Gruselige Momo, KettenbriefeWie schützt man Kinder vor unerwünschten Handy-Nachrichten?

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Ein Bild der Gruselfigur Momo ist auf einem Handy zu sehen.

Ein Bild der Gruselfigur Momo ist auf einem Handy zu sehen.

Noch immer tauchen in Schulklassen Handynachrichten der Gruselfigur Momo auf, die Kindern und Eltern Angst machen. Wie geht man damit um? Und was ist noch mal das Problem an Kettenbriefen?

Die gruselige Momo-Puppe mit den schwarzen Haaren und dem verzerrten Gesicht hatte ihren großen Auftritt bereits vor vier Jahren. Aber die Geschichten über die Nachrichten, die die Puppe angeblich verschickt, tauchen immer mal wieder in Schulklassen auf. Angeblich kommt von Momo per WhatsApp oder andere Messenger eine Aufforderung, etwas Bestimmtes zu tun. Geschieht das nicht, passiere dem Kind oder seiner Familie etwas Schlimmes. Auch andere, scheinbar harmlose Kettenbriefe, in denen es zum Beispiel um Freundschaft geht, sind unterwegs. Aber sie setzen Kinder ebenfalls unter Druck. Wie können Eltern und Kinder am besten damit umgehen? Mediencoach Kristin Langer von der Initiative „Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht“ gibt Tipps.

Momo verschickt Nachrichten mit einer Drohung

Bei Momo handelt es sich um das Bild einer Kunstfigur, eine Art Puppe mit verzerrtem Gesicht, riesigen Augen und schwarzen Haaren. Von ihr bekommen Kinder und Jugendliche angeblich Nachrichten, die sie an möglichst viele andere Menschen weiterleiten sollen. Manchmal handelt es sich um Texte, zuweilen kommen Sprachnachrichten, in denen die Aufforderungen sogar mit verstellter Stimme gesprochen sind. Oder es ist auch nur ein Anhang, den der Empfänger öffnen soll, immer verbunden mit der Drohung, dass etwas Schlimmes passiert, wenn er das nicht tut. Kinder bekommen zum Beispiel oft die Warnung, dass Momo nachts in ihrem Zimmer erscheint, wenn die Nachricht nicht weitergeleitet wird. Noch schlimmer ist die Drohung, dass der Familie oder Freunden etwas passiert, wenn die Aufforderung ignoriert wird. Die Drohungen verbreiten sich über Messenger-Dienste. „Es ist möglich, eine Momo-Nachricht zu verschicken, ohne selbst als Absender aufzutauchen“, erklärt Langer. Auch Weiterleiten sei eine einfache Möglichkeit der Verbreitung.

Besonders betroffen sind Viert- und Fünftklässler

Zum ersten Mal tauchte das Momo-Phänomen 2018 auf. Die Geschichte hat sich mittlerweile zu einer Art urbanen Legende entwickelt, die Kinder und Eltern verschreckt. „Die Nachrichten gibt es aber wirklich. Sowohl Kinder als auch Jugendliche und Eltern haben sie bekommen“, macht Langer klar. Besonders betroffen seien Viert- und Fünftklässler, die meist gerade erst ein Smartphone haben. „Aber nicht nur das erste eigene Gerät spielt eine Rolle, sondern auch die Frage: Wie viel Grusel halte ich eigentlich aus, was vertrage ich? Diese Fragen treten meistens zum Ende der Grundschule am Übergang zur weiterführenden Schule als eine Art Mutprobe auf“, sagt Langer.

Mediencoach Kristin Langer von der Initiative Schau hin!

Mediencoach Kristin Langer von der Initiative Schau hin!

Wichtig ist, dass Eltern ihre Kinder schon präventiv auf solche Nachrichten vorbereiten. Kinder sollten wissen, dass manche Menschen Spaß daran haben, jemanden zu erschrecken oder unter Druck zu setzen. Empfehlenswert ist dazu das Lernmodul „Lügner und Betrüger“ auf der Seite www.internet-abc.de. Außerdem empfehlen sich Sicherheitseinstellungen an Geräten sowie geschützte Messenger-Dienste wie Signal, Threema und Wire. WhatsApp ist anfälliger für die unerwünschten Nachrichten, weil hier in den Gruppen die Telefonnummern der Mitglieder verbreitet werden können. „Wenn auch Sie Ihre Kommunikationswege schützen und wissen, mit wem Sie sich austauschen, ist das schon ein großer Schritt und ein Vorbild für Ihr Kind“, sagt Langer.

Wichtig ist in ihren Augen auch, den Kindern schon früh die Regeln der Internet-Kommunikation beizubringen, zum Beispiel Anhänge nicht sofort zu öffnen. Eine Nachricht, die Kinder nicht einschätzen können, zeigen sie unbedingt ihren Eltern oder Lehrern und öffnen diese – wenn überhaupt – nur mit ihnen gemeinsam. „Erklären Sie Ihrem Kind, dass im Internet Menschen unterwegs sind, die anderen nichts Gutes wollen und die Spaß daran haben, anderen Angst zu machen. Das können Kinder gut verstehen. Machen Sie klar, dass das Kind nicht zu neugierig sein soll und dass es sich im Zweifel immer an die Eltern wenden kann“, rät Langer.

