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Prigoschins Söldner-GruppeWagner-Überläufer berichtet: „Sie erschossen sie vor aller Augen“

Lesezeit 4 Minuten
Der Leiter der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, nimmt an der Beerdigung eines Kämpfers der Wagner-Gruppe, der während eines Spezialeinsatzes in der Ukraine ums Leben kam, auf einem Friedhof außerhalb von St. Petersburg teil. (Archivbild)

Der Leiter der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, nimmt an der Beerdigung eines Kämpfers der Wagner-Gruppe, der während eines Spezialeinsatzes in der Ukraine ums Leben kam, auf einem Friedhof außerhalb von St. Petersburg teil. (Archivbild)

Vor einigen Wochen ist Andrej Medwedew nach Norwegen geflohen. Einem US-Sender erzählte der Ex-„Wagner“-Söldner von seinen Erfahrungen.

Ein ehemaliger Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe hat gegenüber dem US-Sender CNN die Brutalität der russischen Militäreinheit als Grund dafür genannt, nach Norwegen zu fliehen. „Sie trieben diejenigen zusammen, die nicht kämpfen wollten, und erschossen sie vor den Augen der Neuankömmlinge“, behaupte Andrej Medwedew im Gespräch mit dem US-Journalisten Anderson Cooper.

„Sie brachten zwei Gefangene, die sich weigerten zu kämpfen, und erschossen sie vor aller Augen und begruben sie direkt in den Gräben, die von den Auszubildenden ausgehoben worden waren.“ Die Wagner-Kämpfer seien ohne Anweisungen in die Schlacht geschickt worden, die Behandlung widerwilliger Rekruten sei rücksichtslos gewesen, führte Medwedew aus.

Ex-Söldner der Wagner-Gruppe spricht über Jewgeni Prigoschin

In Norwegen hofft der Russe auf Asyl, zuvor hatte er eigenständig die Grenze von Russland in das skandinavische Land überquert. Die Aussagen des ehemaligen Söldners konnten von CNN nicht unabhängig überprüft werden. Die „Gruppe Wagner“ sei für eine Stellungnahme zudem nicht zu erreichen gewesen, berichtet der US-Sender.

Der 26-jährige Medwedew, der nach eigenen Angaben früher im russischen Militär diente, schloss sich der Söldner-Gruppe als Freiwilliger an. Weniger als zehn Tage nach Unterzeichnung seines Vertrags im Juli 2021 überquerte er eigenen Angaben zufolge die Grenze zur Ukraine und diente in der Nähe von Bachmut, einer nach wie vor umkämpften Grenzstadt in der Region Donezk.

Ex-Wagner-Söldner über Jewgeni Prigoschin: „der Teufel“

Laut eigenen Angaben sei er den Gründern der Söldner-Gruppe, Dmitri Utkin und Jewgeni Prigoschin, den er „den Teufel“ nennt, direkt unterstellt gewesen, erklärte Medwedew nun. „Wenn er ein russischer Held wäre, hätte er eine Waffe genommen und wäre mit den Soldaten geflohen“, sagte Medwedew über seinen ehemaligen Vorgesetzten.

Prigoschin hatte in der Vergangenheit bereits bestätigt, dass Medwedew tatsächlich in der Wagner-Gruppe gedient hat. Laut Prigoschin sollte der 26-Jährige „für den Versuch, Gefangene zu misshandeln, strafrechtlich verfolgt werden“. Medwedew verweigerte gegenüber CNN jeden Kommentar zu seinen eigenen Taten in der Ukraine.

Über das Vorgehen der Söldner-Gruppe erklärte Medwedew jedoch: „Es gab überhaupt keine richtige Taktik. Wir bekamen nur Befehle über die Position des Gegners“, so der 26-Jährige. „Wie es sich entwickeln würde, das war unser Problem“. Bereits am sechsten Tag seines Einsatzes in der Ukraine sei ihm bewusst geworden, dass er nicht weiter für die Söldner-Gruppe kämpfen wolle. Die Truppen seien zu „Kanonenfutter“ gemacht worden, so Medwedew.

Dienst bei der Wagner-Gruppe: „Es gab immer mehr Leichen“

„Es gab immer mehr Leichen und immer mehr Menschen, die zu uns kamen. Am Ende hatte ich eine Menge Leute unter meinem Kommando“, sagte er. „Ich konnte nicht zählen, wie viele es waren. Sie waren ständig im Umlauf. Tote, mehr Gefangene, mehr Tote, mehr Gefangene“.

Laut dem US-Sender berichtete Medwedew mit emotionalen Worten über seine Erfahrungen mit der Wagner-Gruppe und dem Krieg in der Ukraine. „Wissen Sie, ich habe auf beiden Seiten Mut gesehen, auch auf der ukrainischen Seite, und auch bei unseren Jungs ... Ich möchte nur, dass sie das wissen“, sagte er gegenüber CNN.

Ex-Wagner-Söldner will Jewgeni Prigoschin und Wladimir Putin vor Gericht bringen

Er wolle mit seiner Aussage dazu beitragen, dass Prigoschin und der russische Präsident Wladimir Putin vor Gericht gestellt werden können, erklärte der 26-Jährige. „Früher oder später wird die Propaganda in Russland aufhören zu funktionieren und das Volk wird sich erheben“, prophezeit der Ex-Söldner.

Auch den brutalen Tod eines anderen Wagner-Überläufers kommentierte Medwedew. Ein Video der Hinrichtung Jewgeni Nuschins mit einem Vorschlaghammer hatte zuvor für Entsetzen gesorgt. Der Tod seines Kollegen habe ihn ermutigt, die Söldner-Gruppe zu verlassen, so Medwedew. „Ich bin dadurch mutiger geworden“, so der 26-Jährige.

Das Gespräch führte der Ex-Söldner in der norwegischen Hauptstadt Oslo. Zuvor hatte er die norwegische Grenze in einer waghalsigen Flucht überquert, bei der er nach eigenen Angaben „mindestens zehn Mal“ einer Verhaftung entgangen und den Kugeln der russischen Streitkräfte ausgewichen sei. Die norwegische Grenze habe er auf einem eisigen See überquert und dabei weiße Tarnkleidung benutzt, um nicht aufzufallen, erklärte Medwedew.

Die Söldner der „Gruppe Wagner“ werden oft als Putins inoffizielle Truppe bezeichnet. Seit ihrer Gründung im Jahr 2014 hat die Söldner-Gruppe ihre Präsenz weltweit ausgeweitet und wurde wegen Kriegsverbrechen in Afrika, Syrien und der Ukraine angeklagt.

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