Frühling in BerlinFünf Gründe, warum Spielplätze die Hölle sind

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Hübsch angelegt, der Spielplatz im Park am Gleisdreck. Außerdem: Viele Kinder, viele Eltern, kein Klo und kein Schatten. Puh.

Hübsch angelegt, der Spielplatz im Park am Gleisdreck. Außerdem: Viele Kinder, viele Eltern, kein Klo und kein Schatten. Puh.

Ja, es gibt auch schöne Spielplätze. Und ja, nicht jeder hat einen Garten. Und nochmal ja, je nachdem, wie lange das Kind in der Kita ist (und ob es dort an die Luft kommt), kann der Nachmittag noch lang werden und das Gefühl, man muss noch was machen mit dem/der Kleinen oder (seltener) den Kleinen, dringlich. Und zwar am besten draußen. Denn die Sonne scheint. Frische Luft ist wichtig. Bewegung sowieso. Und erst die anderen Kinder. Wichtig sind sie, für das Kind. Ja. Aber.

Spielplätze sind Orte des Schreckens. Elternhöllen unter freiem Himmel. Es sind Plätze, die an denen sich alle Ängste, Begierden und Abgründe des Menschen frei entfalten können. Ohne Schatten, ohne Klo, und in jedem Sandkorn lauert Stress. Eigentlich ist kein Erwachsener gerne dort. Jeder hat dafür andere Gründe. Hier sind fünf davon. Und fünf Möglichkeiten, die Zeit besser zu verbringen.

Grund I: Kinder. Kinder sind toll. Sie sind wunderbar, einfallsreich, witzig, schön und manchmal klug. Und: Kinder sind schnell, stark, mutig, unterschiedlich groß, am Nachmittag oft müde, manchmal schlecht, manchmal gar nicht erzogen, einige haben sehr viel Energie und einige gar keine. Einige heulen ständig, andere fast nie. Manche wollen alles für sich, andere verschenken alles (und heulen dann). Kinder sind anstrengend, nervenaufreibend und schweben irgendwie ständig in Gefahr. Das alles gilt für alle Kinder, die eigenen wie die anderen.

Das sieht man auf dem Spielplatz. Dort sind viele Kinder. Zu viele. (Und wenn zu wenige da sind, ist es auch nicht schön. Dazwischen gibt es irgendwie nichts.) Eines weint, weil die Schippe weg ist. Das andere wegen dem Sand auf der Rutsche. Es sollte aber besser zur Seite gehen, das größte von allen hat sich schon wieder an den Knirpsen vorbeigedrängt, um rückwärts im Stehen zu rutschen. Superheld.

Eins will ein Eis. Das andere zwei. Das Eis des dritten liegt im Sand. Die Mutter tröstet wortreich. Papa ist schon unterwegs, ein Neues kaufen. Aber wohin solange mit den neuen Spielsachen, auf die er aufpassen sollte? Hilfesuchender Blick zu den anderen Eltern. Aber die sind alle beschäftigt. Telefonieren. Oder spielen im Sand.

Grund II: Eltern. Man kann es ihnen nicht verübeln. Ständig sehen sie den Nachwuchs in Gefahr, den eigenen oder den fremden. Müssen schlichten und ermuntern, füttern und tränken, kaufen und entsorgen. Oder sie haben überhaupt keine Lust zu all dem, sind aber trotzdem auf dem Spielplatz, weil sie ihre Kinder lieben. Glauben, das Spiel mit Gleichaltrigen sei wichtig (ist es), auch der Streit (ist er), auch noch nach der Kita (Reicht das nicht an Sozialisierung?). Und fügen sich. Lesen und reden. Merken, dass konzentrierte Lektüre oder ein tiefergehendes Gespräch nicht möglich sind. Wegen der Kinder (siehe oben). Und haben schlechte Laune. Langweilen sich. Erzählen vor lauter Langeweile fremden Eltern, was das Kind so kann, was es isst und wo sie einkaufen. Eltern auf Spielplätzen sind schlimm. Kein Wunder. Es geht ihnen schlecht.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt, warum Sand für Eltern der absoluter Horror ist,

