Bevor sich die neue Jugendorganisation der AfD gründet, sind zwei Dinge klar: Mäßigen wird sich niemand – und das rechtsextreme Vorfeld dürfte jubeln.
Kongress in GießenWas will die AfD-Jugend? So tickt die nächste Generation

Integration in die Partei: Zwei Männer tragen bei einer Veranstaltung der AfD im bayerischen Greding Pullover mit der Aufschrift „AfD Jugend“. Daniel Vogl
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Jean-Pascal Hohm gibt sich wenige Tage vor seinem großen Karriereschritt entspannt. Der 28-jährige AfD-Youngster sitzt im Foyer des Potsdamer Landtags, dem er seit dem vergangenen Jahr angehört. Sein Blick fällt auf Landesinnenminister René Wilke (SPD), dessen Verfassungsschutz ihn als Rechtsextremen führt.
Die Verfassungsschützer bezeichnen den Cottbuser AfD-Kreisvorsitzenden Hohm als „aufstrebenden Jungpolitiker“. Er sei „in Brandenburger Hochburgen des Rechtsextremismus politisch sozialisiert“ worden und „persönlich vernetzt“ – und er nehme „persönlich und privat Anteil an einer rechtsextremen Subkultur, welche die Partei zunehmend in sich aufzunehmen bereit ist“.
Das kommende Wochenende dürfte im mittelhessischen Gießen weitere Belege für diese These liefern. Hohm wird dort aller Voraussicht nach zum Vorsitzenden der neuen AfD-Jugendorganisation gewählt, die ebenfalls aller Voraussicht nach „Generation Deutschland“ heißen wird. Der Gegenvorschlag „Jugend Germania” gilt als chancenlos.
Er wird der führende Kader einer neuen Generation von AfDlern, die der Rechtspartei auf ihrem Weg zur Macht behilflich sein sollen. Die Organisation soll weniger skandalträchtig und krawallgeneigt als der aufgelöste Vorgänger „Junge Alternative“ (JA) agieren. Vor allem ist sie eng verzahnt mit der Mutterpartei: Mitglied kann nur werden, wer auch der AfD angehört. Die Partei wird künftig also auch Mitglieder der Jugendorganisation ausschließen können.
Drinnen der Nachwuchs, draußen die Demonstranten
Zwei Mitarbeiter in der Bundesgeschäftsstelle kümmern sich um die Belange des Nachwuchses – und haben gleichzeitig ein Auge auf ihn. Die drei Euro Monatsbeitrag pro Mitglied fließen ebenfalls über die Zentrale. „Die Partei wird die Generation Deutschland umfangreich finanziell unterstützen“, sagt der designierte Finanzbeauftragte Lennard Scharpe dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Zudem hoffen wir auf regelmäßige Spenden von AfD-Abgeordneten.“
Hohm rechnet mit 1000 Teilnehmern beim Gründungskongress in Gießen. Bis Ende 2026 will er schon 4000 Mitglieder unter seine Fittiche genommen haben – das wären zwei Drittel der AfD-Mitglieder bis 35.
Die Parteijugend wird in Gießen nicht allein sein. In der Stadt wollen bis zu 50.000 Demonstrierende den Kongress verhindern. In der Halle werden nicht nur die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla anwesend sein, sondern auch etliche Vorfeldorganisationen und als Stargast der rechtsextreme Vordenker Götz Kubitschek.
„Professionell und zugewandt“ auftreten
Das passt zu Hohms Vorstellung von einem „patriotischen Mosaik”, in dem die Partei der größte Stein sei, aber auch andere Organisationen ihre Rolle spielen – bis hin zur „Identitären Bewegung“, die auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht.
Der Mann aber, der einst den Begriff „Mosaikrechte“ geprägt hat, wird nicht nach Gießen kommen. Er muss es auch nicht. Benedikt Kaiser ist auch so äußerst gut in die nächste Generation der AfD vernetzt. Der Ex-Neonazi und neurechte Publizist arbeitet als Büroleiter des Thüringer AfD-Bundestagsabgeordneten Robert Teske. Vor allem aber schreibt er Bücher darüber, wie sich die AfD etablieren solle, ohne dabei gemäßigter zu werden. „Der Hegemonie entgegen“ heißt sein neuestes. „Die AfD darf nicht nur auf Social Media wirken“, fordert Kaiser im Gespräch. „Sie muss auch rausgehen und ansprechbar sein. Ein Haustürwahlkampf, wie ihn die Linken machen, kann gerade dort wirken, wo eine gesellschaftliche Brandmauer noch existiert. Wer in der Weltanschauung fest, aber professionell und zugewandt auftritt, baut Vorurteile ab.“
Diese Aufgabe will Kaiser der nächsten AfD-Generation übertragen. Die Parteijugend müsse „viel stärker nach außen wirken“, fordert er. Ihre Aufgabe sei „zunächst die Kaderbildung. Den jungen Menschen müssen Werte, Wissen und Weltanschauung vermittelt werden. In einem zweiten Schritt muss die Frage beantwortet werden: Wie wirken wir nach außen?“ Die AfD-Jugend müsse in einer „politischen Polarisierungsphase“ die „Unentschiedenen ansprechen“ – also all jene jungen Menschen in die extreme Rechte ziehen, die sich nicht von Heidi Reichinneks Rhetorik angesprochen fühlen.
