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SPD wählt neue Parteispitze„Unsere Aufgabe ist der Angriff"

Lesezeit 5 Minuten
Achim Post (l.) und Sarah Philipp stehen nach der Wahl für den Vorsitz der nordrhein-westfälischen SPD mit dem SPD-Bundesvorsitzenden auf der Bühne beim SPD-Landesparteitag.

Achim Post (l.) und Sarah Philipp stehen nach der Wahl für den Vorsitz der nordrhein-westfälischen SPD mit dem SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil auf der Bühne beim SPD-Landesparteitag.  

Nach dem Debakel bei der Landtagswahl 2022 will die NRW-SPD jetzt auf die Erfolgsspur zurück. Beim Landesparteitag in Münster wählen die Genossen erstmals eine Doppelspitze. 

Als das Wahlergebnis verkündet wird, ist Sarah Philipp die Erleichterung deutlich anzusehen. 87,5 Prozent der Stimmen hat die Landtagsabgeordnete aus Duisburg bekommen, ein respektables Ergebnis. Auch Achim Post wirkt gelöst. Sein Ergebnis ist mit 91,9 Prozent noch etwas besser als das von Philipp. „Ihr habt’s geschafft, herzlichen Glückwunsch“, sagt Jochen Ott. Der Vorsitzende der Landtagsfraktion gehört zu den ersten Gratulanten - und klopft den beiden auf die Schultern.   

„Die neue SPD im Westen“, ist der Slogan des Parteitags. Nach der Niederlage bei der Landtagswahl im Mai 2022 wollen die Sozialdemokraten ein Signal für den Neustart setzen. Dass ausgerechnet die Urgesteine Hans-Willi Körfges (69) und Nobert Römer (76) im Tagungspräsidium sitzen, sorgt bei manchem Genossen für Schmunzeln. „Wir fangen mit den Alten einfach von vorne an“, scherzt Harald Schartau, der vor 20 Jahren NRW-Arbeits. und Sozialminister war.

„Tag für Tag ein Stückchen besser"

Die Stimmung ist gut in der Halle Münsterland. Der Interimsvorsitzende Marc Herter macht den Delegierten zum Auftakt des Parteitags Mut. Die SPD müsse zum „Basislager“ für die Menschen werden, die das Land in schwierigen Zeiten gestalten wollten. Ziel müsse es sein, den Alltag der Menschen Tag für Tag ein bisschen besser zu machen.

Der Chef des SPD-Bezirks Westliches Westfalen war selbst lange als Kandidat für den Parteivorsitz gehandelt worden. Deshalb erläutert Herter, warum er sich nicht zur Wahl stellt. „Mein Platz ist in Hamm. Ich bin mit Leib und Seele Oberbürgermeister.“ Dann sorgt er für den ersten emotionalen Moment des Parteitags. Er dankt Thomas Kutschaty, der als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl gescheitert war, und winkt den Ex-Vorsitzenden auf die Bühne. Die Delegierten erheben sich und spenden langen Applaus.

Sarah Philipp überrascht den Parteitag mit einer unkonventionellen Bewerbungsrede. Sie stellt sechs Menschen im Saal vor, die veranschaulichen sollen, um welche Menschen sich „die neue SPD im Westen“ verstärkt kümmern will. Neben drei Betriebsräten präsentiert Philipp die Altenpflegerin Michaela, die Grundschullehrerin Daniela und die Schülerin Jette, die sich bei Fridays für Future engagiert, als wichtige Zielgruppe. „Lasst uns Politik für Jette machen“, ruft Philipp in den Saal. „Lasst uns für neue Mehrheiten kämpfen.“ Der Wiederaufstieg der NRW-SPD sei „kein einfaches Projekt", aber nicht ist unmöglich.

