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Hassgrüße aus MoskauWie Russlands Propaganda auf die Panzer-Lieferung und Baerbock-Aussage reagiert

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Wladimir Putin zusammen mit RT-Propagandistin Margarita Simonjan. (Archivbild)

Wladimir Putin zusammen mit RT-Propagandistin Margarita Simonjan. Nach den westlichen Panzer-Lieferungen und einer Aussage von Annalena Baerbock läuft die russische Propaganda-Maschinerie auf Hochtouren. (Archivbild)

Nach der Panzer-Entscheidung und einer Aussage von Annalena Baerbock kommen aus Moskau schrille Töne und nachweisliche Lügen.

Die russische Propaganda-Maschinerie hat mit kühnen Behauptungen und schrillen Aussagen auf die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagiert, Leopard-Panzer in die Ukraine zu entsenden. Auch eine Aussage von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beschäftigt die Agitatoren in Moskau.

Präsident Wladimir Putin mischt dabei mit. Er behauptete bereits am Mittwoch, Deutschland sei nach wie vor von US-Truppen besetzt. Mit der Lüge möchte Putin offenbar einen Keil zwischen die Nato-Partner treiben und weitere Feindseligkeiten in Russland gegenüber den USA bewirken. An der Behauptung ist derweil nichts dran. Die in Deutschland stationierten US-Soldaten befinden sich mit ausdrücklicher Genehmigung der Bundesregierung im Land.

Moskau sieht in Panzer-Lieferung „direkte Beteiligung“ am Krieg – mal wieder

„Alles, was die Allianz und die Hauptstädte Europas und der USA tun, wird in Moskau als direkte Beteiligung am Konflikt aufgefasst“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag derweil zu den Panzer-Lieferungen von Deutschland und den USA. Bereits in der Vergangenheit hatte Moskau nach weiteren Waffenlieferungen von einer direkten Beteiligung des Westens oder der Nato am Krieg gesprochen. Auch das ist eine bewusste Falschbehauptung. Die militärische Unterstützung der Ukraine gilt nach internationalem Recht nicht als Kriegseintritt.

Das stört die Propagandisten im Kreml jedoch wenig. „Es gibt ständige Erklärungen aus europäischen Hauptstädten, aus Washington, dass die Entsendung verschiedener Waffensysteme, einschließlich Panzer, in die Ukraine in keiner Weise eine Beteiligung dieser Länder oder des Bündnisses an den Feindseligkeiten bedeutet, die in der Ukraine stattfinden“, wurde Peskow von der russischen staatsnahen Nachrichtenagentur RIA Novosti zitiert. „Dem stimmen wir kategorisch nicht zu.“

Nervosität in Moskau? Russische Presse probiert, westliche Kampfpanzer schlecht zu reden

Bereits bevor die Lieferung der Leopard-2-Kampfpanzer am Mittwoch offiziell geworden war, hatte Peskow mit markigen Worten reagiert: „Die Panzer werden genauso brennen wie alle übrigen“, verkündete der Putin-Sprecher. Es werde die westlichen Steuerzahler teuer zu stehen kommen, fügte er an.

Auch russische Medien versuchten sich in den letzten Tagen daran, die Schlagkraft von Leopard-2 und den amerikanischen Abrams-Panzern in Zweifel zu ziehen. Die Panzer seien zwar „nicht schlecht“, hieß es in der russischen Presse, sie seien den eigenen Panzern jedoch unterlegen. Eine Auffassung, die von Militärexperten außerhalb Russlands keineswegs geteilt wird. Vor allem der Leopard-2-Panzer gilt aufgrund von Reichweitenvorteilen gegenüber den russischen Panzern als mehr oder weniger deutlich überlegen.

Moskau stürzt sich dankbar auf Annalena Baerbocks Kriegsaussage

Für Aufregung im Kreml sorgt am Freitag derweil auch eine Äußerung von Annalena Baerbock. Die Bundesaußenministerin hatte am Dienstag beim Europarat in Straßburg mit folgenden Worten zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufgerufen: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“ Die russischen Staatsmedien griffen die Aussage, die erst am Donnerstag einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden war, dankbar als zentralen Schlüsselsatz für ihre Kriegspropaganda auf.

