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Familienstreit ums Erbe„Als es um unser Elternhaus ging, eskalierte das Ganze“

Lesezeit 6 Minuten
Ein Zaun vor einem Haus mit Garten

Was passiert mit dem geerbten Haus der Eltern? Diese Frage kann viele Konflikte in die Familie bringen.

Der Streit ums Erbe stürzt ganze Familien in die Krise. Warum hat das solch eine Sprengkraft? Eine betroffene Kölnerin und eine Juristin erzählen.

Wenn es ums Erbe geht, kommt für viele Familien der große Wendepunkt. Plötzlich werden Geschwister, Cousinen, Neffen oder Enkel zu einer Erbengemeinschaft – und dadurch häufig zu gegnerischen Parteien. Laut einer Umfrage kommt es immerhin bei jeder fünften Erbschaft zu Auseinandersetzungen, bei höherer Erbsummen sogar bei jeder vierten. Dann wird gestritten und geschwiegen. Familien werden gespalten und drohen manchmal sogar, am Erbkonflikt zu zerbrechen.

„Oft zieht sich so ein Erbstreit über Jahre und sogar durch mehrere Generationen, da brechen ganze Familienstämme auseinander“, sagt die Kölner Rechtsanwältin und Mediatorin Katharina Mosel, die regelmäßig in Erbsachen vermittelt. „Das ist tragisch, schließlich ist Familie Teil der eigenen Identität. Sich komplett von Teilen loszusagen, das belastet immens.“

Die Auseinandersetzung ums Erbe ändert plötzlich alles

Der Schock über einen solchen Konflikt sei jedes Mal hoch. „Vor einer Erbschaftsauseinandersetzung können sich viele nicht vorstellen, dass es einmal so weit kommen könnte“, erzählt Mosel, „dann heißt es auf einmal: Wir haben uns doch immer gut verstanden! Nie hätte ich gedacht, dass du so geldgierig und berechnend sein könntest!“

Auch Beate Konradi (Name von der Redaktion geändert) hatte immer das Gefühl, sie und ihre Schwestern würde etwas Besonderes verbinden. „Ich bin die älteste und habe beide mit großgezogen. Wir hatten eine schwierige Kindheit, aber ich sah sie eigentlich immer als meine besten Freundinnen“, erzählt die Kölnerin. „Das Verhältnis zu ihnen war die Jahre zuvor bereits abgekühlt, doch als mein Vater 2022 gestorben ist und es um unser Elternhaus ging, eskalierte das Ganze.“ Seither sei der Umgang schwierig. „Von Anfang an habe ich regelmäßig Drohmails von meiner Schwester bekommen.“

Anwältin Katharina Mosel

Katharina Mosel ist Fachanwältin für Erbrecht und Mediatorin. Sie hat eine Kanzlei in Köln.

Ohne Testament wird es schwierig für die Erbengemeinschaft

Im Fall von Beate Konradi gab es zwar ein Testament, doch darin wurden alle drei Kinder als Erben eingesetzt, ohne nähere Spezifikationen. Aus den Dreien wurde also eine Erbengemeinschaft und das Erbe zu einem gemeinschaftlichen Vermögen. Die gleiche Situation entsteht auch, wenn es in einer Erbsache gar kein Testament gibt. „Das bedeutet dann, alle Parteien müssen einvernehmlich entscheiden, was mit dem Erbe passiert“, erklärt Katharina Mosel. „Wenn zwei sagen: Wir verkaufen das Haus und der dritte sagt ‚Nein‘, hat man bereits einen Konflikt.“ Das sei in der Praxis schwierig, weil oft einer der Erben mit in der Immobilie wohne. „Auch meine Schwester ist bereits in das Haus eingezogen, ohne dass es vorher eine Einigung gab“, berichtet Konradi.

„Um solche Situationen zu vermeiden, ist es so wichtig, dass ältere Familienmitglieder rechtzeitig ein Testament aufsetzten“, sagt Mosel. „Sie sollten den Nachkommen ihre Entscheidung auch erklären, damit nachträglich nichts hineininterpretiert werden kann.“

Missverständnisse und finanzielle Engpässe befeuern den Konflikt

Ohne klare Vorgaben verhärteten sich schnell die Fronten, auch wegen mangelnder Kommunikation. „Tauscht man sich über Kurznachrichten aus, anstatt miteinander zu sprechen, kommt es oft zu Missverständnissen.“ Auch sonst entstünden oft falsche Annahmen. „Dann räumt ein Sohn direkt nach dem Tod der Mutter die Schränke aus und die Geschwister denken, er würde Dinge an sich reißen – dabei wollte er vielleicht nur Ordnung schaffen.“ Deshalb sei es wichtig, in Ruhe miteinander zu sprechen, auch weil mit dem Erbe bestimmte Fragen erstmals auf den Tisch kämen. Häufig sind Familienbeziehungen nur scheinbar in Ordnung – eben weil über vieles nie gesprochen wurde.“

