Familien-Konflikte„Großmütter meinen häufig, sie dürften entscheiden“

Elke Schön ist Leiterin und Initiatorin der Großeltern-Kurse am Krankenhaus Köln-Weyertal.
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Frau Schön, Sie bieten seit vier Jahren in Köln die Kurse „Fit fürs Enkelkind“ an. Warum brauchen Großeltern heute Nachhilfe?
Nachhilfe brauchen sie nicht, im Laufe der Generationen verändert sich nur vieles. Früher hat man Babys auf den Bauch gelegt, heute ist die Rückenlage angesagt. Früher hat man Fencheltee gegeben, der steht heute im Verdacht, Allergien auszulösen. Das sind nur zwei von vielen Beispielen. Mit meinen Kursen möchte ich Eltern und Großeltern auf den gleichen Wissensstand bringen.
Warum ist das nötig?
In meinen Mutter-Kind-Kursen habe ich aus den Erzählungen der Mütter gemerkt, wie viele Konflikte bestehen zwischen Müttern und Omas oder zwischen Müttern und Schwiegeromas. Die Reibereien drehen sich oft um die selben Themen, deswegen geht es im Großelternkurs um den Umgang mit dem Säugling, um das Stillen, um viele Themen, die auch ein Geburtsvorbereitungskurs behandelt.
Welche Konflikte sind denn besonders typisch?
Großmütter meinen oft, entscheiden zu dürfen in Bezug auf das Baby. Doch das dürfen sie nicht. Wenn die Eltern möchten, dass ihr Kind im ersten Jahr keinen Zucker isst, sollte die Oma es nicht mit Schokolade füttern. In einem meiner Kurse war zum Beispiel eine Frau, die darauf beharrte: „Ich will meinem Enkelkind aber Gummibärchen geben!“
Zentrum für Sport und Medizin (Krankenhaus Köln-Weyertal):
je samstags 30.5. oder 18.7.
von 14 bis 17.30 Uhr, 51 Euro
Kontakt: ☎ 0221 / 479-2299
Elternschule am
Severinsklösterchen:
je samstags 16.5. oder 4.7.
von 10 bis 14 Uhr, 39 Euro
Kontakt: ☎ 0221 / 3308-1644
Eltern-Umfrage
Auf die Frage „Mischen sich die Großeltern in Ihre Erziehung ein?“ antworten 37 Prozent der Eltern: „Ja, das nervt.“ 27 Prozent sagen: „Nein, tun sie nicht.“ Und 36 Prozent finden: „Ab und zu, oft ist das auch ganz hilfreich.“
Quelle: baby-und-familie.de
(666 abgegebene Stimmen)
Ihre Antwort?
Respektiere die Entscheidung der Eltern und finde einen anderen Zugang zum Kind. Omas und Opas haben so viele Möglichkeiten, sie haben Zeit, sie können mit dem Kind Höhlen bauen oder 200 Stöckchen im Wald aufheben. Seifenblasen etwa sind mindestens genau so toll wie Süßigkeiten.
Aber wenn man Omas bittet, ihr Verhalten zu ändern, sagen sie oft angesäuert: „Dann haben wir früher ja alles falsch gemacht!“
Das stimmt nicht, sie haben es nur anders gemacht. Manche Dinge kommen wieder, wie etwa das Pucken, das enge Einwickeln des Babys in eine Decke. Das war in den 50er Jahren Trend, dann viele Jahre nicht mehr, weil es hieß, Babys müssen sich frei bewegen können. Heute greifen viele wieder darauf zurück. Wer weiß, ob die Rückenlage als Schlafposition in ein paar Jahren noch aktuell sein wird.
Was sollten Großeltern vermeiden?
Zu übergriffig sein. Eine Mutter erzählte mir, ihr Sohn hatte nach dem Besuch bei Oma plötzlich einen neuen Haarschnitt, weil sie fand, dass seine Haare ins Gesicht hängen. Eine andere Oma hat ihren Enkel regelmäßig umgezogen, weil ihr die Kinderklamotten, die ihre Schwiegertochter gekauft hatte, nicht gefielen. Das geht gar nicht.
Warum fällt es manchen Omas schwer, in die neue Rolle zu finden?
Wenn das eigene Kind Mutter oder Vater wird, ändert sich eine Menge. Es muss ein Loslösungsprozess stattfinden und die Großeltern müssen akzeptieren, dass ihre Kinder nun das Sagen haben im Bezug auf den Enkel.
Tun sich Opas da leichter?
Ja, teilweise. Viele Großväter möchten das mit ihrem Enkel nachholen, was sie bei ihrem eigenen Kind versäumt haben, weil sie damals wegen der Arbeit kaum Zeit hatten. Großmütter sind mitunter ängstlicher im Umgang, manche sind etwa unsicher, wie sie das Baby halten sollen, und das überträgt sich dann auf das Kind.
Mischen sich Großeltern heute insgesamt zu viel ein oder halten sie sich zu sehr raus?
Das kommt immer auf die jeweilige Eltern-Kind-Beziehung an. Viele Großeltern sind heute noch berufstätig und haben vielleicht nicht so viel Zeit, wie sie gerne hätten. Andere sind sehr aktiv und reisen viel. In meinen Kursen sage ich immer, dass jeder nur so viel geben sollte, wie er oder sie möchte. Wer nicht jede Woche auf das Enkelkind aufpassen will, darf das auch klar so kommunizieren.
Warum sind Großeltern wichtig?
Sie sind ein absoluter Gewinn, denn jede Bezugsperson erweitert das Erlebens-Spektrum für die Kinder. Und auch die Großeltern selbst genießen den Kontakt, für sie ist es schön, nicht wie früher voll verantwortlich zu sein, sondern die Kinder am Ende des Tages wieder abgeben zu dürfen. Deswegen ist es ja auch so schade, wenn die Beziehung nicht richtig in Gang kommt, etwa wegen eines albernen Konflikts um Gummibärchen.