Das Leben tausender Patienten könnte gerettet werden, wenn mehr Menschen Organspender wären. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
MedizinWarum so viele Spenderorgane fehlen und was passiert, wenn man auf Reisen stirbt

Ist ein Organ erst einmal entnommen, muss es schnell zum Empfänger geliefert werden - und die Kühlkette darf nicht durchbrochen werden.
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1700 schwerkranke Menschen in Nordrhein-Westfalen warten derzeit auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Für viele von ihnen wird die Hilfe wohl zu spät kommen, denn im vergangenen Jahr wurden in NRW nur 495 Organe gespendet, wie aus Zahlen der Stiftung Eurotransplant hervorgeht. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Tag der Organspende.
Wie ist die Organspende gesetzlich geregelt?
In Deutschland gilt die Entscheidungslösung. Das bedeutet, dass eine Organentnahme nach Hirntod nur rechtmäßig ist, wenn der Verstorbene das zu Lebzeiten beispielsweise durch das Mitführen eines Organspendeausweises verfügt hat oder die nächsten Angehörigen nach dem Tod zustimmen. Seit drei Jahren gibt es zudem ein Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende. Hier können Bürgerinnen und Bürger ihre Entscheidung festhalten und jederzeit ändern. Gesetzlich festgelegt ist zudem, dass die Menschen regelmäßig mit neutralen Informationen versorgt werden, die ihnen eine sichere Entscheidung möglich machen.
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Wie viele Organspender gibt es in Deutschland und wie viele Organe werden benötigt?
Deutschland liege bei der Zahl der Organspender europaweit mit auf dem letzten Platz. Nicht einmal 900 Spenderorgane stehen nach Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation pro Jahr zur Verfügung. Damit kommen etwa zehn Organspender auf eine Million Einwohner. „In Spanien liegt der Wert beim Fünffachen“, sagt Professor Karl Tobias Erich Beckurts vom Hildegardis Krankenhaus in Köln. Auch in Österreich, Kroatien und Irland liegt die Zahl derer, die bereit sind, ihre Organe abzugeben, deutlich höher als in Deutschland. Viele Patienten, die eine Organspende benötigten, gehen in Deutschland deshalb erst einmal leer aus. Auf der Warteliste für eine Transplantation stehen nämlich mehr als 8500 Menschen, pro Jahr sterben knapp 700 davon. Allein in NRW warten 1700 Menschen auf ein oder mehrere Organe. Gespendet wurden in NRW im vergangenen Jahr nur knapp 500.
Warum ist die Entscheidungslösung in der Kritik?
„Die meisten Spenderorgane gehen uns verloren, weil die Menschen sich zu Lebzeiten nicht damit auseinandergesetzt haben und die Nachkommen unsicher sind“, sagt Beckurts vom Hildegardis Krankenhaus. Beckurts plädiert deshalb für die Widerspruchslösung. „Wir respektieren selbstverständlich, wenn sich jemand gegen die Organspende entscheidet, aber man darf finde ich erwarten, dass er sich dann auch um diesen Widerspruch kümmert“, sagt Beckurts im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger.
Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) votierte ebenso für die Widerspruchslösung wie sein Vorgänger Jens Spahn (CDU) sowie der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Dieser fordert die Widerspruchslösung besonders vehement, schließlich zeigen Umfragen, dass 85 Prozent aller Deutschen der Organspende positiv gegenüberstehen: „Aufgrund dieser Ergebnisse bin ich nach wie vor überzeugt, dass die Widerspruchslösung eine Wende in der Organspende herbeiführen“, so Laumann. Er werde sich deshalb weiterhin für die Widerspruchslösung starkmachen und bitte den neuen Bundestag, „sich mit diesem wichtigen Thema zeitnah zu befassen“, erklärt Minister Laumann. „Diese Entscheidung ist jedem erwachsenen Menschen zuzumuten.“ Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat seinerzeit gegen die Widerspruchslösung votiert, heute spricht sie sich für einen erneuten Gesetzentwurf aus, der „mehr Menschen zum Ausfüllen eines Spenderpasses“ bewegt.
Die Widerspruchslösung gilt in den meisten europäischen Ländern, beispielsweise in Norwegen, Finnland, Großbritannien, Island, Frankreich, Spanien, Portugal, den Niederlanden, Belgien, Italien, Österreich, Tschechien, Kroatien, Ungarn und Polen.
Was passiert, wenn man im Ausland verstirbt?
Die angewendete Regel bezieht sich nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf das Land. Das bedeutet: Wer in Österreich stirbt, und keinen Widerspruch eingelegt hat, dessen Organe dürfen entnommen werden. Es ist auch aus diesem Grund ratsam, zu Lebzeiten eine Entscheidung zu treffen und diese zu dokumentieren.
Welche Organe werden am dringendsten benötigt?
Die Niere ist das Organ, das am häufigsten für eine Transplantation benötigt wird und auch am häufigsten transplantiert wird. Mehr als 6000 Patienten warten nach Zahlen des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit auf eine Spende, 2024 konnte gut 2000 davon eine neue Niere transplantiert werden. Auf Platz zwei der Warteliste stehen die Leberpatienten mit gut 900. Versorgt werden konnten davon im vergangenen Jahr 890. Sowohl eine Nieren- als auch eine Leberspende ist auch zu Lebzeiten möglich. Besonders ungünstig ist neben der Niere das Verhältnis zwischen Menschen auf der Warteliste und tatsächlichen Transplantationen im Fall der Bauchspeicheldrüse. Von knapp 300 Patienten konnte vergangenes Jahr nur 73 geholfen werden.
Was sind die medizinischen Voraussetzungen für eine Organspende?
Zwei Ärzte müssen unabhängig voneinander den Hirntod feststellen. Das Vorgehen ist dabei mehrschrittig, untersucht wird die Gesamtfunktion von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm. Die Untersuchungen werden mit zeitlichem Abstand wiederholt, was mehrere Stunden, manchmal sogar Tage dauern kann. Alle Hirnfunktionen müssen dabei unumkehrbar ausgefallen sein. Durch die Diagnostik lässt sich eine Verwechslung mit anderen Erkrankungen wie beispielsweise dem Wachkoma oder dem Locked-in-Syndrom ausschließen, denn in diesen Fällen können noch einige Hirnstammreflexe nachgewiesen werden. Beim Hirntod kann das Herz-Kreislauf-System nur durch intensivmedizinische Maßnahmen künstlich aufrechterhalten werden. Zum Hirntod führen kann beispielsweise eine Hirnblutung oder ein Hirntumor, das Phänomen an sich ist relativ selten, es kann ausschließlich auf der Intensivstation festgestellt werden, sodass nur wenige Verstorbene medizinisch überhaupt für eine Organspende infrage kommen.
Seit wann können Ärzte transplantieren?
Laut Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit waren es altindische Heiler, denen es vor 2500 Jahren gelang, Haut zu transplantieren und damit Patienten zu helfen, deren Nasen oder Ohren verstümmelt waren. 1902 gelang dem österreichischen Chirurgen Emmerich Ullmann die erste erfolgreiche Nierentransplantation bei einem Hund. Mit der ersten erfolgreichen Herztransplantation machte sich der südafrikanische Chirurg Christiaan Barnard 1967 einen Namen. Der Erfolg war zumindest für den Patienten damals noch relativ. Er überlebte 18 Tage. Heute schlagen sieben von zehn transplantierten Herzen auch nach fünf Jahren noch in der Brust ihres Empfängers.