Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Entsetzen nach Trump-Telefonat„Putin hat zugestimmt, weiter ukrainische Zivilisten zu ermorden“

Lesezeit 5 Minuten
19.05.2025, USA, Washington: US-Präsident Donald Trump spricht während einer Veranstaltung zur Verleihung einer Auszeichnung an Polizeibeamte im Oval Office des Weißen Hauses. Foto: Manuel Balce Ceneta/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

US-Präsident Donald Trump spricht nach dem Telefonat mit Wladimir Putin im Oval Office des Weißen Hauses. 

Bei Kanzler Merz und den EU-Staatschefs soll nach Trumps Telefonat mit Putin „Fassungslosigkeit“ geherrscht haben. In Moskau wird gejubelt. 

Das jüngste Telefonat zwischen Donald Trump und Wladimir Putin schlägt hohe Wellen. Der Kremlchef hatte in dem rund zweistündigen Gespräch am Montagabend die Forderung des US-Präsidenten nach einem sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine erneut abgelehnt. Stattdessen erklärte Putin sich für die Arbeit an einem „Memorandum“ bereit, mit dem ein „mögliches künftiges Friedensabkommen“ vorbereitet werden können.

Gleichzeitig beharrte der Kremlchef jedoch erneut darauf, dass die „Grundursachen“ des Krieges beseitigt werden müssten. Mit der Floskel verweist Moskau auf die eigenen Maximalforderungen, die einer ukrainischen Kapitulation gleichkommen.

Trump will keine Sanktionen gegen Putin – und kritisiert Selenskyj

Donald Trump zeigte sich nach dem Telefonat dennoch begeistert und schwärmte von möglichen Handelsdeals mit Russland. Kritik an Putin äußerte der US-Präsident nicht – und auch Sanktionen will Trump nicht gegen Russland verhängen, stellte er gegenüber Reportern nun klar. „Wenn man die Sanktionen ausweitet, könnte es die Dinge noch viel schlimmer machen“, befand Trump und kritisierte statt Putin, der eine Waffenruhe verweigert, erneut den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der einer Waffenruhe bereits vor Wochen zugestimmt hat.

Der Ukrainer sei zwar ein „starker Mann“, aber „nicht leicht im Umgang“, befand Trump, der zuvor von der „ausgezeichneten Stimmung“ beim Telefonat mit Putin geschwärmt hatte. Selenskyj hatte unterdessen in einer ersten Reaktion klargestellt, dass die Ukraine den russischen Bedingungen nicht nachkommen werde. 

„Fassungslosigkeit“ in Europa nach Telefonat mit Trump

„Wenn Russland zur Bedingung macht, dass unsere Truppen von unserem Land abziehen, heißt das, dass sie keine Waffenruhe und kein Ende des Krieges möchten“, sagte der Staatschef in Kyjiw nach dem Telefonat von Trump mit Putin. Die verfassungsmäßige Funktion der ukrainischen Armee sei der Schutz des eigenen Territoriums, erklärte Selenskyj. 

Die russische Seite besteht bei Friedensgesprächen auf einen kompletten Abzug ukrainischer Truppen aus den vier nur zum Teil vom Kreml kontrollierten Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Diese Position äußert Moskau immer wieder.

Wladimir Putin bei einem Termin in einer Musikschule nach dem Telefonat mit Donald Trump. (Archivbild)

Wladimir Putin bei einem Termin in einer Musikschule nach dem Telefonat mit Donald Trump. (Archivbild)

Bei den Verbündeten der Ukraine soll am Montagabend unterdessen „Fassungslosigkeit“ geherrscht haben, nachdem einige europäische Staatschefs, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), von Trump über das Gespräch mit Putin und seinem Verzicht auf Maßnahmen gegen Moskau informiert worden waren. Das berichtet die „Financial Times“ unter Berufung auf eine Quelle in den Kreisen der Gesprächsteilnehmer.

Friedrich Merz setzt auf Botschaft der Einigkeit

In den offiziellen Statements setzt man in Europa derweil weiter auf Botschaften der Einigkeit. Es sei „wichtig, dass die USA engagiert bleiben“, schrieb EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf der Plattform X. Auch Kanzler Merz versuchte den Eindruck einer gemeinsamen Linie zu vermitteln.

„Europa und Amerika sind hier sehr geschlossen: Wir werden die Ukraine auf dem Weg hin zu einem Waffenstillstand eng begleiten“, schrieb Merz bei X. „Europa wird den Druck auf Moskau durch Sanktionen erhöhen“, führte der CDU-Politiker aus. „Darauf haben wir uns mit dem US-Präsidenten nach seinem Gespräch mit Putin verständigt.“ Europa steht mit seinen Maßnahmen gegen Moskau fortan also alleine da.

