Kölner CDU-Politikerin Serap Güler im Interview„‚Islam gehört zu Deutschland’ war in dieser Pauschalität nicht richtig“

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Die Bundestagsabgeordnete Serap Güler (Wahlkreis 101 Köln/Leverkusen) in der Redaktion beim Interview. Foto: Ralf Krieger

Serap Güler ist Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Köln-Mülheim und Leverkusen.

Serap Güler ist eine Hoffnungsträgerin der CDU. Die Expertin für Sicherheitspolitik und Migrationsfragen und Muslimin erklärt das Grundsatzprogramm der Union.

Frau Güler, Sie waren Vize-Vorsitzende der Programm- und Grundsatzkommission der CDU. Im Entwurf für das Grundsatzprogramm richtet sich die Partei konservativer aus. Ist das eine Abkehr von der Merkel-Zeit?

Serap Güler: In dem Programm bekennen wir uns ausdrücklich zu den drei Wurzeln christlich-sozial, liberal und konservativ. Es geht also weder allein um das Konservative noch um eine Abkehr. Wir haben in den letzten 22 Monaten gemeinsam mit der Kommission insgesamt Wert daraufgelegt, unsere Ideen und Vorschläge als CDU in den Vordergrund zu stellen. Ich denke, es ist uns gut gelungen, dabei alle drei Wurzeln hervorzuheben.

Fürchten Sie, dass der CDU Wähler der Mitte verloren gehen?

Wenn wir es schaffen, den Menschen das Vertrauen zurückzugeben, dass wir wissen, was sie bewegt, was ihre Sorgen sind und dass wir Lösungen für ihre Probleme haben, ihnen wieder politischen Halt geben, habe ich solche Befürchtungen nicht. Das ist uns bei der letzten Bundestagswahl leider nicht gelungen, das muss es aber wieder. Sonst gehen nicht nur der CDU Wähler der Mitte verloren, sondern viele weitere auch. Die Ampel enttäuscht viele Menschen in diesem Land. Wenn wir es als CDU auch nicht schaffen, das Vertrauen in Politik zurückzugewinnen, werden nur Parteien rechts- und linksaußen davon profitieren.

Die Bundestagsabgeordnete Serap Güler (Wahlkreis 101 Köln/Leverkusen) in der Redaktion beim Interview. Foto: Ralf Krieger

Serap Güler

Im Entwurf heißt es: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Grenzt sich die CDU damit auch von einem Satz des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) ab, der 2010 gesagt hatte: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“?

Der Vater dieses Satzes ist eigentlich Wolfgang Schäuble, der ihn 2006 im Rahmen der ersten Islamkonferenz sagte. Wie viele andere Muslime habe auch ich mich über diesen Satz gefreut. Aber wenn wir ehrlich sind, war er damals schon in dieser Pauschalität nicht richtig. Denn es gibt ja nicht den Islam. Als deutsche Muslimin sage ich nämlich genauso deutlich: Ich will hier keinen wahabitischen oder politischen Islam. Deshalb war es uns wichtig, uns jetzt auf die Menschen zu konzentrieren und nicht auf die Religion.

Migranten, die Deutsche werden wollen, sollen sich zum Existenzrechts Israels bekennen. Wie soll das funktionieren?

Im Rahmen einer Einbürgerung können wir dieses Bekenntnis verlangen. Und ich bin sehr froh darüber, dass diese Forderung mittlerweile auch von der Bundesregierung übernommen wird. Es muss einfach klar sein: Jeder, der hier bei uns leben möchte, hier eine neue Heimat gefunden hat und die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten will, muss auch zu unserer Staatsräson stehen. Das Existenzrecht Israels ist für uns nicht verhandelbar.

Der Bundesverteidigungsminister Pistorius denkt aktuell über die Wiedereinführung der Wehrpflicht nach. Was halten Sie als Verteidigungspolitikerin von der Idee?

Wenn er die dafür nötigen 15 bis 30 Milliarden hat, bin ich gerne bereit, darüber zu sprechen. Diesmal aber verpflichtend für Frauen und Männer. Ernsthaft: Die Bundeswehr ist ein toller Arbeitgeber, sie bietet viele Perspektiven, gerade für junge Menschen. Dennoch glaube ich nicht, dass dies der richtige Weg ist. Wir bräuchten hierfür nicht nur Kasernen, sondern vor allem auch das Personal. Beides ist Mangelware. Deshalb sprechen wir uns als CDU eher für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr aus, das realistischer und schneller umsetzbar wäre.

