Die schwere Hitze des Sommers scheint die Luft dickflüssig zu machen. Nutzen Sie die Chance und drosseln Sie die Geschwindigkeit!
OptimistinSchalten Sie in den Sommermodus – Jetzt ist Zeit für die Schaffenspause!


Im Schatten sitzen und nur mal gucken: Was man von Rentnern bei der Hitze lernen kann.
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Meine Großeltern besaßen zeit ihres Lebens kein Auto, sie hatten nicht einmal einen Führerschein und der Erwerb dieser Fähigkeit erschien ihnen auch nicht erstrebenswert. Dennoch bauten sie sich eine Garage in den Garten. Jetzt könnte der ein oder andere den Eindruck gewinnen, meine Großeltern seien eben nicht die sparsamsten gewesen und hätten Geldausgaben nicht so genau überdacht. Dem ist aber nicht so. Sie lebten im Gegenteil nahezu asketisch. Sie kauften sich Kleidung und Möbel grundsätzlich nur, wenn die Reparatur des Vorgängermodells nicht mehr möglich war, sie fuhren nie in den Urlaub, sie pflanzten ihre Erbsen, Bohnen, Tomaten und Paprika selbst im Garten an, sie wären niemals auf die Idee gekommen, auswärts essen zu gehen, vielleicht höchstens mal am Hochzeitstag, da aber auch nur zu Ehren der runden. Die Garage haben sie dennoch gebaut. Und ich weiß auch, warum.
Sobald der Sommer sich häuslich einrichtete in unseren Breiten, setzten die beiden sich am späten Nachmittag, wenn die Hitze flirrende Schlieren in die Luft malte, auf eine Bank in den Schatten vor das Garagentor und guckten auf die Straße. Man traf sie da sitzend, wenn man von der Schule nach Hause kam. Der Schatten, den die Garage warf, vergrößerte sich von Stunde zu Stunde. Man sah die beiden also auch in dem wachsenden kühlen Fleck verharren, wenn man wieder ging, zum Training oder ins Kino. In besonders hellen Nächten saßen sie da noch, wenn man spätabends wieder nach Hause kam. Manchmal standen zwei Töpfchen vor der Bank, in die meine Großmutter Erbsen schälte. Aber meistens waren derlei Nachmittage frei von Tätigkeiten. Und im Großen und Ganzen auch frei von Gesprächen. Manchmal setzten wir arbeitslosen Kinder uns dazu. Man saß und guckte. Das genügte.
An diesen heißen Nachmittagen des Sommers kam jedes Tun zum Stillstand
Wir alle wohnten an einer Sackgasse einer Kleinstadt, kurz vor dem Wendehammer. Und an derlei schläfrig heißen Nachmittagen war deshalb das Programm, das sich vom Garagentorplatz aus beobachten ließ, einigermaßen überschaubar. Ein Kind auf Rollschuhen, vielleicht mal eins klackernd auf Stelzen. Ein Hund. Zwei Autos.
Das Leben meiner Großeltern war geprägt von körperlicher Arbeit und Produktivität. Wenn ich mich an sie erinnere, dann fast ausschließlich schwitzend und mit irgendeinem Werkzeug in der Hand. Teppichklopfer, Hacke, Schaufel, Nudelholz, Hammer. Aber an diesen heißen Nachmittagen des Sommers lagen ihre Hände im Schoß, kam jedes Tun zum Stillstand. Schaffenspause. Erst wenn die Astern blühten und der Herbst seine erste kühle Luft um die Häuserecken blies, seufzte meine Großmutter, erhob sich und trieb auch meinen Großvater wieder zur Eile. Das Leben bekam seine Geschwindigkeit sowie Beschwerlichkeit zurück.
Wenn sich heute die Hitze in der Stadt einnistet, die Luft dickflüssig über den Asphalt wabert und ich dennoch durch den Tag jage, um alle Aufgaben ungeachtet der Umweltbedingungen zu erledigen, schweifen meine Gedanken manchmal ab zu diesem Schattenplatz des Nichtstuns meiner Kindheit.
Etwas weniger produktiv sein, sich auf die Bremse setzen und sich einfach mal für ein paar Stunden hängen lassen – das ist bei den sehr heißen Tagen des Sommers übrigens schon aus gesundheitlichen Gründen geboten. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der Körper bei Hitze schneller altert. Schließlich arbeitet das Herz schon genug, um das ganze heiße Blut auf Betriebstemperatur runter zu kühlen. 15 Liter statt sonst übliche fünf pumpt es bei sehr hohen Temperaturen durch die geweiteten Adern des Körpers. Da braucht es nicht noch einen hyperaktiven Arbeitstag oder privaten Ehrgeiz. Und auch kein gekochtes Abendessen. An Garagentagen gab es bei meinen Großeltern abends ein dickes Butterbrot mit Salz und Pfeffer. Ich erinnere mich gut daran, weil ich gar nicht mal so häufig etwas Leckeres gegessen habe.
Und deshalb erwäge ich beim Anblick der Wetterprognosen für die kommenden Tage, mein Leben zu ändern. In den Sommermodus zu schalten. Die Geschwindigkeit zu drosseln. Gerade in der Mittagszeit. Mir Aufgetragenes später zu erledigen. Oder nie. Einfach mal im Schatten vor einer Garage oder auf einer Wiese sitzen zu bleiben und zu gucken. Selbst dann, wenn es gar nichts zu sehen gibt. Setzen Sie sich doch dazu! Machen wir eine Pause!