Grund III: Klettergerüste. Ein Grund, warum es vielen Eltern auf Spielplätzen schlecht geht, ist das Spielgerät dort. Kein Spielzeug, sondern -gerät. Großes Gerät. Hohe Türme, auf denen die Kinder sehr klein aussehen. Leitern mit morschen Stufen, zwischen denen der Abstand ungefähr einen Meter beträgt. Wackelbrücken. Rutschstangen. Spinnennetze aus dicken, rauhen Seilen, an denen die Kleinen leider nicht kleben bleiben. Stattdessen wanken sie im Wind, streiten dort oben im Gedränge um den besten Platz oder den schnellsten Aufstieg und winken dann fröhlich hinab. Mit beiden Händen. Ob der Sand weich genug ist?

Grund IV: Sand. Der Kern, man könnte sagen, die DNA des Spielplatzes ist der Sand. Es gibt zwar die modischen Entwürfe mit Torf oder Mulch am Boden, auch Gummi sieht man ab und an. Aber erstens sind all diese so weich klingenden Materialien auch nicht der Boden, auf den man die Kinder aus 2,50 Meter Höhe fallen sehen will. Und außerdem: Ein Spielplatz ohne Sand? "Buddeln! Ich. Will. Buddeln" So tönt es dann. Recht haben sie.

Spielplatz = im Dreck wühlen = Glück. Am besten ist nasser Sand, also ein Spielplatz mit Brunnen oder Pumpe, rein in den Matsch und dann mal gucken, was da noch so alles drin ist. Das Glück der Eltern besteht darin, das Was-da-noch-so-alles-drin-ist den Kindern zu entreißen (angenagte Brezeln, durchgekaute Strohalme, Geldstücke und Kronkorken) und nassen Sand zuhause aus Klamotten, Körperöffnungen, Dielenritzen, Bettlaken und Taschen zu holen. Dann lieber richtiger Dreck, Schlamm, Waldboden, Pfützenbraun, Wiesengrün. Das kann man alles rauswaschen, aus Kind und Klamotte. Sand aber ist ewig. Überall. Und mit dem Sand der Karibik hat Spielplatzsand nichts zu tun.

Grund V: Die Gegend um den Spielplatz. Überhaupt hat ein Spielplatz wenig mit dem zu tun, wonach der Begriff klingt. Es wird wenig gespielt. Und mit einem Platz, im Sinne eines Ortes zum Sein, haben diese – ja was – Nichtorte wenig gemein. Entweder zwischen Häuser geklemmt oder zwischen Wiesen und Bäume gerodet, gibt es dort von allem zu wenig, wonach das Freizeitherz sich sehnt.

Einen Platz zum Sitzen oder Liegen. Schatten oder noch besser: Halbschatten. Toiletten. Was es manchmal zu Hauf gibt: Zäune, leicht aber nicht ungefährlich zu überklettern. Und freischwingende kleine Tore, herrlich zum Dranherumspielen und ständige Verheißung. Denn draußen, da ist die Stadt, der Park, eine Welt voller Abenteuer. Weg ist es, das Kind. Wer kann es ihm verübeln?

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Fünf Alternativen für den Gang zum Spielplatz

Warum also nicht gleich draußen bleiben? Es gibt viel zu sehen und zu tun am Nachmittag.

Alternative I: Spazierengehen. Ist schön im Park oder am See, geht aber auch in der Stadt. Wobei "gehen" ein weiter Begriff ist, wenn die Begleitung sehr klein und somit die Welt voller Wunder ist. Spazierenstehen trifft es oft besser. Hier ein Schaufenster, da eine Katze. Kieselsteine sind aufzuräumen und Zettel aufzuheben. Feuerwehr. Polizei. Andere Fußgänger. Autos Fahrräder Motorräder Hunde Mülleimer Hauseingänge. Alles sehenswert.

