Sonne, Stress und WutanfallWarum ist Urlaub mit Kindern eigentlich nie erholsam?

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Eine fünfköpfige Familie packt für den Urlaub.

Beim Familienurlaub steht oft eher Chaos als Erholung auf dem Programm.

Von wegen „entspannte Ferien“ – ich bin noch nie erholt aus einem Familienurlaub zurückgekommen. Woran liegt das eigentlich? Eine Spurensuche.

Die Sonne geht langsam am Horizont unter, lauter kleine Füße flitzen fröhlich durch den Sand, unbeschwertes Lachen neben mir, ich halte ein kühles Getränk in den Händen und seufze zufrieden: endlich Ferien! So habe ich mir früher einen typischen Familienurlaub vorgestellt. Ein Jahrzehnt und viele Urlaube mit zunächst einem, dann zwei und heute drei Kindern später, sehe ich das ein wenig anders. Ich liebe meine Kids und verbringe sehr gerne Zeit mit ihnen, aber richtig entspannt sind unsere Reisen nie – sondern meistens sogar ziemlich anstrengend.

Ich spiele die oben naiv erträumte Szene also noch einmal so durch, wie sie in Wirklichkeit ablaufen würde. Allein bis wir zum Strand aufbrechen können, macht mindestens ein Kind Theater, weil es sich nicht eincremen will, das andere sucht die Badeschuhe und das dritte überlegt mit einer ausschweifenden Akribie, ob es nun Quartett oder Mau Mau mitnehmen will. Danach müssen ein riesiger Berg an Handtüchern, Verpflegung, die Strandmuschel, der Sonnenschirm, das Sandspielzeug, die Kescher und zwei Schwimmbretter in den Bollerwagen gestopft werden. Bis das überladene Gefährt über Wiesen, Treppen und Sand zur Liegefläche geschleppt ist, sind wir Eltern reif für die erste Pause.

Action, Unmut und Langeweile am Strand

Die Kinder sind aber längst voll im Action-Modus. Während das eine sich bereits ohne Rücksicht auf Verluste in die Wellen stürzt, braucht das zweite sofort Hilfe beim Bau der Sandkathedrale und das dritte muss jetzt dringend aufs Klo. Also wandert mein Mann Richtung Örtchen, das ewige Sandkilometer entfernt ist, während ich versuche, das euphorisch planschende Kind im Auge zu behalten und nebenher maß genau wie da Vinci Sand anzuhäufen. Später will der eine dann Extrem-Federball spielen, die andere ist super gelangweilt und bei der Kleinen steht Wut und Weltuntergang an, weil überall Sand pikst. Wir Eltern wuseln stetig hin und her. Und mein Roman, der seit Monaten darauf wartet, von mir verschlungen zu werden, gammelt derweil unangetastet zwischen Muscheln und Sonnencreme-Resten vor sich hin. Herrlich, so ein Tag am Strand!

Solche Szenen lassen sich exemplarisch wiederholen, wenn es um Sightseeing-Ausflüge oder Spaßbad-Besuche geht. Zurücklehnen kommt für uns Eltern in diesen Urlaubsszenerien meist nicht vor. „Das kann doch nicht sein!“, denke ich jedes Jahr empört, wenn ich mal wieder wie eine überfahrene Tomate, gut gerötet und dezent zermatscht, aus einem Familienurlaub zurückkomme. Bei genauerer Betrachtung aber ist es logisch, warum elterliche Erholung bei Reisen mit jüngeren Kindern kaum möglich ist. Eine erste Antwort: Es liegt weder daran, dass die Kids verwöhnt sind, noch dass wir Eltern uns zu wenig Freiraum nehmen, sondern am Konzept Familienurlaub an sich. Denn der besitzt bereits von vorneherein eine unglaubliche Fallhöhe.

Isabell Wohlfarth

Isabell Wohlfarth

Redakteurin im Ressort Freizeit & Ratgeber/Magazin. Schreibt vor allem zu den Themen Familie, Psychologie, Vereinbarkeit und Erziehung. Ihre drei Kinder und ihre riesige Verwandtschaft sind häufig Ins...

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Zu viele Erwartungen und der Alltag reist mit

Grundsätzlich treffen schon einmal zu viele Erwartungen aufeinander. Die Kinder möchten Abenteuer erleben und rund um die Uhr mit den Eltern zusammen sein. Und wir Erwachsenen freuen uns auf intensive Familienzeit, hoffen aber indes, dass wir im Urlaub endlich ein bisschen Pause vom Alltag, Zeit für uns selbst, und vielleicht sogar einen Hauch Paarzeit finden werden. Spoiler-Alarm: Bei so vielen Wünschen muss allein aus Zeitgründen wohl irgendetwas mit einem lauten Platscher in den Pool fallen.

