Kampf gegen UmweltkriminalitätGrüne feiern Dortmunder Spezialermittler als Erfolg über die CDU

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Tote Fische liegen im Schilf.

Fischstreben durch einen Gifteintrag ins Wasser - NRW will Umweltstraftaten künftig gezielter verfolgen.

Eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Dortmund nimmt den Kampf gegen Umweltsünder auf. Ein Erfolg für die Grünen. Bei der CDU werden ungute Erinnerungen geweckt. 

Die Befindlichkeiten in der schwarz-grünen NRW-Koalition lassen sich oft daran ablesen, ob die regierungstragenden Fraktionen auf Neuigkeiten reagieren oder nicht. Als NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) jetzt im Rechtsausschuss die Einrichtung einer „Schwerpunktstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität“ mit Sitz in Dortmund ankündigte, sprachen die Grünen von „einer sehr guten Nachricht“, so Rechtsexpertin Dagmar Hanses. Ihr Fraktionskollege Volkhard Wille jubelte, NRW setze „bundesweit Maßstäbe“. Und was sagte die CDU? Nichts.

Das lasse, so heißt es bei den Grünen hinter vorhaltender Hand, tief blicken. Denn bei der CDU rollen viele mit den Augen, wenn vom Kampf gegen die Umweltkriminalität die Rede ist. Das weckt ungute Erinnerungen – an das Scheitern einer CDU-Ministerin, an einen zähen Untersuchungsausschuss, und an die Kröte im Koalitionsvertrag, die es zu schlucken galt, um die schwarz-grüne Koalition unter Dach und Fach zu bringen.

Eine Stabsstelle Umweltkriminalität war 2004 von der damaligen NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) in ihrem Haus als Konsequenz aus den Müllskandalen unter anderem in Köln gegründet worden. Ihre Nachfolger Eckhard Uhlenberg (CDU) und Johannes Remmel (Grüne) beließen es bei der Struktur. Zu den Fällen, die  Stabstelle verfolgte, gehörten unter anderem der Dortmunder „Envio“-Skandal oder auch der Unfall in der Erdölraffinerie Shell bei Köln, bei dem tausende Liter Kerosin ins Grundwasser flossen. Als Christina Schulze Föcking, die 2017 im Kabinett von Armin Laschet zur Umweltministerin ernannt worden war, es dann offenbar eilig hatte, die Stabstelle abzuschaffen, weckte das den Argwohn der Opposition.

Hacker-Angriff zog Untersuchungsausschuss nach sich

Schulze Föcking war gleich zu Beginn ihrer Amtszeit wegen angeblicher Missstände im Schweinemastbetrieb der Familie unter Druck geraten. Es wurde vermutet, dass die Stabstelle auch den Hof der Schulze Föckings im Visier hatte. Verfolgte Schulze Föcking mit der Auflösung der Einheit persönliche Motive? Sollten Mitarbeiter entfernt werden, die zu viel wussten?

Nachdem sich ein angeblicher Hackerangriff auf den heimischen Fernseher der Minister als Bedienungsfehler entpuppt hatte, wurde Schulze Föcking persönlich bedroht und trat zurück. Ein Untersuchungsausschuss, der die Hacker-Affäre aufklären sollte, befasste sich auch mit den Umständen der Stabsstelle Umweltkriminalität. Nach den Vernehmungen habe sich die „Vermutung erhärtet“, dass die Abschaffung der Stabsstelle „willkürlich und politisch motiviert“ gewesen sei, heißt es im Abschluss-Votum der der SPD zu den Untersuchungen. Ob die Beamten durch ihre Tätigkeit „Entscheidungsträgern zu nahegekommen“ seien, bleibe offen. 

Kampf gegen die Müll-Mafia

Nachdem die CDU bei der Regierungsbildung 2022 auf die Grünen angewiesen war, setzte die Ökopartei ihre Forderungen zur Bekämpfung der Umweltkriminalität durch. Eine späte Genugtuung. Während die Stabstelle im Umweltministerium nur aus zwei Beamten bestand, die vor allem Informationen sammelten und weitergaben, nimmt jetzt ein ganzes Team von Staatsanwälten den Kampf gegen schwere Umweltstraften auf. Wenn gezielte Verstöße unbemerkt bleiben, können kriminelle Firmen damit zum Teil erhebliche Gewinne erzielen. „Die Neuauflage ist das späte Eingeständnis der CDU-geführten Landesregierung, dass die Abschaffung der Stabsstelle Umweltkriminalität durch die damalige Umweltministerin Christina Schulze Föcking ein Fehler war“, sagte René Schneider, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

2021 wurden in NRW lediglich 1014 Straftaten gegen die Umwelt verfolgt. Die Zahl der Delikte stieg leicht um 0,8 Prozent. Die neue „Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen (ZeUK)“ wird als eine Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft Dortmund eingerichtet.

Ein Schwerpunkt soll die Aufklärung von mafiösen Strukturen im Bereich der Abfallwirtschaft sein. Neben dem Kampf gegen illegale Müll-Exporte sollen die Fahnder auch die absichtliche Verunreinigung von Flüssen und den Handel mit verbotenen Chemikalien in den Blick nehmen - in Deutschland nicht zugelassene Pestizide werden oft über das Internet bezogen. Auch Verstöße gegen den Tier- und Artenschutz sollen effektiver verfolgt werden.

Werner Pfeil, rechtpolitischer Sprecher der FDP, hält die neuen Strukturen für unzureichend. „Neben der Schwerpunktstaatsanwaltschaft hätte man mehrere Zentralstellen oder Sonderdezernate verteilt im Land bilden sollen“, sagte Pfeil unserer Zeitung. 

Auch das Landeskriminalamt nimmt künftig die Umweltkriminalität verstärkt in den Blick. Dort wird ab Herbst eine „Vernetzungsstelle“ eingerichtet, in der vier Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie zwei Regierungsbeschäftigte tätig sein werden. Dem Vernehmen nach soll die Einheit auch neue Erscheinungsformen der Umweltkriminalität in den Blick nehmen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gibt sich zuversichtlich: „Durch die angestrebte Vernetzung aller Akteure wird der ressortübergreifende Kampf gegen Umweltkriminalität intensiviert und das entschlossene Vorgehen der Landesregierung gegen Umweltkriminalität unterstrichen.“

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