„Verstehen sie selbst, wovon sie da reden?“, schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bei Telegram und forderte eine Erklärung des deutschen Botschafters in Moskau zu „widersprüchlichen Aussagen“ in Berlin.

Expertin über russische TV-Moderatoren: „Gestank der Verzweiflung im Studio“

Für die schrillsten Töne sorgen in diesen Tagen vor allem Propagandisten abseits des Kremls. TV-Moderator und Scharfmacher Wladimir Solowjow bediente sich angesichts der deutschen Panzerlieferungen an Nazisymbolik – wie bereits oft im Kriegsverlauf.

Russland werde Berlin zerstören, sollte Deutschland „ukrainischen Nazis“ Waffen liefern, giftete der TV-Moderator, um sich dann zu noch in absurdere Beschimpfungen hineinzusteigern: „Scholz! Baerbock! Pistorius! Ihr neuen Nazis! Ihr europäischen Pharisäer, ihr! Nazistischer Abschaum!“, brüllte Solowjow in die Kameras.

Auch die Chefin des Propagandasenders „RT“ meldete sich mal wieder zu Wort – und entschied sich für ähnlich abstruse Behauptungen. „Nach den Peitschenhieben durch die USA liefern sie die Panzer. Zum Sommer hin werden Lieferungen von Gaskammern erwartet“, fabulierte Margarita Simonjan.

Die beiden profilierten russischen TV-Gesichter versuchen seit Kriegsbeginn immer wieder mit zynischen und geschmacklosen Vergleichen für Empörung in der russischen Bevölkerung zu sorgen – und so das Narrativ des Kreml zu stützen, der seit seinem Angriff auf die Ukraine versucht, sich als eigentliches Opfer darzustellen.

Immer wieder behaupten russische Propagandisten dabei auch, die Existenz Russlands stehe auf dem Spiel. Außenminister Sergej Lawrow sprach kürzlich sogar davon, die USA und Europa strebten eine „Endlösung der russischen Frage“ an. Eine bewusste Geschmacklosigkeit und erneute Anspielung auf die Verbrechen der Nationalsozialisten – und somit auch eine Verharmlosung dieser.

„Um die Widerlichkeit dieser Propaganda zu beschreiben, fehlen einem die Worte“

Derlei Töne könnten den „Gestank der Verzweiflung im Studio“ nicht überdecken, ordnete die Journalistin Julia Davis, die seit Kriegsbeginn die Berichterstattung in russischen Medien regelmäßig analysiert, die Worte aus Moskau am Donnerstag ein. „Um die Widerlichkeit dieser Propaganda zu beschreiben, fehlen einem die Worte“, kommentierte unterdessen die Osteuropa-Historikerin Franziska Davies die Aussagen aus Moskau.

Während die Propaganda-Maschinerie in Russland in diesen Tagen auf Hochtouren läuft, hat der Kreml die Berichterstattung unabhängiger Medien in Russland weiter eingeschränkt. Das Online-Medium „Meduza“ wurde von der russischen Justiz für „unerwünscht“ erklärt. Ermittler hätten festgestellt, dass die Arbeit von Meduza eine „Bedrohung für die Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung und der Sicherheit Russlands“ darstelle.

Russland: Unabhängige Berichterstattung durch Medusa-Verbot weiter eingeschränkt

Mit der Entscheidung wird Medusa auf russischem Gebiet faktisch verboten, die für das Portal tätigen Journalisten sind nunmehr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Selbst Menschen, die Medusa-Artikel in Online-Netzwerken verbreiten, könnten wegen der „Teilnahme“ an den Aktivitäten der Plattform juristisch verfolgt werden.

Im April 2021 hatte das russische Justizministerium Medusa bereits als „ausländischen Agenten“ eingestuft und so dessen journalistische Arbeit erschwert. Das beliebte russischsprachige Online-Portal war im März 2014 gegründet worden. Inzwischen liegt der Sitz von Medusa in Lettland, um staatlicher Zensur zu entgehen. (mit dpa)

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