Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Sturm auf RegierungsviertelHaftbefehl gegen Sicherheitschef der brasilianischen Hauptstadt

3 min
Brasilia: Arbeiter beseitigen beschädigte Möbel vor dem Planalto-Palast

Am Sonntag hatten aufgebrachte Bolsonaro-Anhänger den Kongress, den Obersten Gerichtshof und den Regierungssitz Palácio do Planalto in Brasilien gestürmt und in den Gebäuden erhebliche Schäden angerichtet.

Richter Moraes warf Bolsonaros engem Vertrauten, Sicherheitschef Anderson Torres, heimliche Komplizenschaft mit den Randalierern vor.

Nach dem Sturm radikaler Anhänger von Ex-Präsident Jair Bolsonaro auf das Regierungsviertel in Brasília hat die brasilianische Justiz Haftbefehl gegen den bereits entlassenen Sicherheitschef der Hauptstadt, Anderson Torres, erlassen. Der Richter Alexandre Moraes vom Obersten Gericht erließ am Dienstag zudem Haftbefehl gegen den ebenfalls bereits gefeuerten Chef der Militärpolizei in Brasília, Fabio Augusto. Bolsonaro kündigte unterdessen seine baldige Rückkehr aus den USA an.

Richter Moraes warf Bolsonaros engem Vertrauten Torres heimliche Komplizenschaft mit den Randalierern vor. Sein Versäumnis, den Angriff auf die staatlichen Einrichtungen zu verhindern, sei „potenziell kriminell“, erklärte Moraes. Torres war vormals Justizminister im Kabinett des rechtsradikalen Ex-Staatschefs. Zum Zeitpunkt der Angriffe befand Torres sich im Urlaub im US-Bundesstaat Florida. Er wies die Vorwürfe zurück und kündigte seine Rückkehr nach Brasilien an, um sich zu verteidigen.

Linkspolitiker Lula gewann Wahl gegen Bolsonaro

Hunderte Bolsonaro-Anhänger waren am Sonntag in der Hauptstadt Brasília in das Kongressgebäude, den Präsidentenpalast und den Sitz des Obersten Gerichts eingedrungen und hatten dort stundenlang schwere Verwüstungen angerichtet. Dabei entlud sich ihr Zorn über den Wahlsieg des Linkspolitikers Luiz Inácio Lula da Silva, der sich in einer Stichwahl knapp gegen Bolsonaro durchgesetzt hatte und seit Jahresbeginn im Amt ist. Bolsonaro hat bis heute den Wahlsieg seines Erzrivalen nicht anerkannt.

Ende Dezember reiste er nach Florida, um an Lulas Amtsübergabe an Neujahr nicht teilnehmen zu müssen. Dort wurde er am Montag wegen Unterleibsschmerzen im Krankenhaus behandelt. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus einen Tag später kündigte Bolsonaro an, früher als geplant in seine Heimat zurückzukehren. Er habe ursprünglich bis Ende Januar in den USA bleiben wollen, sich aber aus gesundheitlichen Gründen entschlossen, seine Rückkehr vorzuziehen, sagte er dem US-Sender CNN.

Bolsonaro weist Vorwürfe zurück

Bolsonaro hatte am Sonntag erst nach mehreren Stunden die Angriffe seiner Anhänger in Brasília verurteilt. Vorwürfe Lulas, mit seinen Reden und Aktionen mitverantwortlich für den Sturm auf das Regierungsviertel zu sein, wies der 67-Jährige zurück. Insgesamt waren nach dem Sturm auf die staatlichen Institutionen und bei der Auflösung eines Protestlagers von Bolsonaro-Anhängern rund 1500 Menschen festgenommen worden. Knapp 600 von ihnen wurden laut Polizei aus „humanitären Gründen“ inzwischen wieder freigelassen.

Viele von ihnen zeigten nach ihrer Freilassung das Siegeszeichen. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagte der freigelassene Agostinho Ribeiro der Nachrichtenagentur AFP. „Wir werden uns jetzt erholen und uns auf den nächsten Kampf vorbereiten“. Justizminister Flavio Dino kündigte Haftbefehle nicht nur gegen die Teilnehmer der Angriffe an, sondern auch gegen mutmaßliche Drahtzieher und andere Verantwortliche, die durch Unterlassung die Angriffe erst ermöglicht hätten. Richter Moraes erklärte, Brasiliens Demokratie lasse sich durch „terroristische Kriminelle“ nicht zerstören.

Auch Lula versicherte auf Twitter, die Demokratie halte den Angriffen stand. Er versprach gleichzeitig, sein Land aus „Hass und Zerrissenheit“ herauszuführen. Senatspräsident Rodrigo Pacheco sprach sich unterdessen für die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der „Übergriffe auf den Rechtsstaat“ aus. (afp)