„Sachsen rechts unten 2016“Pegida wirkt auf Rassisten wie ein Katalysator

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Pegida-Anhänger in Dresden

Pegida-Anhänger auf dem Neumarkt in Dresden

Dresden – „Wenn‘s knallt, dann knallt‘s halt“, meinte Patrick L. Mehr nicht. Das Dresdner Amtsgericht hat ihn nun zu 20 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Im vergangenen Jahr gehörte der 24-jährige Dresdner zu den Gewalttätern, die tagelang vor dem Flüchtlingsheim in Heidenau bei Dresden randaliert und Polizisten angegriffen hatten. Damals wurden mehr als 30 Polizisten verletzt, die das Heim im Praktiker-Baumarkt sicherten.

Patrick L. dürfte genau zu der Sorte junger Männer gehören, auf welche die Dresdner Pegida-Bewegung wie ein „Katalysator“ gewirkt haben könnte, wie es in einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung und des Kulturbüros Dresden heißt. Die am Donnerstag in Dresden vorgestellte Untersuchung mit dem Titel „Sachsen rechts unten 2016“ beschreibt die im Herbst 2014 gegründete Bewegung angeblich patriotischer Europäer als mittlerweile „völkisch rassistisch“ und „gefährlich“, weil sie den Umbau der Gesellschaft in ihrem Sinne plane. Von Pegida gehe „direkt Gewalt“ aus. Auf Neonazis und andere Rassisten habe Pegida gewirkt „wie ein Katalysator, der zu weiteren Aktionen und bei anhaltendem Nichterfolg auch zu Gewalt anspornt“.

Die Bewegung ist noch nicht am Ende

Im Fahrwasser von Pegida habe sich vieles verändert: Rechtspopulistische und neu-rechte Strukturen hätten sich weiter verfestigt und seien auf dem Vormarsch. Rassismus, so die Studie, sei in Sachsen „fester Bestandteil des gesellschaftlichen Wissensbestandes“. Die NPD, in früheren Jahren auch im Dresdner Landtag vertreten, habe nicht von asylfeindlichen Protesten profitieren können. In der aktuellen Neonazi-Szene mobilisierten vor allem Parteien wie „Die Rechte“ und „Der III. Weg“.

Auch wenn auf den Montags-Kundgebungen die Teilnehmerzahlen gesunken sind und sich die Pegida-Führung seit Wochen heftig zerstreitet und in sozialen Netzwerken übereinander herfällt, gehen die Autoren der Studie nicht davon aus, dass die Bewegung am Ende ist. „Dafür würde ich nicht meine Hand ins Feuer legen“, meinte Michael Nattke vom Kulturbüro Dresden. Das habe man schon zu oft gedacht. Womöglich kämen im Oktober, wenn die Bewegung zwei Jahre alt wird, wieder 20 000 Menschen. „Es braucht nur einen neuen Anlass.“

Heute herrsche in der rechten und rechtspopulistischen Szene eine „große Unübersichtlichkeit“, so Nattke. Die NPD habe ihre Kraft verloren und sei nur noch regional spürbar. Neue, unbekannte Akteure seien aufgetreten. Man organisiere sich spontan über soziale Netzwerke und Freundschaften. „600 Proteste gegen Heime, 270 Angriffe – wir haben ein flächendeckendes Problem in Sachsen.“

Das Gute in all dem Schlechten: Im Unterschied zu den fremdenfeindlichen Protesten, die Anfang der 1990er Jahre nicht nur in Sachsen aufloderten, gebe es heute in Sachsen aber auch flächendeckenden Protest und Widerstand gegen derlei Ausschreitungen. Auch wenn Sachsen in besonderem Maße betroffen sei: „Rassisten stellen in Sachsen nicht die Mehrheit“, so die Autoren. Es sei das ehrenamtliche Engagement vieler Menschen in Kirchengemeinden, Vereinen oder Willkommensbündnissen, das der „demokratischen Gesellschaft derzeit ihre Stabilität“ gebe.

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