Wie jemand in einem Konflikt agiere, habe unter anderem mit der Charakterkonstitution zu tun: „Manche Menschen bestimmen ihren Wert über das Geld, andere verzichten bereitwilliger auf materielle Dinge, weil ihnen Beziehungen wichtiger sind“, erklärt Mosel. Eine große Rolle spiele zudem die finanzielle Situation der Parteien. „Manche planen in ihre Altersversorgung das Erbe ihrer Eltern ein, weil sie in angespannten Verhältnissen sind und verzweifeln dann, wenn das nicht klappt.“ Dabei könnten die Vererbenden mit ihrem Geld machen, was sie wollten.

Wenn es ums Geld geht, dann zeigt sich das wahre Gesicht
Beate Konradi

„Ich habe erst spät realisiert, dass meine Schwestern alles andere als selbstlos sind“, sagt Beate Konradi. Der Streit ums Erbe habe wie eine Art Beschleuniger gewirkt. „Wenn es ums Geld geht, dann zeigt sich das wahre Gesicht.“ Sie wiederum habe eigentlich nie ums Geld streiten, sondern die Situation einfach klären wollen. „Ich habe fast alle Forderungen meiner Schwestern akzeptiert und war gesprächsbereit, aber es war aussichtslos.“ Eine normale Auseinandersetzung mit dem Thema sei bis heute nicht möglich. Deswegen habe sie sich schließlich juristischen Beistand geholt. „Fünf Mal habe ich versucht, eine Mediation anzuregen. Das wurde immer abgelehnt“, erzählt Konradi.

In der Mediation muss zusammen eine Lösung gefunden werden

„Um eine Mediation zu starten, müssen alle Beteiligten zustimmen“, sagt Katharina Mosel, „dann kann diese Methode aber eine sehr gute Lösung in Erbkonflikten sein.“ Die Erfolgsquote sei relativ hoch. „Weil die Beteiligten hier selbst zusammen eine Entscheidung finden müssen, sind die Ergebnisse viel nachhaltiger als etwa Gerichtsurteile.“ In der Regel gebe es auch keinen Verlierer und oft könnten die Familienbeziehungen erhalten werden.

Zu Beginn der Mediation erzählten alle erst einmal, worum es ihnen eigentlich gehe. „Häufig ist es so, dass die Beteiligten vorher noch gar nicht miteinander am Tisch gesessen haben. Es ist die erste Möglichkeit, einander zuzuhören.“ Die unparteiische Mediatorin oder der Mediator gebe das Gesagte auf einer übergeordneten Ebene noch einmal wieder.

Bei Erbstreits geht es oft um verletzte Gefühle und alte Wunden

„Was immer wieder klar wird: Bei diesen Streits geht es oft gar nicht so sehr ums Geld, sondern um fehlende Anerkennung und Wertschätzung durch die Familienmitglieder“, erzählt Mosel. „Dann kommen Verletzungen aus der Kindheit hoch und es wird über die Frage gestritten, wen die Eltern mehr geliebt oder bevorzugt haben.“ Auch deshalb werde es bei diesen Mediationen oft emotional. „Da wird geschrien und geweint, da verlässt jemand Türe knallend den Raum. Alles, was man sich vorstellen kann, passiert auch.“ Könne man diese persönlichen Dinge aber klären oder auflösen, seien Einigungen oft leichter möglich und die Beteiligten kämen einander sogar entgegen. „Ich erlebe sehr schöne Versöhnungssituationen.“

Und doch gebe es natürlich auch Fälle, in denen es zu keiner Einigung komme. Dann müsse die Sache oft gerichtlich geklärt werden. Beate Konradi und ihre Schwestern unterschrieben nach langem Hin und Her schließlich einen Erbauseinandersetzungsvertrag, um die Erbengemeinschaft aufzulösen. „Ich habe eine recht geringe Summe genannt, die ich haben wollte“, erzählt Konradi, „doch meine Schwester hat bis heute nicht bezahlt.“ Momentan sei die Situation schwebend. „Ich hatte auch schon überlegt, auf das ganze Geld zu verzichten, aber ich möchte für meine pflegebedürftige Mutter einen Betrag herausholen.“

Die ständigen Konflikte hätten sie selbst psychisch stark gefordert. „Die Art und Weise, wie mit mir umgegangen wird, ist fast unerträglich.“ Deshalb habe sie ihre persönlichen Schlüsse aus diesem Erbstreit längst gezogen. „Ich will einfach nur meinen Frieden haben. Sobald die Sache durch ist, werde ich den Kontakt zu meinen Schwestern abbrechen.“