Transplantiertes Herz vom Schwein„Eine Organwegwerfgesellschaft darf nie existieren“

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Ein Transplantationsteam in den USA hat nach eigenen Angaben erstmals ein genetisch modifiziertes Schweineherz an einen menschlichen Patienten angeschlossen.

  • Der Medizinethiker Professor Frank Erbguth ist Präsident der deutschen Hirnstiftung.
  • Er hält die Schweineherz-Transplantation für einen guten Schritt, wenn auch aus der Not geboren.
  • Ein Problem sieht er in der geringen Organspendebereitschaft der Deutschen.

Herr Prof. Erbguth, aus rein medizinischer Sicht ist die gelungene Transplantation eines genetisch veränderten Schweineherzens ein Erfolg. Aber aus ethischer Sicht stellen sich viele Fragen. Wie bewerten Sie den Vorgang, dass Tiere als Organspender genutzt werden? Frank Erbguth: Ethisch gesprochen rechtfertigt kein Unrecht ein anderes. Aber ich sehe in diesem Vorgang kein großes Negativum. Man kann ihm mit positiven und negativen Klischees begegnen. Zu letzterem zählt das des Ersatzteillagers, oder auch die Reduktion des Humanen auf eine zu reparierende Roboterfigur. Die andere Übertreibung ist das Bild des alles Machbaren, die einen solchen Schritt ganz unkritisch als Fortschritt feiert. In dem Spannungsfeld zwischen dieser Forschungseuphorie und der Wissenschaftsfeindlichkeit zeigt sich: Der überschaubaren Zahl gentechnisch veränderter Tiere für medizinische Zwecke stehen unendliche Mengen von Tieren aus der Schweinemast gegenüber, die auf deutschen Tellern landen.

Was steht auf der Positiv-Seite?

Wir müssen davon ausgehen, dass diese Entwicklung sequenziell vonstattengeht: Das ist ein erster Schritt in diese Richtung. Erinnern Sie sich an den Kampf gegen HIV – am Anfang waren alle Medikamente oft nur wenig hilfreich. Aber man ist schrittweise so vorangekommen, dass Betroffene inzwischen durch ausgereifte Medikamente kaum eine Reduktion der Lebenserwartung haben. Oder: 1967 führte der Herzchirurg Barnard die weltweit erste Herztransplantation in Kapstadt durch – eine Sensation. Heute ist das Routine.

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Der Medizinethiker Prof. Frank Erbguth ist neurologischer Chefarzt am Uniklinikum Nürnberg und Präsident der deutschen Hirnstiftung

Sie halten die aktuelle Transplantation also für einen guten Schritt?

Ja, das tue ich. Wir hätten dieses Thema ja nicht, wenn nicht so wenige Deutsche ihre Organe spenden würden. Auch die Situation in den USA jetzt war letztlich aus der Not geboren. Milde gesprochen erleben wir eine Stagnation, rund zehntausend Menschen warten in Deutschland derzeit auf ein Spenderorgan – aber es gibt nur ca. 800 Organspender pro Jahr.

Der Deutsche hadert mit allem. Er hadert, wenn ein Schwein für ein Organ herhalten muss, er hadert aber auch mit der Organspende. Zudem hat sich das Parlament gegen die Widerspruchslösung in der Organspende entschieden, weil die Ansicht vorherrschte, die Pflicht zum Widerspruch sei eine Zumutung. Das sehen viele europäische Länder anders, und da steht Deutschland auch nicht gut da.

Beschäftigt sich die Medizinethik mit dem Aspekt, ob Spezies übergreifend transplantiert werden darf - ein Tierorgan in einem Menschenkörper?

Xenotransplantation ist nicht neu. Schweineinsulin hilft Diabetikern, Herzklappen von Schweinen werden schon lange transplantiert. Das Herz genießt in unserer Kultur eine mythische Überhöhung, aus meiner Sicht als Neurologe ist da das Gehirn abgeschlagen. In dem Zusammenhang ist der interkulturelle Background interessant. So wird im Islam medizinisch nicht gegen ein Schweineorgan argumentiert, da geht es meiner Kenntnis nach nur um den Verzehr. Im Judentum ist das Thema Hirntod auch schwierig – medizinisch aber ein entscheidendes Momentum für die Organspende.

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Xenotransplantation: Wissenschaftler forschen an der Übertragung von Zellen, Gewebe oder Organen zwischen verschiedenen Spezies, etwa vom Tier auf den Menschen.

Die Organe vom Schwein sind denen des Menschen mit am Ähnlichsten. Bisher sind Affen als Organquelle noch ein Tabu?

Es gibt tatsächlich bei der Frage der Ausbeutung von Tieren eine besondere psychologische Wirkung durch die Nähe zum Primaten. Wir fühlen durch die äußere Ähnlichkeit zu ihnen, als wären wir es selbst. Dagegen ist man weniger berührt, wenn man unterstellt, dass das Wesen von Intelligenz und vom Bewusstsein weiter weg ist. Da tut man den Schweinen allerdings Unrecht.

Kritiker könnten unterstellen, bei solchen Sensations-Operationen überstrahlt der Glanz der Ärzte die medizinischen Schwierigkeiten und Gefahren. Auch bei der aktuellen Herz-Transplantation bleibt die Frage derzeit offen, wie langlebig das Organ sein wird. Wie sehen Sie das?

Das ist immer ein Gesamtpaket. Wir sprachen ja schon über die damals sensationelle Transplantation von Herrn Barnard – er war auch sehr gut im Selbstvermarkten. Dennoch: Das war damals eine Pionierleistung und da sind immer narzisstische Menschen im Team, Treiber, die auch nicht davor zurückschrecken, im Licht der Öffentlichkeit zu glänzen. Das Ergebnis bleibt wichtig.

Eine humane Lösung: Gewebe aus Stammzellen

Wo verläuft aus Sicht der Medizinethik die Grenze beim Thema Organspende?

Nochmal zurück zum Anfang, zu den Austauscharbeiten, dem Reparaturbetrieb. Wir müssen immer im Blick halten, bei welchen Krankheiten, bei welchen Konstellationen bieten wir diese Ersatzstrategie an. Eine Organwegwerfgesellschaft darf nie existieren. Wenn das auf breiter Front routinemäßig verfügbar gemacht wird, halte ich ethische Grenzen für überschritten.

Was ist in der Transplantationsmedizin noch möglich – kann es eine Zukunft ohne tierische Ausbeutung geben?

Es gibt die Zukunftsidee, dass man die Entwicklungsmöglichkeiten der eigenen Stammzellen nutzen kann, um aus diesen ein dem eigenen Gewebe entsprungenes Organ wachsen zu lassen. Wenn man das schon aus dem Nabelblut machen kann, kann das gut sein. Andererseits schaudert‘s einen schon, wenn schon bei der Geburt ein Organvorrat angelegt wird, aus dem man sich später bedienen kann. Diese Forschungen müssen transparent sein und ethisch und kritisch begleitet werden.

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