Am besten lässt man das Kind gehen und stehen und gucken und zeigen. Sehr entspannend. Nur wenn ein Spielplatz in Sichtweite ist, sollte man es ablenken. Vielleicht mit einem Eis? Das ist es doch wert.

Alternative II: Wiese. Nicht immer in der Nähe, aber wenn, dann hin. Einen Ball hat jeder. Und schießen können schon die Allerkleinsten. Tipp: Noch ein Kind mitnehmen. Und nächstes Mal das eigene den anderen mitgeben. So hat jeder mal frei. Der Ball bleibt bald liegen, den es gibt ja Blumen, Käfer und 100 Richtungen, in die man mal laufen kann.

Alternative III: Lesen und Vorlesen. Manchmal kommt man auf einer Wiese dann sogar zum Lesen. Oder wenigstens zum Blättern. Kann aber auch sein, dass der Himmel, die Wiese, das Kind / die Kinder viel schöner und entspannender sind. Auch gut. Und wenn Langeweile aufkommt? Hat man vielleicht ein Buch mit, das man auch gemeinsam lesen kann. Oder vorlesen. Warum immer nur abends vor dem Schlafen? Immer irgendwie reingequetscht zwischen Spielplatz, Spielplatzdreckbeseitigung und Rechtzeitig-das-Licht-löschen? Eben. Lesen statt Spielplatz. Und abends dann nur noch ein Lied.

Überhaupt, die Zeitnot am Nachmittag. Einer der Hauptgründe gegen den Spielplatz, wenn das So-Sein des Spielplatzes (siehe oben) nicht reicht. Was alles ansteht nach der Arbeit, vor dem Abend. Erledigungen, Einkauf, Häusliches, Abendessen. Eigentlich passt er doch gar nicht rein, der Gang zum Spielplatz. Noch so ein Grund, warum man da immer im Stress ist. Man denkt ständig daran, was man eigentlich machen müsste.

Alternative IV: Dinge erledigen. Die Briefe müssen in den Kasten, vielleicht ein Paket zur Post. Zur Bank wollte man auch noch, außerdem ein Geschenk besorgen. Und die Kopien! Und einkaufen müsste man auch noch ein paar Kleinigkeiten. Die Schuhe vom Schuster holen. Undsoweiter. Kann man sich einen Tag für frei nehmen. Kann man keuchend nach der Arbeit und vor dem Abholen machen. Kann man aber auch mit dem Kind machen.

Natürlich geht es hier nicht um Shopping, ums Bummeln und Stöbern. Gemeint sind die kleinen Erledigungen, die - bis auf den Supermarkt - an Orten mit wenig Verführungen stattfinden. Verkauft man all diese Aktivitäten einigermaßen spannend, kann das Kind sich wichtig fühlen, macht mit, der Nachmittag ist sinnvoll gefüllt und hat trotzdem Spaß gemacht. Und auch den Einkauf kriegt man in den Griff. Kind in den Wagen, Nudeln aussuchen lassen, Dampfplaudern, schwierige Gänge auslassen. Und die Quengelei an der Kasse? Muss es sich eh abgewöhnen. Je früher desto besser.

Und da sogar Putzen bei schönem Wetter und zu zweit mehr Spaß macht, ist das auch eine Möglichkeit. Wie oben gilt: Je früher, desto..., ja, auch desto langsamer. Alles braucht mehr Zeit, wenn die Kleinen mitmachen. Und vieles muss man korrigieren. Aber mal ehrlich: Besser nochmal nachwischen als - Sand.

Alternative V: Kochen und essen. Oder einfach einen schicken Tisch decken (lassen) für das Abendbrot. Auch Gemüse schnibbeln können Kinder. Umrühren. Kräuter hacken. Statt Kochkurse für Kleine zu buchen, sollen sie zu Hause helfen. Vielleicht mit ein paar Freunden, Nachbarn, deren Kindern. Das alles dauert, ja. Aber man hat ja eine Menge Zeit gespart, weil man nicht auf dem Spielplatz war, alles erledigt hat und die Wohnung sauber ist. Bis auf die Küche.

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