Der nächste Trugschluss ist, die Eltern könnten die Alltagspflichten brav zu Hause lassen. Nein, sie reisen immer fröhlich mit – zumindest wenn man, wie wir, keinen All-Inclusive-Urlaub im Hotel macht. Eingekauft, gekocht und aufgeräumt werden muss eben auch in den Ferien. Und zwischen Ketchup-Eis-Flecken und Pipi-Unfall ist auch mal eine Ladung Wäsche nötig. Zudem erfordert es von Elternseite extra Planung und täglichen Einsatz, ein abwechslungsreiches Ferienerlebnis zu schaffen – die „mental load“ hat also auch kein hitzefrei. Stattdessen nichts zu planen und zu hoffen, dass sich die Kinder vor Ort „schon beschäftigen werden“, ist kein Pferd, auf das ich wetten würde – wenn man nicht gerade mit gleichaltrigen Kindern oder Verwandten Urlaub macht.

So viele Gefühle und Bedürfnisse auf engem Raum 

Ein Selbstläufer in Sachen Bombenstimmung ist Urlaub aber selbst mit famoser Planung nicht. Die Reise-Bagage wird trotzdem nicht ständig glücklich durch die Gegend hüpfen. Launen und Müdigkeit richten sich selten nach Sonnenuntergängen. Kinder sind ja – zum Glück – keine Maschinen. Anders als zu Hause aber kommen beim Familienurlaub all die Stimmungen, Gefühle und Bedürfnisse ungefiltert wie unter einem Brennglas auf engem Raum zusammen. Denn tage- oder wochenlang gibt es kaum Rückzugsmöglichkeiten und auch keine Ablenkung durch Freunde, Kita oder Sportverein. Dass es da häufiger knallt, ist doch nur vorprogrammiert – selbst bei Familien, die sich an sich gut leiden können. Also auch hier alles wie zu Hause: beschwichtigen, beruhigen, ablenken, Lösungen diskutieren.

Am Ende eines Urlaubstags, an dem die Kinder wieder viel zu spät in ihren Betten gelandet sind, weil es „viel zu hell“ und „viel zu heiß“ zum Einschlafen war oder ein Rummikub-Match mal wieder ausgeartet ist („nur noch EIN Spiel!“), ist das elterliche Restenergielevel eher auf Höhe der Gartenliege, in der wir, vielleicht noch mit einem Gläschen Wein in der Hand, viel zu früh eindösen. Was auch ganz klug ist, denn im Urlaub sind die Kinder morgens immer extra früh fit wie ein Flummi.

Urlaub mit Kindern ist anstrengend, aber trotzdem unersetzlich

Die Mission „Auszeit für gestresste Eltern“ läuft also zumindest bei uns regelmäßig vor die Wand. Drei Einsichten aber habe ich in all den Jahren gewonnen. Zum einen sehe ich Familienurlaub inzwischen als genau das, was es ist: Urlaub MIT der Familie. Ich erwarte deshalb nicht mehr, viel Me-Time oder Erholung zu bekommen. Die hole ich mir dann eher zu Hause oder bei einem kinderlosen Wochenende. Zum anderen merke ich, wie sich doch immer häufiger mal ein halbes Stündchen Zeit für uns Erwachsene auftut, je älter die Kinder werden. Bald als Teenies werden sie wahrscheinlich dauernd bocklos am Handy hängen und ich habe unendlich viel Zeit, meinen Roman zu lesen.

Und last, but not least: Für den Familienzusammenhalt sind diese Urlaube unersetzlich. Wenn ich meine Kinder nachträglich von „riesigen Wellen“, „Monster-Eistüten“ und „krassen Ausflügen“ erzählen höre, freue ich mich einfach wahnsinnig. Und denke: „Ach, das war aber auch schön.“

5 persönliche Tipps für die Reise:

  • Musikempfehlung: Die aktuelle Platte „Ordentlich durcheinander“ der Kinder-Hip-Hop-Band „Deine Freunde“ ist der Kracher. Unser Lieblingshit: der Song „Dumme Witze“, in dem es darum geht, dass niemand über Papas schlechte Scherze lacht. Laut mitgegrölt ist das ein Brüller (nur nicht für Papa).
  • Familien-Playlist: Die Lieblingssongs jedes Familienmitglieds landen bei uns auf einer Urlaubs-Playlist. Resultat ist eine unterhaltsam skurrile Mischung aus Leo Lausemaus, Bibi & Tina, Mark Forster, Lizzo, Apache und Bruce Springsteen.
  • Screen-Time: Bei uns teilen sich alle ein iPad – jedes Kind darf zuvor ein paar Folgen seiner Lieblingsserie herunterladen. Was Filme betrifft, sind bei uns alle Teile von „Toy Story“ oder „Hotel Transsilvanien“ immer ein Hit.
  • Spiele zum Mitnehmen: Sudokus lassen sich wunderbar im ruckeligen Auto lösen. Auch „Vier gewinnt“ und Tier- oder Star-Wars-Quartette sind praktisch.
  • Fantasiereise: Super sind Frage-Spiele, bei denen man verrückt antworten muss – zum Beispiel: „Wenn du Königin wärst, was würdest du allen Kindern erlauben?“, „Wenn du Architekt wärst, wie würde dein lustigstes Gebäude aussehen?“, „Wenn du Schulleiterin wärst, welche Fächer würdest du erfinden?“
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