteähnlichen Filter werden von den Tieren oft mit Nahrung verwechselt. Bis zu 450 Jahre kann es dauern, bis sich eine Plastik-Flasche im Wald zersetzt hat. Wer vorsätzlich illegal entsorgt, kann mit Geldbußen bis zu 50.000 Euro belangt werden. Empfindliche Geldstrafen drohen auch, wenn Getränkedosen oder Plastiktüten achtlos in die Natur geworfen werden.