„Kaugummi verklebt den Magen“Welche Elternsprüche den Faktencheck bestehen und welche nicht

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Ein Kind formt mit dem Mund eine Kaugummiblase. (gestellte Szene)

Manchmal haben Eltern mit ihren Behauptungen recht und manchmal erzählen sie einfach Blödsinn.

Bekommt man vom krummen Sitzen einen Buckel? Behauptungen von Eltern im Faktencheck.

In den Ferien oder an Wochenenden hocken Eltern und Kinder oft aufeinander. Grund zur Freude? Für die Kids nicht immer. Je mehr Zeit sie mit den Erwachsenen verbringen, desto häufiger ergeben sich Gelegenheiten für deren vermeintliche Weisheiten: Schiefes Sitzen führt zum Buckel, Lesen im Dunkeln macht schlechte Augen, und Kaugummi verklebt den Magen. Ist das alles zu glauben? Das klärt dieser Faktencheck.

Eltern sagen: Verschluckte Kaugummis verkleben den Magen.

Manchmal passiert es schneller als gedacht: Ein Kaugummi wandert versehentlich die Speiseröhre hinunter. Ein Gerücht besagt, dass es dann den Magen verkleben könnte.

Stimmt das? Nein. Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselstörungen (DGVS) gibt Entwarnung: „Die Kaugummis kleben nicht im Mund an den Zähnen und beim Schlucken nicht in der Speiseröhre oder den Magenwänden fest. Auch nicht nachfolgend im Dünn- und Dickdarm“, sagt Medizinerin und DGVS-Sprecherin Birgit Terjung.

Aber wieso eigentlich nicht? Schließlich kleben Kaugummis auch unter Schultischen – und aus den Haaren sind sie ohnehin nicht leicht herauszukriegen. „Die Schleimhäute im gesamten Verdauungstrakt sind mit einem Flüssigkeitsfilm überzogen, der dies verhindert“, erklärt Terjung.

Die verdaulichen Bestandteile werden durch Säure und Enzyme abgebaut – und verkleben nicht den Magen. Die unverdauliche sogenannte Kaugummibase, die die Süßigkeit so klebrig und gummiartig mache, werde mit dem Stuhlgang ausgeschieden.

Eltern sagen: Absichtliches Schielen kann für immer bleiben.

Falsch. Kinder ziehen gerne mal Grimassen – dazu gehört auch das Schielen mit den Augen. Aber: Wer wirklich davon betroffen ist, kann das nicht einfach so steuern. Das Schielen ist eine meist beständige oder immer wieder auftretende Fehlstellung eines oder beider Augen, wie der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) schreibt. Die Augen schauen dabei nicht in die gleiche Richtung. Schielen sei nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern oft mit einer schweren Sehbehinderung verbunden.

„Eine vorübergehende, absichtliche, bewusste, meist angestrengte Schielstellung führt zu Doppeltsehen, aber im Allgemeinen nicht zu bleibenden Schäden“, sagt Augenarzt Horst Helbig vom Universitätsklinikum Regensburg. Außerdem sei das Babyschielen mit wechselnder Augenstellung in den ersten sechs Lebensmonaten ohnehin häufig. Wenn die Kinder aber danach weiter schielen, sollten sie Helbig zufolge schnellstmöglich zu einem Augenarzt, damit sich keine irreversiblen Sehschwächen ausbilden.

Damit wir räumlich sehen können, müssen beide Augen auf dieselbe Stelle schauen. Dem BVA zufolge entsteht dabei in beiden Augen jeweils ein geringfügig unterschiedliches Bild. Diese beiden Bilder schmelzen dann im Gehirn zu einem einzigen Seheindruck zusammen.

Bei schielenden Menschen treffen die Sehachsen nicht auf dieselbe Stelle. „Der Unterschied der beiden Bilder, den die Augen liefern, wird zu groß. Sie können im Gehirn nicht mehr richtig zur Deckung kommen“, schreibt der Verband. Dadurch ist keine räumliche Wahrnehmung möglich und die Betroffenen sehen störende Doppelbilder.

Eltern sagen: Lesen im Dunkeln macht die Augen kaputt.

Trotz Bettzeit will die Tochter noch nicht schlafen gehen – das Kapitel in ihrem Buch ist einfach zu spannend. Sie kriecht also heimlich mit einer Taschenlampe unter die Bettdecke. Dabei soll das Lesen bei Dunkelheit oder schlechtem Licht die Augen verderben.

Das stimmt: An dem Mythos scheint etwas dran zu sein. „Lesen bei schlechtem Licht im Kindesalter gilt als Risikofaktor für die Entwicklung beziehungsweise Verstärkung einer Kurzsichtigkeit“, sagt Augenmediziner Helbig.

In einer Studie der Queensland University of Technology aus dem Jahr 2014 kommen die Forscherinnen und Forscher zu folgendem Schluss: Kinder, die sich länger im Freien bei hellem Licht aufhalten, haben bessere Augen als jene, die das weniger häufig tun. Diese sind dann meist kurzsichtig.

Ein Kind liegt im dunklen Zimmer auf dem Bett und liest mit einer kleinen Leuchte ein Buch. (gestellte Szene)

Schädigt Lesen bei schlechtem Licht langfristig die Augen?

Eltern sagen: Wer schief sitzt, bekommt einen Buckel.

Kinder und Jugendliche lümmeln ganz gern. Lässiges beziehungsweise schiefes Sitzen oder Stehen sieht nun mal cooler aus als eine gezwungene, aufrechte Haltung. Aber kommt tatsächlich davon ein schiefer Rücken – oder gar Buckel?

Nein, sagt Bernd Kladny, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). „Ich glaube, sie müssen sehr lange und viel schief sitzen, um einen Buckel zu bekommen. Das kommt nicht davon, wenn sie mal einen Nachmittag schief an den Hausaufgaben sitzen.“

Um Rückenprobleme vorzubeugen, sei nicht unbedingt eine perfekte Körperhaltung wichtig. Vielmehr gehe es darum, ausreichend Bewegung im Alltag zu haben, sagt Kladny. „Der Mensch ist eben ein Lauftier, kein Faultier.“ Es brauche Muskulatur zur Stabilisierung der Wirbelsäule und dafür ist Bewegung wichtig. Von der alleinigen Idee der richtigen Sitz- und Stehhaltung im Sinne eines geraden Rückens müsse man Abstand nehmen. (dpa)

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