Neu- oder Wiedergründung?
Auch Hohm spricht davon, aus der AfD-Jugend eine „Kaderschmiede“ zu machen. Dass Kaisers und seine Pläne fast wortgleich klingen, verwundert nicht. Man kennt sich. Kaiser zählt den Brandenburger Hohm, den Thüringer Alexander Claus und den Sachsen Scharpe als diejenigen auf, die „das Konzept der Mosaikrechten verstehen“.
Kaiser und Scharpe vor allem kennen sich schon lange. Sie vernetzen sich zudem gemeinsam im benachbarten Ausland. Es erstaunt daher nicht allzu sehr, dass Scharpe ein vehementer Verfechter von Kaisers Konzept der „Mosaikrechten“ ist und ausdrücklich auch die „Identitäre Bewegung“ einschließt. „Die patriotische Bewegung hat viele verschiedene Akteure, die sich zueinander zugehörig fühlen“, sagt er dem RND. „Ich finde die Arbeit der ‚Identitären Bewegung‘ wertvoll. Wer dort Mitglied ist, sollte nicht in der Partei sein – das verbietet der Unvereinbarkeitsbeschluss. Aber es muss einen regelmäßigen Austausch geben, und die Partei sollte auch Ideen der ‚Identitären Bewegung‘ übernehmen.“
Scharpe war von Oktober 2024 bis zur Auflösung sächsischer JA-Landesvorsitzender. Hohm war erster JA-Chef in Brandenburg. Der designierte Vize Adrian Maxhuni aus Niedersachsen führte dort die JA, der zweite Vize Jan Richard Behr aus Rheinland-Pfalz kommt ursprünglich ebenfalls aus der JA Sachsen. Als dritter Vize könnte sich in einer Kampfkandidatur Patrick Heinz aus Nordrhein-Westfalen durchsetzen, ebenso früherer JA-Landeschef.
Ist die neue Jugendorganisation also eine Wiedergründung? Hohm weist darauf hin, dass nur diejenigen Akteure übrig geblieben sind, die sich nicht gegen eine Annäherung zwischen Jugend und Mutterpartei sperren. Das ist naheliegend. Aber dass die neue Truppe gemäßigter sei, wäre ein Irrtum. Den räumt Scharpe im Gespräch aus. „Es war kein Ziel der Auflösung, uns inhaltlich zu mäßigen“, sagt er. „Der neue Bundesvorstand wird das gesamte Spektrum der Partei abbilden.“
Viele Extreme – und nur eine Frau
Doch die Extremen fallen besonders auf. Da wäre Wendelin Nepomuk Fessl, der aus Österreich nach Mecklenburg-Vorpommern kam und für den Bundestagsabgeordneten Dario Seifert arbeitet, dem eine Vergangenheit in der NPD-Jugend nachhängt. Da wäre Kevin Dorow aus Schleswig-Holstein, der 2024 einen „Tag des Vorfelds“ organisierte, für die „Burschenschaftlichen Blätter“ schreibt und bei einem der größten rechtsextremen Verlage in Deutschland volontiert hat. Da wäre Helmut Strauf aus Bayern, der auf X in der Frage von Staatsbürgerschaft und Volksbegriff das Grundgesetz infrage stellt: „Das Deutschland von morgen muss sich nicht der Legislatur von heute ergeben.“
Hohm hat mit dem Personaltableau nur ein Problem: Es stellt sich mit Reinhild Goes aus Niedersachsen eine einzige Frau zur Wahl. Der Frauenanteil, sagt er, müsse in den kommenden zwei Jahren „um 100 Prozent gesteigert werden“. Also auf zwei? Ein Männerbund will die neue AfD-Jugend anscheinend bleiben.


