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Kommentar

Trumps neue Zoll-Eskalation
Die Zeit arbeitet für Europa

Ein Kommentar von
3 min
US-Präsident Donald Trump .

US-Präsident Donald Trump .

Die Hoffnung auf ein glimpfliches Ende des Zollstreits mit den USA ist gesunken. Aber so schlecht sieht es mittlerweile für die Europäer gar nicht aus.

Die schwarz-rote Koalition kann Donald Trump dankbar sein – zumindest in einer Hinsicht: Der mit Zöllen zündelnde US-Präsident hat der deutschen Wirtschaft ein zartes konjunkturelles Zwischenhoch verschafft, weil die Unternehmen zum Jahresanfang in Erwartung neuer Abgaben ihre Handelsaktivitäten verstärkt hatten. Von Vorzieheffekten sprechen Experten in diesem Fall. Obwohl Wirtschaftsforscher für die nähere Zukunft weiter extrem skeptisch sind, legen die Koalitionäre diesen kleinen Aufschwung in ihrem Sinne aus. Schon allein der Regierungswechsel habe dazu geführt, die Stimmung im Land zu drehen, heißt es derzeit überall in der Koalition.

Dämpfer für Konjunkturentwicklung

Diese Interpretation dürfte nicht mehr lange durchzuhalten sein. Denn die Hoffnung, dass der Handelsstreit zwischen Europa und den USA bald friedlich beigelegt werden kann, hat mit dem jüngsten Drohbrief von Trump einen erheblichen Dämpfer erhalten. Ein Basiszins von 30 Prozent plus den möglichen Vergeltungszöllen der EU – das ist also das von Trump vor einigen Tagen angekündigte „Schnäppchen“. Nur zur Erinnerung. Der EU drohte Trump zwischenzeitlich mit Zoll-Aufschlägen von 50 Prozent, dem Fünffachen der derzeit gültigen zehn Prozent.

30 oder 50 Prozent – beides ist für Europa völlig inakzeptabel. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tut gut daran, die geplanten Vergeltungszölle aufzuschieben, aber gleichzeitig zusätzliche Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Denn eines hat sich seit Beginn des Streits nicht geändert: Die Europäische Union ist nicht irgendein von Pinguinen bewohntes Eiland, sondern eine wirtschaftliche Supermacht mit 450 Millionen Einwohnern in 27 Ländern.

Natürlich ist Logik angesichts der erratischen Politik von Trump ein unsicherer Ratgeber. Es sieht aber alles danach aus, als arbeite die Zeit sogar für Europa. Denn bei den ersten Eskalationsstufen im Frühjahr waren die Europäer insbesondere auch deshalb noch vergleichsweise vorsichtig, weil die große Sorge bestand, die USA könnten sich als Gegenmaßnahme komplett aus der Nato zurückziehen oder die Hilfe für die Ukraine einstellen. Beides wäre der Super-GAU für Europa gewesen, weil die Löcher nicht ansatzweise hätten gestopft werden können.

Neue Lage

Doch inzwischen hat sich die Lage durchaus geändert: Die europäischen Nato-Partner haben sich ganz nach dem Wunsch Trumps auf eine erhebliche Ausweitung der Rüstungsausgaben geeinigt und im Fall der Ukraine liefern die USA weiterhin Waffen und Daten, weil Russlands Machthaber Wladimir Putin dann doch nicht so auf Trump hört, wie dieser sich das gerne wünscht.

Inflation in den USA wächst wieder

Und es gibt noch etwas, was den Europäern in die Hände spielt. Vor allem in den USA selbst sind die Folgen der Trumpschen Zollpolitik zunehmend zu spüren. Zwar haben sich die dortigen Aktienmärkte wieder beruhigt, aber nur deshalb, weil sie noch mit Kompromissen rechnen. Der Preisauftrieb hat sich gleichzeitig – anders als in Europa – wieder beschleunigt. Das trifft die Wählerinnen und Wähler Trumps, denen er eigentlich ein Ende der Inflation versprochen hatte. Niedrigere Zinsen, auch ein Versprechen des US-Präsidenten, sind daher nicht zu erwarten. Die US-Zentralbank hält den Leitzins weiter hoch, trotz des Drucks aus dem Weißen Haus.

Von der Leyen kann also wesentlich freier agieren und die Sprache sprechen, die das Großmaul Trump versteht: Die Muskeln spielen lassen. Gleichwohl muss die Kommission alles daran setzen, schnell zu einer Einigung zu kommen. Das ist vor allem im Interesse der exportorientierten deutschen Wirtschaft. Hält die Unsicherheit weiter an, verpuffen alle Bemühungen der schwarz-roten Koalition, die Rezession endlich zu überwinden.