Achim Post hält eine klassische Parteitagsrede, die er frei vorträgt, und für die es immer wieder Zwischenbeifall gibt. Der langjährige Chef der SPD-Landesgruppe im Bundestag lobt das besonnene Handeln von Bundeskanzler Olaf Scholz im Ukraine-Krieg. Scharf attackiert er Manfred Weber, den konservativen EVP-Chef im EU-Parlament. Der organisiere seit „seit Jahr und Tag Bündnisse zwischen Christdemokraten und Rechtsradikalen, Rechtsextremisten und Faschisten". Post fordert eine Krisenabgabe von Besserverdienenden und fasst seine persönliche Agenda so zusammen. „Ich mache Politik für Millionen, nicht für Millionäre.“

Lena Teschlade, Landtagsabgeordnete aus Köln, zeigt sich nach der Wahl der neuen Parteispitze im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zufrieden mit dem Parteitag. Die neuen Vorsitzenden hätten gezeigt, dass sie die „aktuellen Herausforderungen der Menschen in NRW erkennen und anpacken“ werden. „Die SPD muss zurück an die Küchentische und die dort diskutierten Themen in konkrete Handlungen gießen“, so Teschlade. Dazu gehöre die klare Positionierung für eine starke Wirtschaft- und Industriepolitik.

„Die SPD ist ein Sanierungsfall"

Auch der Bochumer Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel setzt darauf, dass von dem Parteitag ein Signal des Aufbruchs aufgeht. „Unsere Aufgabe ist der Angriff! Wir werden stärker deutlich machen müssen, wo die Unterschiede liegen zu Schwarz-Grün und der SPD.“ Mit Sarah Philipp und Achim Post verfüge die SPD über eine „überzeugende Doppelspitze“, sagt Yüksel. Ohne eine starke NRW-SPD werde es keinen Sieg bei der nächsten Bundestagswahl geben.

Nach der Abwahl der früheren NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Jahr 2017 war die NRW-SPD nicht mehr auf die Beine gekommen. Bei der ANRW-Wahl im Mai war die Partei auf den historischen Tiefstand von 26,7 Prozent abgesackt, in Umfragen der vergangenen Monate lag sie bei 20 bis 22 Prozent. In der Parteispitze herrschte Neid und Missgunst, wodurch die SPD eine erfolgreiche Oppositionsarbeit zum Teil selbst ausbremste. Karsten Rudolph, langjähriges Mitglied im Landesvorstand, appelliert an den Zusammenhalt der Partei. „Die NRW-SPD ist ein Sanierungsfall. Daraus leitet sich für alle, die in ihr Verantwortung tragen die Aufgabe ab, jetzt zu sanieren und nicht länger zu lamentieren“, so der Geschichtsprofessor im Gespräch mit unserer Zeitung.

In der ersten Reihe haben zahlreiche Ehrengäste eingefunden. Neben Ex-Ministerpräsidentin Kraft sitzen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und der frühere Bundeschef Norbert Walter-Borjans. Als Gastredner treten der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil und die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger auf. Beide forderten die Strompreis-Subventionierung für die deutsche Industrie geworben. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, der Erhalt von Arbeitsplätzen und der gesellschaftliche Zusammenhalt stehe auf dem Spiel, so Rehlinger.

Neuer Generalsekretär der NRW-SPD wird der ehemalige Landeschef der Jusos, Frederick Cordes, mit rund 87 Prozent der Stimmen. Der 37-jährige Oberhausener will „Kampagnen schmieden, die in Herz und Bauch" ankommen. Zu Vize-Landesvorsitzenden werden unter anderem Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze, Marc Herter und Bundestagsabgeordnete Sanae Abdi aus Köln gewählt. Im Leitantrag, den die Delegierten verabschieden, heißt es, die Partei sei „in schweres Fahrwasser geraten" und müsse sich moderner, bürgernäher und schlagkräftiger aufstellen. Zum inhaltlichen Schwerpunkt soll die Familienpolitik werden.

Landtagsfraktionschef Ott trug ein pinkes Hemd, das seinen Optimismus symbolisieren soll. „Ich sehe die Zukunft pink", ruft er ins Mikrofon. Mit neue Doppelspitze aus Bund und Land seien die Weichen gestellt, die neue SPD im Westen zu alter Stärke zurückzuführen: "Wir haben es selbst in der Hand. Wenn wir das richtig machen, dann haben die Schwarzmaler keine Chance."