Klug reagierenWie spreche ich mit Menschen im Umfeld, die rechtsextreme Parolen äußern?

Lesezeit 6 Minuten
Menschen halten ein Schild in die Höhe bei einer Demo gegen Rechtsextremismus in Berlin.

Wie kann man auch über die Demos hinaus im eigenen Umfeld Botschaften gegen rechts vermitteln?

Der Onkel blafft AfD-Parolen. Die Schwester äußert sich rassistisch. Wie reagiert man darauf? Eine Expertin gibt Tipps.

In der Vorstellung wähnt man Menschen, die sich rechtspopulistisch oder rassistisch äußern, weit weg – in vielen Fällen aber sitzen sie regelmäßig mit uns am Tisch oder kreuzen unsere Wege. Wenige wissen, wie sie darauf souverän reagieren können. Eher wird gestritten oder geschwiegen. „Es ist wichtig, den Mut zu haben, etwas zu erwidern“, sagt Barbara Djassi von der Initiative „Kleiner Fünf“, „denn ein Gespräch ist die Basis von Veränderung, hier lässt sich Demokratie leben.“ Wie sich das im Alltag gut umsetzen lässt, haben wir sie im Interview gefragt.

Ein Bekannter, eine Kollegin, ein Onkel äußert sich rassistisch – sollte man darauf direkt reagieren?

Barbara Djassi: Ja, so etwas sollte man nicht unerwidert stehen lassen. Benutzt jemand einen rassistischen Ausdruck, darf oder besser muss man sich klar positionieren: „Das ist eine rote Linie für mich, dieses Wort möchte ich nicht hören“. Viel zu oft sind es die Betroffenen selbst, die sich gegen Beleidigungen wehren müssen und sich dabei immer weiteren Verletzungen aussetzen. Ob Betroffene im Raum sind oder nicht: Jede rassistische Äußerung ist eine zu viel. Wir alle müssen aktiv Rassismus verlernen.

Schaffen es viele, rechtspopulistischen Aussagen direkt zu widersprechen?

In der Realität ist das nicht immer so einfach. Es kommt auf die Situation und die Hierarchie in der Gruppe an, in der solche Aussagen fallen. Und auf die Beziehung, die man zu einem Menschen hat. Gerade Gespräche mit engsten Familienmitgliedern sind schwierig. Häufig kommen solche Provokationen immer wieder vor, alle am Tisch rollen mit den Augen, aber keiner sagt etwas. Es entsteht ein ewiger Teufelskreis. Dann kann es sinnvoll sein, nachträglich bewusst ein Gespräch zu zweit zu suchen. Für viele ist das eine große Hürde. Doch je öfter man es wagt, desto leichter wird es.

Ob man jetzt spontan oder später reagiert – wie startet man eine solche Unterhaltung?

Unser erster Rat ist es, cool und besonnen zu bleiben. Und das ist wirklich nicht einfach. Bei politischen Meinungsverschiedenheiten kommt es oft zu einem hitzigen Schlagabtausch. Daraus lässt sich jedoch selten etwas auflösen. Es geht nicht darum, alle Emotionen zu unterdrücken, doch man sollte tief durchatmen und überlegen, was man sagen möchte. Außerdem sollte man dem Gegenüber wirklich zuhören und Interesse an seiner Sichtweise signalisieren.

Barbara Djassi von der Initiative „Kleiner Fünf“

Barbara Djassi entwickelt und realisiert bei „Kleiner Fünf“ ehrenamtlich Kampagnen, Projekte und Workshops.

Mit welcher Erwartungshaltung sollte man ein solches Gespräch angehen?

Man sollte sich zunächst bewusst machen, warum man das Gespräch führen will und wo man selbst dabei steht. Welche Werte vertrete ich? Wie sieht eine Gesellschaft aus, die ich befürworte? Wo ist meine rote Linie, die ich nicht überschreiten möchte? Der schwierige Schritt ist dann, trotz dieser Überzeugung nicht mit einer überlegenen Haltung auf den anderen zuzugehen – selbst wenn man sich sicher ist, die bessere Idee von der Welt zu haben. Wenn der andere merkt, dass er überzeugt werden soll, verliert er relativ sicher die Lust am Gespräch. Man sollte das Gegenüber für voll nehmen, den ganzen Menschen mit all seinen Schwächen und Stärken sehen.

Das klingt bei solchen Themen schwierig – wie geht das?

Wir nennen unser Konzept „radikale Höflichkeit“. Man sollte versuchen, in der Wortwahl möglichst freundlich zu bleiben, den anderen nicht verbal zu verletzen und auch Kritik höflich zu formulieren.

