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Kommentar

Putins Kalkül
Die Ukraine-„Friedensgespräche“ sind kaum mehr als eine Farce

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Verzögerungstaktik statt Friedenswille: Wladimir Putin bei den Gesprächen mit dem US-Sonderbeauftragten Steve Witkoff.   / TASS

Verzögerungstaktik statt Friedenswille: Wladimir Putin bei den Gesprächen mit dem US-Sonderbeauftragten Steve Witkoff. / TASS

Ein Hauch von Diplomatie lag in der Luft. Doch das Kalkül des russischen Präsidenten bleibt brutal simpel: Zeit schinden, Druck erhöhen.

Für einen kurzen Augenblick schien die Chance auf Frieden zum Greifen nah. In Moskau kamen Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der US-Sondergesandte Steve Witkoff und Putins Vertrauter Kirill Dmitrijew zusammen, bevor sie später auch Kremlchef Wladimir Putin trafen. Doch verhandelten sie bei Kaviar und Krabben wirklich über einen gerechten Frieden für die Ukraine – oder lediglich über großangelegte russisch-amerikanische Wirtschaftsdeals?

Am Ende war das Treffen kaum mehr als eine Farce. Der Kreml wischte die jüngste Version des Plans vom Tisch – dem Frieden kam man an diesem Abend also keinen Millimeter näher. Für viele in Europa war das kaum überraschend: Sie sehen längst keinen Grund mehr, an einen Funken echten Verhandlungswillens in Moskau zu glauben. Dennoch verbreitet der Kreml die absurde Propaganda, man müsse sich nur häufig genug in Zukunft treffen, dann werde es schon eine Friedenslösung geben. Es ist ein zynisches Ablenkungsmanöver, das man inzwischen nur noch als bewusste Irreführung werten kann.

Das Muster ist inzwischen altbekannt: Putin sammelt Angebote für einen Frieden wie ein Jäger Trophäen, ob von Trump in Alaska oder von Witkoff in Moskau. Für den Kremlchef ist all das ein Spiel. Er will die Welt glauben machen, er sei bereit für ernsthafte Verhandlungen. In Wahrheit setzt er darauf, dass die Angebote jedes Mal mehr Zugeständnisse enthalten und sich die Lage der Ukraine auf dem Schlachtfeld jedes Mal weiter verschlechtert. Bis Kiew am Ende kapituliert und Putin seine Maximalforderungen durchsetzt.

Ein Spiel mit der Hoffnung

Niemand wünscht sich sehnlicher Frieden als die Ukrainer. Doch Putin täuscht sein Interesse an Friedensbemühungen nur vor. Er spielt mit der Hoffnung – und er spielt auf Zeit.

Das wirkt paradox, denn in der Ukraine läuft es für ihn objektiv beurteilt schlecht. Hunderttausende russische Soldaten sind in diesem Jahr gefallen, für gerade einmal 1 Prozent eroberten Boden. Es gibt keine russische Stadt mehr, in der nicht Verwundete und Versehrte das Straßenbild prägen. Dieser Krieg ist für Russland längst eine offene Wunde, die sich nicht endlos durch immer mehr Propaganda überdecken lässt. Was einst als zweitägige „Spezialoperation“ angekündigt wurde, ist zu einem Krieg geworden, aus dem Putin keinen Ausweg findet. Also hofft er, dass Europas Wille, die Ukraine zu unterstützen, kollabiert, bevor es seine eigenen Truppen tun.

Sein Plan, die Ukraine zu überrennen, ist gescheitert. Sein Versuch, die Nato zu spalten, ebenso. Unter Trump liefern die USA heute sogar schneller Waffen an die Ukraine als unter Biden. Dank neu geschaffener Nato-Strukturen erhält das angegriffene Land in 99 Prozent der Fälle, worum es bittet. Genau das treibt den Kreml zur Weißglut.

Eine Drohung, die den Kontrollverlust offenlegt

Putin wirft den Europäern vor, mit ihrer Unterstützung für Kiew den Frieden zu verhindern. Was er meint, ist, dass die Europäer die Kapitulation der Ukraine verhindern. Russlands Propaganda mag stark sein, seine Erfolge auf dem Schlachtfeld sind jedoch schwach.

Nur so lässt sich erklären, dass Moskau ganz unverhohlen ankündigt, in Verhandlungen erreichen zu wollen, wozu es militärisch nicht in der Lage ist. Putin dürfte gehofft haben, mit Trump, der sich am Telefon leicht beeinflussen lässt, könne er seine Ziele doch noch durchsetzen. Und Witkoff, der wiederholt offen Partei für Russland ergriffen hat, würde ihm dabei willig zur Seite stehen. Wären da nicht die Europäer, die Kiew den Rücken stärken und auf einen gerechten Frieden und eine souveräne Ukraine bestehen. Kein Wunder, dass Putin den Europäern nun mit Krieg droht. Eine Drohung, die unübersehbar offenlegt, dass er die Kontrolle über diesen Krieg längst verloren hat.