Volker Beck zu Politik und Religion„Wer mit der Ditib redet, hat Ankara mit am Tisch“

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Eine brennende Fabrik nach einem Angriff in der Kaukasusregion Bergkarabach. Die Türkei steht in dem Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien an der Seite Aserbaidschans.

Eine brennende Fabrik nach einem Angriff in der Kaukasusregion Bergkarabach. Die Türkei steht in dem Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien an der Seite Aserbaidschans.

Bochum/Berlin – Im vor drei Wochen wieder aufgeflammten Konflikt zwischen den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan um die Kaukasusregion Berg-Karabach versucht die Türkei, bei ihren Landsleuten in Deutschland Propaganda für ihre Position zu machen. Die Erdogan-Regierung hat sich sehr früh an die Seite Aserbaidschans gestellt und militärische Unterstützung zugesagt.

So ist im Internet ein Aufruf der türkisch-islamischen Gemeinde aus der Stadt Buchloe im Allgäu aufgetaucht, in dem es wörtlich heißt: „Liebes Karabach, du bist bei der türkischen Nation. Türkische Streitkräfte sind bei euch. Karabach ist türkisch. Es wird türkisch bleiben.“

Auch die Führung der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (Atib) mit Sitz in Köln bezieht in dem bewaffneten Konflikt, der in einem Krieg münden könnte, eine eindeutige Position. In einer Pressemitteilung ihres Vorsitzenden Durmuş Yildirim heißt es wörtlich: „Wir bedauern die Verzerrung der Ereignisse in den westlichen Medien, um die aggressive und rechtswidrige Haltung Armeniens zu rechtfertigen und die Angriffe auf die Zivilbevölkerung nachdrücklich zu verurteilen. Die Tatsache, dass ein aggressives Land viele Anhänger hat, reicht nicht aus, um seine eindringende und aggressive Haltung zu vertuschen.“

Volker Beck kritisiert politische Einmischung von Religionsgemeinschaften

Für Volker Beck ist das ein unhaltbarer Zustand. „Die türkische Religionsbehörde Diyanet bläst zum Propagandakrieg. Die Atib-Führung und die Ditib-Moscheen folgen dem Ruf aus Ankara“, sagt der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, der als Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum arbeitet.

Einmal mehr müsse man sich die Frage stellen, ob die „Ditib eine Religionsgemeinschaft oder ein verlängerter Propaganda-Arm des türkischen Staates sei“. Nach außen versuche die Ditib-Zentrale den Schein zu wahren. „Dass die deutschen Dienste bei den Gemeinden auch so ankommen, dafür sorgen die Diyanet und ihre Imame schon vor“, so Beck. Wenigstens bei der Ditib habe die deutsche Politik inzwischen verstanden: „Wer mit Ditib redet, hat Ankara mit am Tisch sitzen.“ In Hessen habe man der Ditib daher die Befugnis zur Erteilung von Religionsunterricht wieder entzogen. Bei anderen „problematischen Verbänden wie dem Islamrat, dem Zentralrat hat man das nicht auf dem Schirm.“

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So klagen der Zentralrat der Muslime und der Islamrat seit 1998 gegen das Land in NRW auf ihre Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Sie waren damit vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster zwar gescheitert, das OVG muss aber seine Entscheidung nach Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts von Ende 2018 überprüfen.

Der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass sich die Aktivitäten des europäischen Kultur-Dachverbandes Atib „demnächst in der Berichterstattung des Verfassungsschutzes des Landes Nordrhein-Westfalen wiederfinden werden“, sagte der Leitende Ministerialrat des NRW-Innenministeriums, Uwe Reichel-Offermann, im August bei der Aussprache über den Verfassungsschutzbericht 2019 im Innenausschuss des Landtags in Düsseldorf.

Immer auf Linie

Die Atib müsse man dem „legalistischen Bereich des Extremismus zuordnen. Dort wird man in der Regel keine Aufrufe zu Gewalt finden“. Sie bemühe sich um „ein reputierliches Erscheinungsbild, um gesellschaftsfähig anschlussfähig zu sein“. Organisationen wie die Ditib und die Atib seien „immer auf Linie von Ankara, sei es beim Einmarsch in Syrien, beim Konflikt um Bergkarabach oder beim Putschversuch in der Türkei“, so Beck. Die Türkei nutze die türkisch-islamischen Moscheevereine als „Kanal ihrer Diasporapolitik“ und „erst in zweiter Linie als Religionsgemeinschaft“.

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