Grüne kritisieren Kurs: „Putins zynisches Verhandlungs-Theater“

Deutlichere Worte kommen derweil von den Grünen: „Telefonate und Verhandlungsrunden sind lediglich Mittel der russischen Kriegsführung im Informationsraum“, sagte Robin Wagener den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Dienstag. „Putins zynisches Verhandlungs-Theater dient allein der Fortsetzung des Krieges.“ 

Die von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt einen Kampfjet Tornado bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus. (Archivbild)

Die von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt einen Kampfjet Tornado bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus. (Archivbild)

Der Grünen-Politiker fordert deshalb im Nachgang des Telefonats nun neue militärische Unterstützung für die Ukraine, darunter auch Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern. Auch zusätzliche Sanktionen gegen die russische sogenannte Schattenflotte sollten jetzt folgen, führte Wagener aus. Eingefrorene russische Vermögenswerte müssten zudem für Hilfen an die Ukraine genutzt werden.

Sanktionen gegen Moskau: „Es wird Zeit, dass Merz liefert“

Sanktionen nur anzudrohen, dann aber keine zu verhängen, könne „Deutschlands außenpolitische Glaubwürdigkeit gefährden“, kritisierte Wagener auch die bisherige Zurückhaltung in Europa trotz eines von Russland missachteten Ultimatums. „Es wird Zeit, dass Merz liefert“, fügte der Grünen-Politiker hinzu. 

Der ehemalige litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis attackierte unterdessen den US-Präsidenten für seinen Kuschelkurs gegenüber Moskau. „Putin wiederholt dieselben lächerlichen Forderungen – und wir zählen die Minuten, bis Trump versucht, die Ukraine davon zu überzeugen, sie zu akzeptieren“, schrieb Landsbergis bei X. Der Litauer hatte vor dem Gespräch bereits vor einem „Pakt“ zwischen Trump und Putin gewarnt.

„Putin hat zugestimmt, weiterhin ukrainische Zivilisten zu ermorden"

Mit dem ehemaligen US-Botschafter in der Ukraine, Steven Pifer, äußerte auch ein Landsmann harsche Kritik an Trump. „Es sieht so aus, als hätte Putin Trump erneut ausgetrickst, auch indem er ihm unrealistische Perspektiven für einen groß angelegten Handel in Aussicht gestellt hat“, schrieb Pifer bei X. „Es war ein guter Tag für Putin“, fügte der ehemalige US-Diplomat an. 

„Trump hat Russland nicht unter Druck gesetzt oder um Zugeständnisse gebeten und Putin hat keine angeboten“, fand auch der Kremlkritiker und ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow scharfe Worte für das augenscheinlich nur für Moskau nützliche Telefonat. „Putin hat zugestimmt, weiterhin ukrainische Zivilisten zu ermorden, und Trump hat zugestimmt, die Ukraine weiterhin zur Kapitulation zu drängen, damit er es Frieden nennen kann“, führte Kasparow aus.

„Da ist nichts, nicht einmal eine angedeutete Drohung“

Ähnlich vernichtend urteilte auch der russisch-britische Historiker Sergey Radchenko über das Vorgehen des US-Präsidenten. „Es klingt, als wäre Trump erledigt“, schrieb Radchenko bei X. „Da ist nichts, nicht einmal eine angedeutete Drohung“, führte der Historiker mit Blick auf Trumps Verzicht auf jegliche Kritik am Kremlchef aus und fügte an: „Putin feiert.“

Tatsächlich herrscht in Russland nach dem Telefonat der beiden Staatschefs beste Stimmung. Putins Berater Juri Uschakow erklärte freudig, Trump betrachte Russland wirtschaftlich als einen seiner „wichtigsten Partner“ und betonte die großen Sympathien zwischen den beiden Präsidenten.

Jubelstimmung in Moskau: „Europas Hoffnungen sind zerstört“

Auch die russische Staatspresse frohlockt: „Europas Hoffnungen sind zerstört – Trump weigert sich, gegen Putin in den Krieg zu ziehen“, lautete eine Schlagzeile bei der Nachrichtenagentur RIA Novosti. Illustriert wurde der Artikel mit dem Bild eines übergewichtigen Mannes mit Krone auf dem Kopf und EU-Flagge als Gewand, der weinend vor einem Fernsprechgerät sitzt. 

Die russischen Attacken auf die Ukraine gingen derweil nach dem Telefonat von Trump mit Putin ungebrochen weiter. Russland habe in der Nacht mit 108 Kampfdrohnen Ziele in verschiedenen ukrainischen Regionen angegriffen, teilte die ukrainische Luftwaffe mit.

Kurz vor dem Gespräch der beiden Staatschefs hatte Russland das Nachbarland mit dem bisher größten Drohnen-Angriff seit Kriegsbeginn überzogen. 273 russische Flugobjekte meldeten die ukrainischen Verteidigungskräfte am Sonntag. Die Signale aus Moskau bleiben auch auf dem Schlachtfeld eindeutig. (mit dpa)