Darf man eigene Gefühle zugeben, also dass einen solche Aussagen verletzen?

Auf jeden Fall, genau auf diese Ebene müssen wir uns begeben, um eine Verbindung zum anderen zu behalten. Hierbei kann es helfen, Beispiele aus dem eigenen Leben zu nehmen und von Menschen zu berichten, die einem wichtig sind und die zum Beispiel durch rassistische Aussagen verletzt werden.


Die Initiative: „Kleiner Fünf“ ist eine Initiative des Vereins „Tadel verpflichtet e.V.“, die bundesweit vor Ort und online Workshops und weitere Materialien zum persönlichen Umgang mit Rechtspopulismus anbietet. „Kleiner Fünf“ sucht immer neue Mitglieder, die sich ehrenamtlich für ein demokratisches Miteinander engagieren wollen.


Was tun, wenn eine heftige Gegenwehr erfolgt?

Man sollte herausfinden, was der Grund für die Reaktion ist. Vielleicht ganz gezielt nachfragen: Warum reagierst du so wütend? So gewinnt man auch Zeit, um sich zu sammeln und die eigenen Emotionen abzukühlen. Dann ist die Frage, ob man das Gegenüber wieder auf ein Level bekommt, auf dem man sich unterhalten kann. Sinnvoll kann sein, die Aussagen des anderen noch einmal laut in anderen Worten zu formulieren, um ihm zu spiegeln, was er gerade in der Wut gesagt hat.

Ist manchen überhaupt nicht bewusst, dass ihre Aussagen rassistisch sind?

Ja, gar nicht so selten. Wir sind alle rassistisch sozialisiert. In den jüngeren Generationen gibt es eine Auseinandersetzung damit, die hatten die älteren Generationen in der Regel nicht. Diese Perspektive fehlt ihnen manchmal und sie sind weniger empfänglich für Diskussionen. Daraus entstehen harte Positionen. Aber es gibt natürlich auch Ältere, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus positionieren und auch Jüngere, die hier ignorant sind.

Helfen im Gespräch auch Rückfragen, wie etwa „Weißt du, ob das stimmt“?

Es macht schon Sinn, nachzufühlen, woher der andere seine Infos hat. Aber man kann nicht erwarten, dass er empfänglich ist für andere Vorschläge und direkt von seinen Idealen abrückt. Vermutlich wird er sich erst einmal verschließen.

Wie präsentiert man Fakten so, dass sie besser gehört werden?

Wenn man Fakten genau weiß, sollte man sie kurz und präzise nennen und stichhaltig erklären. Deshalb ist es wichtig, gut informiert zu sein. Oft ist aber auf beiden Seiten gefährliches Halbwissen unterwegs. Viele haben deshalb auch Angst vor einer Faktendiskussion, bei der sie nicht mithalten können und total machtlos sind. Vielleicht ist das dann gar nicht die beste Form der Auseinandersetzung für mich mit einer Person. Es ist sicher aus der Mode gekommen, aber wie wäre es stattdessen, einen Brief zu schreiben?

Muss man Verständnis aufbringen für die Ängste, die hinter den Parolen liegen?

Hat man jemanden vor sich, der von der gesellschaftlichen Situation verunsichert ist und sich daher von einfachen, populistischen Antworten abgeholt fühlt, kann man zuhören und nachfragen, was die Person wirklich beschäftigt.

Was tun, wenn mit dem Gegenüber kein Gespräch möglich scheint?

Wenn man in einer Diskussion überhaupt nicht weiter kommt, ist es völlig in Ordnung, das Gespräch abzubrechen und deutlich zu sagen: „Ich möchte über bestimmte Punkte mit dir nicht mehr sprechen.“ Zu manchen Personen dringt man einfach nicht durch. Aber es gibt ja auch andere, die vielleicht insgeheim zweifeln. Ihnen sollte man das Angebot offenhalten, wieder ins Gespräch zu kommen, den Weg zurück zu nehmen. Manche wissen vielleicht einfach nur nicht, wie sie da wieder rauskommen sollen.

Was können wir sonst tun, um uns gegen Rechtsextremismus zu positionieren?

Wichtig finde ich auch, nicht nur zu reagieren, sondern selbst Themen zu setzen, Dinge anzusprechen und Gespräche zu suchen. Gerade in gemischten Runden. Demokratie zu bewahren, das braucht einen langen Atem, wir müssen uns immer weiter darum kümmern.

KStA abonnieren