Ferien mit der Patchwork-Familie beginnen nicht mit Kofferpacken, sondern mit Klarheit. Katharina Grünewald erklärt, wie das gelingt.
In Sachen LiebeWenn das Kind nicht mit in den Urlaub will

Das Kind möchte nicht mit in den Urlaub – da ist guter Rat teuer.
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Ich bin seit anderthalb Jahren mit meinem Freund zusammen. Wir sind wirklich glücklich – mit allen Schwierigkeiten, die dazugehören. Jetzt wollten wir zum ersten Mal gemeinsam mit unseren beiden Söhnen in den Urlaub fahren. Mein Sohn ist elf, seiner acht. Eigentlich verstehen sich die beiden gut. Aber plötzlich schaltet mein Sohn auf stur. Er will nicht mit. Wie soll ich mich verhalten? (Vera, 38 Jahre)
Sie beschreiben das typische Verhalten eines Trennungskinds im Loyalitätskonflikt. Ihr Grundgefühl ist sicher richtig: Es läuft alles gut. Mit dem Plan, mit Ihrem neuen Partner und den Kindern gemeinsam in Urlaub zu fahren, womöglich zu gut. Denn für Ihren Sohn könnte es sich jetzt so anfühlen, als verriete er seinen Vater. Dann meint er, für ihn handeln und dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung machen zu müssen.
In Patchwork-Konstellationen kooperieren Kinder oft unbewusst mit Anteilen ihrer Eltern. Auch wenn der neue Partner freundlich ist und der Bonusbruder sich Mühe gibt – emotional kann sich das wie Verrat anfühlen. Vielleicht kooperiert auch Ihr Sohn unbewusst mit seinem Vater und zeigt durch sein Verhalten: Ich bin dir treu. Oder er spürt, dass Sie als Mutter manchmal selbst zweifeln, ob das mit dem neuen Glück nicht alles ein bisschen schnell geht – und übernimmt diesen Zweifel als seine Haltung.
Das Nein nicht als Urteil, sondern als Ausgangspunkt für einen Prozess
Wichtig ist jetzt: Das Nein zu den Urlaubsplänen ernst nehmen, aber nicht als Fakt und Urteil, sondern als Ausgangspunkt für einen Prozess. Oftmals liegen hier typische Fallstricke, indem man die Haltung des Kinds entweder übergeht, nach dem Motto „Es wird dir schon Spaß machen“ (weil Sie wissen, dass Ihr Sohn sich tatsächlich über den – sagen wir – bevorstehenden Surfkurs freuen wird) oder den Urlaub kurzentschlossen absagt, nach dem Motto „Ich habe meinem Sohn mit der Trennung schon so viel zugemutet, jetzt darf er bestimmen“.
Das Stoppsignal Ihres Sohnes kann der Startpunkt für einen Erkundungs- und Verhandlungsprozess sein, der für ihn, für Sie und die gesamte Familie einen wichtigen Entwicklungsschritt bedeutet.
Überprüfen Sie zunächst Ihre eigene Haltung zu dem Urlaub: Ist das alles in Ihrem Sinne? Oder läuft die Planung eher im Sinne Ihres Freunds, und Sie machen mit, weil Sie es ihm zuliebe auch wollen? Ist das so, dann liegt es an Ihnen, das Nein Ihres Sohnes zu übernehmen und dafür auch die Verantwortung zu tragen. Schließlich soll die Beziehung langfristig halten, Sie brauchen also auch Raum für Ihre Zweifel in der Beziehung.
Wenn der Sohn gesehen wird, ist das oft schon der halbe Urlaub
Wenn Sie sich selbst in Ihrer Haltung sicher sind, treten Sie mit Ihrem Sohn in den Erkundungsprozess ein. Fragen Sie ihn: „Was bräuchtest du, damit du dich wohler fühlen und mitfahren könntest?“ Bei dieser Frage braucht er Ihre Führung und Begleitung. Hier ein paar Ideen, worauf Sie mit Ihrem Sohn schauen können: Zum einen die Garantie, dass es gemeinsame Zeit nur mit Ihnen gibt. Damit ist Raum gegeben, die Trennung vom Vater zu betrauern, ohne dass Ihr Sohn vom Verratsgefühl überschwemmt wird. Zum anderen klare Rückzugsräume, in denen er auch Gelegenheit für eine Kontaktaufnahme zum Vater oder zu seinen Freunden hat – zur Selbstregulierung.
Vielleicht braucht Ihr Sohn auch noch ein Gespräch mit seinem Vater und die explizite Erlaubnis, dass es ihm im Urlaub auch mit Ihrem neuen Freund und dessen Sohn gut gehen darf, samt der Zusage, dass der Vater sich auch für sich selbst darum kümmert, eine gute Zeit ohne seinen Sohn zu haben. Das führt wie selbstverständlich zur Frage, wieso sich Ihr Sohn berufen fühlen könnte, die emotionale Verantwortung für seinen Vater mit zu übernehmen. Das allerdings sind Fragen, um die sich der Vater selbst kümmern müsste.
Ein Patchwork-Urlaub beginnt nicht mit Kofferpacken, sondern mit Klarheit: Was darf auf so einer Reise sein – und wer darf ich sein? Wenn Ihr Sohn spürt, dass er gesehen wird – mit seinen Zweifeln, Ängsten und Bedürfnissen, dann ist das oft schon der halbe Urlaub, selbst wenn noch die eine oder andere unbewältigte Last mit im Gepäck ist.
Zur Kolumne
Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald, Sexualberaterin Gitta Arntzen sowie der Urologe Volker Wittkamp. Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.