Schoigu-Geste führt zu SpekulationenDas vielsagende Achselzucken von Putins Kriegsminister

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Der russische Präsident Wladimir Putin (v.) und sein Verteidigungsminister Sergei Schoigu beim „Tag des Sieges“ im Juni in Moskau. Schoigus Reaktion auf eine Interviewfrage sorgt nun für Wirbel.

Der russische Präsident Wladimir Putin (v.) und sein Verteidigungsminister Sergei Schoigu beim „Tag des Sieges“ im Juni in Moskau. Schoigus Reaktion auf eine Interviewfrage sorgt nun für Wirbel.

Nach einer Geste von Sergei Schoigu gibt es Spekulationen über den Zustand der russischen Streitkräfte – und viel Häme für den Minister.

Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu hat mit seiner Gestik während eines TV-Interviews für Spekulationen über den Zustand der russischen Streitkräfte und viel Häme in den sozialen Netzwerken gesorgt. Auch die jüngsten Aussagen von Wladimir Putins Kriegsminister lassen aufhorchen.

Anlässlich des Besuchs des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un am Mittwoch in Russland wurde Schoigu vom russischen TV-Sender Rossiya-1 zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine befragt. Der TV-Reporter stellte dem Minister schließlich die Frage: „Werden wir gewinnen?“

Putins Minister reagiert vielsagend auf eine simple Frage: „Werden wir gewinnen?“

Es ist Schoigus Körpersprache, die nun für Wirbel sorgt: Der Verteidigungsminister guckte zunächst etwas verdutzt und reagierte dann mit einem deutlich sichtbaren Achselzucken. „Wir haben ja keine andere Wahl“, schob Schoigu schließlich hinterher und klang reichlich konsterniert dabei. Russische staatliche Medien zitierten lediglich die Worte Schoigus, die vielsagende Geste bleibt in Russland unerwähnt.

Umso größer fällt das Interesse im Westen aus: In Dutzenden Beiträgen in den sozialen Netzwerken wurde die Reaktion Schoigus thematisiert – und war dabei oft auch Anlass für beißende Häme.

Sergei Schoigu mit auffällig defensiven Worten zum Krieg gegen die Ukraine

Tatsächlich sind Worte des Verteidigungsministers jedoch interessant, im Vergleich zu früheren Äußerungen wirken sie nämlich ungewöhnlich defensiv. „Was die Truppe tut, ist eine aktive Verteidigung in die richtige und notwendige Richtung“, erklärte Schoigu. „An manchen Stellen ist es komplizierter, an anderen einfacher, aber ich kann sagen, dass die Jungs zuversichtlich handeln.“ Die russischen Streitkräfte würden verteidigen, „was sie heute verteidigen müssen“, so Schoigu.

Anton Geraschtschenko, Berater des ukrainischen Innenministeriums, verglich daraufhin frühere Aussagen Schoigus mit denen vom Mittwoch. „Schoigu ist nicht mehr siegessicher“, lautete das Fazit des Ukrainers. Die Rhetorik des russischen Ministers habe sich im Laufe der Zeit gewandelt, führte er aus.

Während Schoigu in der Frühphase des Krieges mit großen Worten die russischen Erfolge verkündet habe, spreche er nun vermehrt vom „Überleben“ der russischen Truppen. Tatsächlich hatte Schoigu am Mittwoch erklärt, die Streitkräfte hätten die Frühjahrs- und Sommerfeldzüge der Ukraine „überstanden“ und müssten sich inzwischen einer Herbst-Offensive erwehren.

Besuch von Kim Jong Un führt zu Spekulationen: „Wladimir Putin muss sehr verzweifelt sein“

Auch der Besuch von Kim Jong Un hatte bereits für Spekulationen darüber gesorgt, dass die Lage der russischen Armee brisanter sein könnte, als bisher angenommen. Putin müsse schon „sehr verzweifelt sein“, wenn er nun beim nordkoreanischen Diktator um Waffen und Munition bitten müsse, hatte der Sicherheitsexperte Nico Lange dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) gesagt.

Der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger äußerte sich unterdessen zur nun kursierende Szene. Die Reaktion Schoigus im Interview sei eine „spontane Geste außerhalb des Rahmens russischer Propaganda“, schrieb Jäger in einem Beitrag im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). Auch der Historiker und Russland-Experte Matthäus Wehowski bewertete Schoigus Auftritt als „ziemlich niedergeschlagen“.

Die Reaktion Schoigus auf den bisher wohl größten ukrainischen Angriff auf russische Einrichtungen auf der illegal besetzten Halbinsel Krim fiel am Mittwoch ebenfalls verblüffend defensiv aus.

Westliche Marschflugkörper: Angriffe auf Ukraine – nicht auf USA oder Großbritannien 

Sollten westliche Marschflugkörper gegen Ziele „außerhalb des Kampfgebiets“ eingesetzt werden, entstehe eine „Beteiligung der Vereinigten Staaten und Großbritanniens“ am Krieg, erklärte Schoigu – und drohte mit Vergeltung. Ob damit auch Angriffe auf die Krim gemeint waren, blieb offen. 

Die Vergeltung werde den Worten des Ministers zufolge jedoch nicht Washington oder London treffen, sondern in Form von Angriffen auf ukrainische „Entscheidungszentren“ geschehen, erklärte Schoigu, als würde Russland Angriffe auf wichtige Einrichtungen der Ukraine seit Kriegsbeginn nicht ohnehin bereits durchführen.„Das ist schon ein anderer Sound als sonst“, kommentierte der Politikwissenschaftler Carlo Masala die ungewöhnlich zurückhaltenden Worte Schoigus. 

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