Geplanter Führerscheincheck ab 70Senioren am Steuer: Wie häufig verursachen ältere Menschen Unfälle?

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Eine Rentnerin startet mit dem Zündschlüssel ihr Auto.

Eine Rentnerin startet mit dem Zündschlüssel ihr Auto.

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, die Fahrtauglichkeit älterer Autofahrer regelmäßig zu überprüfen. Was sagt die Statistik über das Risiko von Seniorinnen und Senioren hinter dem Lenkrad?

Die EU-Kommission möchte, dass Menschen über 70 Jahre alle fünf Jahre entweder eine Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit ausfüllen oder sich von einem Arzt untersuchen lassen müssen, um weiterhin mit dem Auto fahren zu dürfen. Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen nun einen Kompromiss aushandeln. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat sich bereits gegen das Vorhaben ausgesprochen.

Im Alter steigt das Unfallrisiko

Welches Risiko von Älteren am Steuer ausgeht, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Im Jahr 2021 waren demnach 66.812 Menschen ab 65 Jahren an Unfällen mit Personenschaden beteiligt, das entspricht 14,5 Prozent aller Unfallbeteiligten.

Gemessen am Bevölkerungsanteil der Seniorinnen und Senioren von 22,1 Prozent wirkt dieser Wert relativ gering. Doch die geringere Unfallbeteiligung Älterer im Vergleich mit anderen Altersgruppen liegt auch daran, dass ältere Menschen nicht mehr regelmäßig zur Arbeit fahren und somit seltener als jüngere am Straßenverkehr teilnehmen.

Der Lei­ter der Unfall­for­schung der Ver­si­che­rer (UDV), Siegfried Brockmann, zieht deshalb die gefahrenen Kilometer als Vergleichsmaßstab für die Unfallhäufigkeit heran. Zudem führt Brockmann in seiner Statistik die ab 75-Jährigen als eigene Gruppe auf, weil die geistigen und körperlichen Fähigkeiten in diesem Alter teilweise deutlich schlechter seien als bei jüngeren Senioren und Seniorinnen.

Unfallrisiko liegt bei jungen Erwachsenen höher

Die Zahlen zeigen, dass das Risiko, in einen folgenreichen Straßenverkehrsunfall zu geraten, für junge Erwachsene bis 24 Jahre am höchsten ist. Darauf folgen aber bereits die Hochbetagten, deren Risiko deutlich über den mittleren Altersgruppen liegt.

Zieht man nur die Unfälle heran, in deren Folge ein Beteiligter ums Leben gekommen ist, dann liegt das Risiko der ältesten Altersgruppe sogar auf dem gleichen Niveau wie das der Fahranfängerinnen und Fahranfänger. Ein Grund ist, dass es häufig die Älteren selbst sind, die wegen ihrer hohen Verletzlichkeit bei einem Unfall getötet werden.

Im Jahr 2021 verunglückten insgesamt 45.123 ältere Menschen im Alter von 65 oder mehr Jahren im Straßenverkehr. Davon wurden 11.169 schwer verletzt, 868 Seniorinnen und Senioren kamen ums Leben. Insgesamt betrug der Anteil der Seniorinnen und Senioren an allen Verunglückten 14 Prozent, bei den Todesopfern war der Anteil mit 34 Prozent wesentlich höher.

Senioren verursachen Unfälle meist selbst

Waren ältere Menschen als Pkw-Fahrerinnen oder -Fahrer in einen Unfall verwickelt, so trugen sie in mehr als zwei Dritteln die Hauptschuld. Bei den mindestens 75-Jährigen wurden sogar drei Vierteln die Hauptschuld am Unfall zugewiesen.

Die Unfallursachen unterscheiden sich dabei von denen in jüngeren Altersgruppen. Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer im Seniorenalter missachten beispielsweise häufiger den Vorrang anderer Verkehrsteilnehmer. Zudem verhalten sich Ältere beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren seltener regelkonform.

Dagegen wurde älteren Menschen deutlich seltener zur Last gelegt, mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren sowie das Auto unter dem Einfluss von Alkohol und anderer berauschender Mittel gefahren zu sein.

Durch die demografische Entwicklung spielen Ältere als Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Straßenverkehr eine immer größere Rolle. In den vergangenen 20 Jahren ist der Anteil der Menschen im Alter ab 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung von 17 Prozent auf 22 Prozent gestiegen.

Seniorinnen und Senioren sind zudem heute wesentlich mobiler als früher. Immer mehr Menschen der Generation 65+ besitzen einen Führerschein und nutzen ihr Auto bis ins hohe Alter.

Aus diesen Gründen ist die Zahl der Unfälle mit Älteren als Hauptverursacherinnen und Hauptverursacher in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen, wenngleich seit 2018 wieder ein Rückgang zu verzeichnen ist. Über alle Altersgruppen und insbesondere bei den Fahranfängern ist die Zahl der verursachten Unfälle hingegen kontinuierlich gesunken.

Vorschlag: Verpflichtende „Rückmeldefahrt“

Ob das von Älteren ausgehende Unfallrisiko einen Führerscheincheck ab 70 Jahren rechtfertigt, ist eine politische Entscheidung. Der ADAC argumentiert, dass neben dem Gesundheitszustand auch die Fahrerfahrung zu berücksichtigen sei. Ältere zeichneten sich in der Regel durch einen an die Situation angepassten und vorausschauenden Fahrstil aus: Sie meiden riskante Manöver und halten größeren Abstand.

Siegfried Brockmann schlägt eine verpflichtende „Rückmeldefahrt“ ab 75 Jahren vor. Dies sei eine Fahrstunde zum Beispiel bei einem Fahrlehrer. Die Senioren und Seniorinnen bekämen nach der Fahrt eine Empfehlung, welche Strecken sie besser nicht mehr fahren sollten. Die Fahrerlaubnis bliebe aber in jedem Fall bestehen.

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