In Ihrem Grundsatzprogramm fordern Sie das für alle Schulabgänger ein. Wie sollte das aussehen – und warum setzen Sie nicht auf Freiwilligkeit?

Die Bundeswehr wäre dann eine Option, weitere können soziale Einrichtungen, wie Kitas oder Krankenhäuser, aber auch Rettungsdienste sowie Umwelt- oder Klimaverbände sein. Somit könnten wir auch zu einer gesamtgesellschaftlichen Resilienz beitragen. Durch reine Freiwilligkeit erreichen wir vor allem ein bestimmtes Milieu, was viele FSJ-Programme deutlich machen. Das sind überwiegend junge Menschen aus bildungsnahen Familien, aber wir wollen ja alle erreichen, auch die, die über ihre Familien nicht dazu geleitet werden. Außerdem baut die Verpflichtung den Druck ab, man würde durch so ein Jahr Zeit verlieren. Es müssten ja dann alle ran.

Bereitet das Grundsatzprogramm den Wahlkampf von Friedrich Merz vor, oder würde es auch zu Hendrik Wüst passen?

Das wird das vierte Grundsatzprogramm der CDU sein. Insofern wird es zu jedem CDU-Kandidaten passen.

Merz kann laut Demoskopie bei weiblichen Wählerinnen nur begrenzt punkten. Wäre Wüst nicht der bessere Kandidat?

Über die Frage, wer der beste Kandidat ist, werden wir im nächsten Jahr entscheiden. Dann liegt es an uns allen, gemeinsam und geschlossen hinter dem Kandidaten zu stehen. Das muss uns allen eine Lehre aus der letzten Bundestagswahl sein.

Merz hat erklärt, der Kauf eines Weihnachtsbaums gehöre zur deutschen Leitkultur. Stimmt das?

Wir sind ein christlich geprägtes Land und das Weihnachtsfest, also die Geburt Christi, ist ein selbstverständlicher Teil unserer Kultur. Auch als Muslimin habe ich Weihnachten – wozu auch der Weihnachtsbaum gehört – immer als ein Fest der Wärme und der Freude empfunden. Das bedeutet ja nicht, dass sich jeder zu Hause einen aufstellen muss, das verlangt Friedrich Merz auch nicht. Aber dass man dieses Fest mit all seinen Bräuchen respektiert, sollte für jeden, der hier lebt, eine Selbstverständlichkeit sein.

Stellen Sie selbst einen Baum auf?

Ich liebe Weihnachtsbäume. Als Kind hatten mir meine Eltern einen kleinen künstlichen gekauft, den wir jedes Jahr aufstellten und um den herum auch Geschenke lagen. Bei uns hat man sie allerdings erst Neujahr aufgemacht – es waren also Neujahrsgeschenke, was in der Türkei eher zur Tradition gehört.

Für wie wahrscheinlich halten Sie vorgezogene Neuwahlen?

Für gar nicht wahrscheinlich. Keine der drei Parteien hat gerade Interesse an Neuwahlen. Für alle drei wäre es mit Verlusten verbunden. Die SPD würde das Kanzleramt verlieren, die FDP würde wahrscheinlich nicht mehr im Bundestag sitzen und die Grünen wären wahrscheinlich nicht mehr Teil der Bundesregierung – deshalb werden alle das Ganze irgendwie durchziehen. Dass unter dieser Bundesregierung das ganze Land und unser Ansehen im Ausland leiden, scheint die Ampel aus Angst vor Verlusten in Kauf zu nehmen. Den Schaden trägt die komplette Politik, weil somit extrem viel Vertrauen verspielt und Politikverdrossenheit befördert wird.

Wie schätzen Sie die Erfolgschancen einer Wagenknecht-Partei ein?

Ich würde sie weder unterschätzen noch ihr eine große Bedeutung beimessen. Sie versucht gerade ganz geschickt den Finger in die Wunde zu legen, indem sie die Probleme, die vor allem durch die Politik der Ampel verursacht wurden, zu benennen. Das tut auch die AfD, aber beide bleiben Antworten schuldig, wie man diese Probleme lösen kann.

2025 stehen auch Kommunalwahlen an. Tritt die Kölner CDU diesmal mit einem eigenen Kandidaten an – oder würden Sie die Kandidatur der Grünen Landtagsvizepräsidentin Berivan Aymaz unterstützen?

Ich weiß zwar nicht, ob Berivan selbst schon weiß, dass sie antritt, aber bei aller persönlichen Wertschätzung ihr gegenüber: Nein. Wir als CDU Köln werden 2025 definitiv mit einem eigenen Kandidaten oder einer Kandidatin ins Rennen gehen.

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