Auf keinen Fall das Handy wegnehmen

Hat das Kind tatsächlich eine Gruselnachricht bekommen, sollten Eltern es vor allem trösten und unterstützen. Das Kind braucht dann Sicherheit und Ablenkung, damit das verstörende Bild wieder aus dem Kopf verschwindet. Am wichtigsten ist laut Langer aber dieser Tipp: „Auf gar keinen Fall kann die Konsequenz sein, dass dem Kind das Smartphone weggenommen wird. Wenn man so eine Nachricht bekommt, ist es nicht der Fehler des Empfängers. Wenn Sie Ihrem Kind das Handy wegnehmen, wird es Ihnen sehr wahrscheinlich nie mehr etwas erzählen. Ob ein Kind zu jung für ein Smartphone ist, entscheiden Eltern vorher, zum Beispiel mit der Schau-hin-Checkliste.“ Eine Alternative ist zum Beispiel ein Familien-Smartphone, über das die Internetkommunikation abgewickelt wird. Auf diese Weise haben Eltern die Möglichkeit, den digitalen Austausch des Kindes zu begleiten. Auch in Familienchats können Kinder üben, wie man online kommuniziert – und wie nicht. „So entlässt man die Kinder nicht ungeschützt in die Weiten des Netzes. Das Internet ist ja kein Spielplatz“, macht Langer klar.

Mehr Kettenbriefe in der digitalisierten Generation

Ein vielleicht weniger gruseliges, aber dennoch präsentes Thema sind digitale Kettenbriefe. Das kann eine scheinbar freundliche Nachricht sein, die eine Freundin weiterleitet und in der sinngemäß einerseits steht: „Ich habe dich lieb, du bist eine tolle Freundin“ und andererseits: „Leite diese Nachricht an möglichst viele Freundinnen weiter. Wenn du die Nachricht selbst nur dreimal erhältst, bist du nicht so beliebt.“ Ob sie wollen oder nicht: Solche Sätze setzen Kinder und Jugendliche unter Druck.

„Kettenbriefe hat es schon immer gegeben, jetzt ist das Phänomen in der digitalisierten Generation aber noch einmal stärker geworden. Bei vielen Briefen geht es um Bestätigung und Anerkennung. Dieses Prinzip ist durch die Likes und Follower in den sozialen Medien vertraut. Dadurch verrutschen die Maßstäbe, wann und wie eine Person etwas wert ist“, glaubt Langer. Für Eltern sei es deshalb wichtig, mit ihren Kindern zu besprechen, was sie davon haben, viele Follower zu haben oder diese Briefe möglichst oft geschickt zu bekommen. Sie rät: „Fragen Sie nach: Was ist die Auswirkung für dein reales Leben? Erklären Sie Ihrem Kind, dass im Internet sehr vieles nur zum Schein passiert und dass es nicht immer richtig ist, sich von der Beurteilung anderer abhängig zu machen.“ Damit Kinder stark und selbstbewusst genug werden und sich nicht von diesen Briefen beeinflussen lassen, sollte innerhalb der Familie eine Kultur der Wertschätzung praktiziert werden und freundlich miteinander umgegangen werden.

Kettenbriefe auf keinen Fall weiterschicken

Ob digital oder wie früher analog: Wie sollte man ganz allgemein mit Kettenbriefen umgehen? „Am besten gar nicht weiterschicken und die Kette unterbrechen. Erklären Sie Ihrem Kind, dass nichts passiert, wenn die Nachricht nicht weitergeleitet wird und dass es im Gegenteil auf diese Weise sogar zum Helfer wird, weil es andere vor unerwünschten Nachrichten schützt“, sagt Langer ganz eindeutig. Irgendwann werde die Dynamik hinter den Kettenbriefen unüberschaubar: Wo ist der Ursprung? Wo das Ende? Wo landen sie überall? Kommt die Nachricht von einem unbekannten Empfänger, empfiehlt es sich, die Nummer zu blockieren. Ist sie von einem Freund, sollte man mit ihm darüber reden, dass man solche Nachrichten nicht erhalten möchte. Außerdem muss man sich darüber im Klaren sein, dass man mit dem Weiterleiten auch immer Daten von sich selbst preisgibt. Eltern können ihre Kinder dazu ermuntern, sich in die Situation des Empfängers hineinzuversetzen: Was passiert mit ihm, wenn er diese Nachricht erhält? Wie fühlt er sich? „Kindern erklären, dass hinter diesen Briefen und Nachrichten keine Wahrheit steckt, ist eine wichtige Elternaufgabe“, sagt Langer.

Die Seite www.internet-abc.de bietet mit „Lügner und Betrüger im Internet“ ein spezielles Lernmodul für Kinder und Erwachsene, in dem es um Kettenbriefe geht. Auch auf der Seite www.seitenstark.de gibt es mit „Charlie und die sonderbare Nachricht“ einen speziellen Film für Kinder, in dem es um Falschmeldungen und um den Umgang mit Kettenbriefen geht.

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