US-Politologe Jackson Janes über Trump„Aufgestachelte Idioten sind unkalkulierbar“

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Maskenpflicht? Nicht für ihn: Donald Trump.

Maskenpflicht? Nicht für ihn: Donald Trump.

  • Der Experte Jacksons Janes spricht im Interview über die Folgen einer Wahlniederlage von Donald Trump.
  • Der Riss in Amerika sei tiefer denn je, sagt er. Und: „Trump ist schon jetzt in einer Weise bissig, dass man das Schlimmste befürchten muss."
  • Lesen Sie hier das ganze Interview.

Herr Janes, dass die US-Gesellschaft gespalten ist, ist eine politische Binsenweisheit. Wie tief ist der Riss wirklich? Tiefer denn je. In der Vergangenheit haben sich die gesellschaftlichen Differenzen - ob ökonomisch, ethnisch, regional oder konfessionell - noch immer irgendwie ausgeglichen. Dass sie sich jetzt so massiv verfestigt haben, lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: das Beharren auf der eigenen Identität. 

Können Sie das noch etwas näher erklären?

Wenn Sie sich anschauen, wer alles zu Trumps Wahlveranstaltungen rennt, dann mögen das zwar überwiegend Weiße sein. Aber es sind immer noch sehr viele unterschiedliche Leute, bei denen man sich fragt: Was finden die alle miteinander eigentlich an jemandem, der so vollkommen anders ist als sie selbst und der ihnen mit seiner Politik im Grunde auch nicht hilft. 

Was ist die Antwort?

Trumps Anhänger denken wirklich: „Er vertritt mich, mich ganz persönlich, und keiner sonst tut das.“ Dem ist mit Argumenten schwerlich beizukommen.

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Was passiert, wenn Trump verliert? 

Ich erwarte am Wahltag selbst schon gar keine Entscheidung mehr. Das wird sich ziehen. Und dann wird sich – fürchte ich – das wiederholen, was wir im Jahr 2000 erlebt haben: Manipulationsvorwürfe, Wahlanfechtungen, Rechtsstreitigkeiten. Was meinen Sie wohl, warum Trump die konservative Richterin Amy Coney Barrett unbedingt noch vor der Wahl im Supreme Court sehen wollte? Natürlich auch, damit ein ihm genehmes Urteil des Gerichts wahrscheinlicher wird. Trump ist schon jetzt in einer Weise bissig, dass man das Schlimmste befürchten muss – bis hin zur Weigerung, das Weiße Haus zu verlassen, womit er ja bereits droht. Ein Enddatum gibt es zum Glück: Am „Inauguration Day“, dem 20. Januar, muss ein Präsident vereidigt werden. Aber bis dahin kann viel Schlimmes passieren. Leider. 

Es gibt die Befürchtung von Gewaltausbrüchen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen. 

Diese Sorge teile ich nicht. Einzelne aufgestachelte Idioten sind natürlich unkalkulierbar. Aber wir werden es nicht erleben, dass Leute organisiert zu den Waffen greifen und um sich schießen. 

Zur Person

Jackson Janes, geboren 1947, ist Politologe und Soziologe. Er war Präsident des „American Institute for Contemporary German Studies“ (AICGS) an der Johns Hopkins Universität in Washington D.C. und ist Senior Fellow des „German Marshall Fund“ (GMF). (jf)

Warum sind Sie sich da so sicher?

Ich möchte an die Wahl Barack Obamas 1998 erinnern. Nach seinem Sieg haben manche Leute genau das befürchtet, was jetzt beschworen wird: Das Unerhörte – ein Schwarzer wird Präsident – könnte Rassenunruhen auslösen, Gewaltausbrüche der unterlegenen Weißen. Das ist nicht passiert. Und ich glaube, es passiert auch jetzt nicht. Es wird viel geschwätzt, gepoltert und mit dem Säbel gerasselt. Aber mehr ist es nicht.

Wirklich nicht?

Na ja, es wird kompliziert genug. Mit Sicherheit wird es Demonstrationen geben – und zwar größere und aufgeputschtere als 2016. Trump hat ja schon hinreichend gezündelt mit seinem Wort von der „gestohlenen Wahl“. Je länger es dann dauert bis zu einer Entscheidung, desto angespannter wird die Lage. Irgendwann wollen die Leute ein Resultat sehen. Erinnern Sie sich an die Anspannung und die Ungeduld nach der Wahl 2000? Der demokratische Kandidat Al Gore hat damals aus Staatsräson aufgegeben und den Sieg George W. Bush überlassen. 

Ob Trump dasselbe Format hat?

Von sich aus wird er nicht die geringste Neigung haben. Es geht aber nicht nur um ihn, sondern auch darum, ob es die Leute um ihn herum gibt, die ihm irgendwann sagen: „Danke, Donald, es reicht!“ Die Aussicht ist größer, wenn Bidens Vorsprung völlig unzweifelhaft ist – oder auch, wenn Trumps Republikaner die Mehrheit im Senat verteidigen. Dann können sie ihm sagen, „hör jetzt auf mit dem Unsinn, und räum das Feld!“ Es würde dann der alte Satz von Bertolt Brecht gelten: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. „Fressen“ hieße für die Republikaner in diesem Fall, ein Stück der Macht zu behalten, auch wenn Trump sie verliert. Die noch bedrückendere, weil ungelöste Frage lautet aber ohnehin: Wie will man denn die entstandene Polarisierung überwinden? Biden kann als Präsident ja nicht mal eben ein Ventil öffnen, und schon ist der Druck aus dem Dampfkessel. Ich fürchte, das ist ein Unternehmen für mehr als eine Amtsperiode.

Das Gespräch führte Joachim Frank

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