Prozessauftakt zur GeheimaktenaffäreDer Anfang vom Ende Donald Trumps

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Ex-Präsident Donald Trump spricht am Wochenende in North Carolina zu Mitgliedern der Republikanischen Partei.

Ex-Präsident Donald Trump spricht am Wochenende in North Carolina zu Mitgliedern der Republikanischen Partei.

Die Geheimaktenaffäre könnte für Trump nicht nur juristisch heikel sein. Sie ist geeignet, ihn als Präsidentschaftskandidaten für 2024 politisch unmöglich zu machen.

Donald Trump schreibt Geschichte, auf ganz eigene Art. Als erster früherer US-Präsident muss der 76-Jährige am morgigen Dienstag vor einem Bundesgericht als Angeklagter erscheinen.

Viele winken jetzt spontan ab: Hat Trump nicht bereits unzählige Prozesse ohne politischen Schaden für sich selbst überstanden? Tatsächlich blieben Trumps Umfragewerte verblüffend stabil – auch nachdem er Mitte Mai in einem Zivilprozess wegen sexueller Belästigung einer Frau zu einer Entschädigungszahlung von 5 Millionen Dollar verurteilt wurde. Die Fans von Trump jedoch scheint so etwas nicht zu bekümmern.

US-Prozess gegen Donald Trump: Juristische Wucht in 49 Seiten Anklageschrift

Der jetzt anstehende Prozess zum haarsträubenden Umgang Trumps mit geheimen Staatsakten jedoch ist in vieler Hinsicht anders. Er könnte den Anfang vom Ende von Trump bedeuten. Zwar sprechen Trumps Follower, sattsam bekannten Reflexen folgend, auch jetzt wieder von einer Hexenjagd auf den früheren Präsidenten. Doch alle, die so reden, unterschätzen die juristische Wucht der 49 Seiten langen Anklageschrift.

Es geht hier um Tatbestände, für die bis zu zehn Jahre Haft angeordnet werden können. Hintergrund ist die mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit. Ein bei Trump beschlagnahmtes Dokument aus dem Juni 2020 enthält den Ermittlungen zufolge zum Beispiel „Informationen zu den nuklearen Fähigkeiten eines anderen Staates“. Papiere dieser Art verwahrte Trump „unter anderem in einem Ballsaal, in einem Badezimmer und einer Dusche, einem Büro, seinem Schlafzimmer und einem Lagerraum“.

Sonderermittler Jack Smith hat die Anklageschrift klugerweise in einem eiskalten No-Nonsense-Modus abgefasst. Politische Deutungen aller Art meidet Smith sorgsam. Jeden juristischen Vorwurf indessen hat er akribisch belegt, mit beschlagnahmten Videoaufzeichnungen von Sicherheitskameras, mit sichergestellten Textbotschaften und mit Aussagen von Zeugen aus dem Kreis von Trumps Mitarbeitern.

Die Summe all dieser Details könnte Trump nicht nur juristisch das Genick brechen. Die Geheimaktenaffäre ist auch geeignet, ihn als Präsidentschaftskandidaten politisch unmöglich zu machen. Denn Trumps wirre Missetaten konterkarieren klassische Botschaften der amerikanischen Konservativen, vor allem den Einsatz für Recht und Ordnung.

Erste republikanische Präsidentschaftskandidaten auf Distanz zu Donald Trump

America first? Wer mit Geheimdienstberichten so verächtlich umgeht wie Trump, zeigt damit letztlich auch seine Verachtung für die Dienste selbst. Trumps Verhalten war nicht nur eine Verhöhnung von Recht und Ordnung, es war zugleich ein unpatriotischer Akt. Die Republikanische Partei der USA muss klären, wie das zu ihr passt – und wie es sich im Präsidentschaftswahlkampf 2024 auswirken könnte. Immerhin sind die republikanischen Präsidentschaftsbewerber Chris Christie und Asa Hutchinson bereits auf Distanz zu Trump gegangen. Wann folgen Ron DeSantis und Nikki Haley?

Eine alte Frage stellt sich neu: Ist Trump charakterlich geeignet, Präsident der USA zu sein? Sein Umgang mit den Akten gibt auch Wohlmeinenden Rätsel auf. Wozu wollte Trump die geheimen Dokumente überhaupt horten? Um damit anzugeben gegenüber Partygästen? So oder so: Die Anklageschrift deutet auf ein Verhaltensmuster, wonach Trump eine Herrschaft des Rechts auch über sich selbst nicht anerkennt.

Den Sonderermittler Smith kanzelte Trump ab als „durchgeknallten Idioten“. Eigene Mitarbeiter wies er an, den Behörden die Unwahrheit zu sagen. So agieren auch Mafiabosse. Möglicherweise erleben die USA abermals, wie sich in den Straßen ein staatsfeindlicher Mob zugunsten Trumps erhebt. Dann muss der amerikanische Rechtsstaat härter und schneller reagieren als beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021. Der Spuk muss ein Ende finden.

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