Streit um Gema-GebührenKita-Kinder in NRW dürfen nicht „In der Weihnachtsbäckerei“ singen

Lesezeit 3 Minuten
Rolf Zuckowski, Liedermacher, zeigt auf Poster seines Musicals "Die Weihnachtsbäckerei"

Liedermacher Rolf Zuckowski (76) hat 1987 „In der Weihnachtsbäckerei “komponiert.

Wenn gemeinsam gesungen wird, werden Gema-Gebühren fällig – weil das Land keinen Rahmenvertrag abgeschlossen hat.

Die Kinder der Kita Bärenhöhle im münsterländischen Recke lieben den Song „In der Weihnachtsbäckerei“ von Rolf Zuckowski. Sie sind traurig, dass sie den Hit bei der Adventsfeier mit den Eltern nicht singen dürfen. „Das ist uns zu heikel, weil wir dafür Gema-Gebühren bezahlen müssten“, sagt der langjährige Kita-Vorstandschef Björn Schmitz. „Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg und Bayern haben einen Rahmenvertrag mit der Gema abgeschlossen.  Aber in NRW gibt es das nicht. Das Land lässt die Kitas hängen“, ärgert sich der Vater eines sechsjährigen Sohns.

Gema ist die Abkürzung für „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“. Sie verwaltet die Urheberrechte von Komponisten und Musikern und treibt die Nutzungsgebühren für sie ein.  Die fallen an, wenn Musik der Öffentlichkeit zugänglich macht. Das gilt für Partys, Konzerte, Messen und Karnevalsumzüge. Und – in NRW – auch Veranstaltungen von Kitas. „Dabei ist die musikalische Früherziehung ein Grundstein unserer Bildung“, sagt Björn Schmitz. Es sei „ein Armutszeugnis“, dass sich NRW als Flächenland bei der Rechte-Bereitstellung nicht zuständig fühle.

Streit um Gema-Gebühren: Urheber müssen 70 Jahre tot sein

Kostenlos kann man in Deutschland nur dann Musikwerke nutzen, wenn die Urheber mehr als 70 Jahre tot sind. „Wir dürfen also nur Klassiker wie ‚Oh Tannenbaum‘  singen“, sagt Kita-Sprecher Schmitz. „Dabei kommen aber gerade die modernen Lieder bei den Kindern gut an. Dass die Gema Rolf Zuckowski freigibt, werden die meisten Eltern wohl nicht mehr erleben.“ Im Jahr 2022 nahm die Gema insgesamt 1,17 Milliarden Euro ein.

Alles zum Thema Musik

Das Lied „In der Weihnachtsbäckerei“ erschien im Jahr 1987. Komponist Rolf Zuckowski stellte den Song in der Sendung „Wetten, dass..?“ vor. Das Stück ist mittlerweile zum Volkslied geworden.

Der Gemeinderat von Recke (11.500 Einwohner) will in dieser Woche eine Petition an den Düsseldorfer Landtag in der Angelegenheit einreichen. „Solange das Land keinen Rahmenvertrag abschließt, müssen sich die Kitas selbst darum kümmern, Gebühren an die Gema abzuführen“, sagt Schmitz. Dies sei eine zusätzliche Belastung für die Mitarbeitenden, die ohnehin zu wenig Zeit fänden, ihren pädagogischen Aufgaben nachzukommen.

Musik-Nutzung in den Kitas in NRW sei ein „Streitthema“

Die SPD im Düsseldorfer Landtag hat für den Frust in den Kitas Verständnis. „Die Gema hat dem Familienministerium von sich aus den Abschluss eines Lizenzvertrages angeboten“, sagt der jugendpolitische Sprecher Dennis Maelzer. Doch das Land sehe dafür keinen Bedarf, obwohl dies von Kita-Trägern regelmäßig eingefordert werde. „Familienministerin Josefine Paul von den Grünen reagiert mit Desinteresse“, so der SPD-Politiker. „Respekt für die alltäglichen Anliegen von Erzieherinnen und Erziehern sieht anders aus.“

Das NRW-Familienministerium räumte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein, dass die Musik-Nutzung in den Kitas ein „Streitthema“ sei. Es bestehe ein „Spannungsfeld zwischen sozialem Zweck ohne monetären Gewinn“ und dem berechtigten Anspruch von Künstlern, für ihre Arbeit entlohnt zu werden. Das Singen und Musizieren innerhalb der Einrichtungen sei in der Regel gebührenfrei.

Gema-Streit: Kita-Träger sollen selbst entscheiden

In der Antwort von Ministerin Paul auf eine Kleine Anfrage der SPD heißt es zudem, die Entscheidung über Vereinbarungen im Bereich der Lizenzierung liege bei den Kita-Trägern. Dies resultiere aus dem im Sozialgesetzbuch verankerten Grundsatz der Trägerautonomie. „Die Träger haben demnach die Freiheit, eigenständig zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie vertragliche Vereinbarungen treffen“, heißt es. Im Jahr 2011 sei der Versuch, einen Landesrahmenvertrag mit der Gema abzuschließen, an den Trägern gescheitert.

Kita-Sprecher Björn Schmitz hält den Hinweis auf die Trägerautonomie für eine Ausflucht. „Ministerin Paul hat erkennbar keine Lust, den Ball aufzunehmen, weil sie die Kosten scheut“, so der Familienvater. Viele Kitas wären dankbar, wenn die schwarz-grüne Landesregierung ihnen die Gema-Bürokratie abnehmen würde.

KStA abonnieren