In der SchwangerschaftCovid-19 kann Plazenta zerstören und Totgeburt auslösen

Die Vorteile einer Impfung überwiegen für Schwangere weit jedes bekannte oder potenzielle Risiko.
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Köln – Viele werdende Eltern waren und sind verunsichert, was das Für und Wider einer Covid-19-Impfung betrifft. Obwohl von den geburtshilflichen Fachgesellschaften seit Frühjahr 2021 empfohlen, hat auch die Ständige Impfkommission (Stiko) lange gewartet mit ihrer Empfehlung. Erst Mitte September 2021 sprach sie sich für eine Impfung von Schwangeren ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel und von Stillenden aus. Jetzt könnte eine internationale Studie letzte Zweifel nehmen, denn sie zeigt: Eine Infektion mit SARS-CoV-2 erhöht das Risiko von Totgeburten um ein Vielfaches. Gemeinsam mit dem Experten der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) Professor Ekkehard Schleußner vom Universitätsklinikum Jena erklären wir warum.
Was hat die internationale Studie untersucht?

Professor Ekkehard Schleußner von der Klinik für Geburtsmedizin der Uni Jena ist Leiter der Redaktionsgruppe der Impfempfehlungen der gynäkologischen Fachgesellschaften.
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Um den Grund für eine erhöhte Anzahl an Corona-bedingten Totgeburten und Todesfällen kurz vor, während oder nach der Entbindung herauszufinden, hat ein internationales Forscherteam um Studienleiter David Schwartz aus Atlanta 64 Totgeburten und vier verstorbene Neugeborene untersucht, deren ungeimpfte Mütter sich in der Schwangerschaft mit Covid-19 infiziert hatten. Das Ergebnis: Nicht die Infektion des Fötus ist offenbar ursächlich für Corona-bedingte Totgeburten, sondern die Virus-bedingte Schädigung der Plazenta.
„Eine SARS-CoV-2-Infektion geht mit einer Entzündung und Schädigung vieler Gefäße einher. Auch der Mutterkuchen, also die Plazenta, besteht zum Großteil aus Gefäßen, die vor allem dazu dienen, das Ungeborene mit Nährstoffen und Sauerstoff aus dem mütterlichen Blut zu versorgen und Stoffwechselabfallprodukte aus dem kindlichen Blut zu entfernen. Diese Austauschfunktion kann stark beeinträchtigt sein, wenn die Gefäße Schaden nehmen", sagt Ekkehard Schleußner.
Wie genau schädigt das Virus die Plazenta?
Bei allen untersuchten Plazenten fanden die Forscherinnen und Forscher entzündliche Ablagerungen (Fibrin) in dem Teil des Mutterkuchens, in dem das mütterliche Blut diejenigen Blutgefäße umströmt, die das Ungeborene über die Nabelschnur mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen und Kohlendioxid entsorgen. Bei einer Mehrzahl der Plazenten konnten weitere entzündliche Prozesse, abgestorbenes Gewebe und Blutgerinnsel nachgewiesen werden, allesamt Anzeichen einer SARS-CoV-2-Plazenta-Entzündung (Plazentitis). Das führte dazu, dass der Mutterkuchen bei den meisten Fällen um 90 Prozent zerstört war, was laut Studienleiter David Schwartz ein Ausmaß sei, dass man bislang in dieser Stärke von kaum einer anderen Erkrankung der Plazenta kannte.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert?
„Veränderungen der Gefäße des Mutterkuchens sind mehrfach seit Pandemie-Beginn berichtet worden. Man konnte und kann das auch an Plazenten nach der Geburt von Kindern beobachten, die lebend geboren wurden und deren Mütter in der Schwangerschaft eine SARS-CoV-2-Infektion erlitten haben", sagt Schleußner. Diese Veränderungen seien aber nicht immer gleich stark ausgeprägt. Im Fall einer plötzlichen und starken Schädigung der Gefäße in der Plazenta und ihrer Funktion, könne das aber der Grund für einen plötzlichen Tod des Kindes im Mutterleib sein. Schleußner: „Das ist im Fall einer infizierten Mutter zwar möglich, zum Glück aber eine bislang seltene Komplikation. Auch die nicht mehr ausreichende Sauerstoffaufnahme in das Blut der Mutter bei schwerer Covid-19-Lungenentzündung kann den Fötus schädigen und bedrohen."
Nach einer Untersuchung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDS kommt es bei 1,26 Prozent der Schwangeren mit Covid-19 zu einer Totgeburt verglichen mit 0,65 Prozent bei nicht infizierten Schwangeren. Dies entspricht einem Risikoanstieg um 90 Prozent. Nach einer Infektion mit der Delta-Variante kam es sogar vierfach häufiger zu Totgeburten. Unklar ist allerdings immer noch, ob auch die Omikron-Variante die Gefahr einer Totgeburt erhöht.
Im deutschen CRONOS-Register der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) sind bis August 2021, 2803 auf SARS-CoV-2 positiv getestete Schwangere in Deutschland erfasst worden. Schleußner: „In der Auswertung der bis dahin 1190 entbundenen Frauen wurden 15 Totgeburten verzeichnet. Das entspricht einer Häufigkeit von 1,3 Prozent. Nicht bei allen dieser Totgeburten ist klar, dass Covid-19 die Ursache des kindlichen Versterbens war."
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Wie wirkt sich das konkret auf den Fötus aus?
Bei den untersuchten Föten, deren Tod im Durchschnitt in der 30. Schwangerschaftswoche auftrat, und bei den verstorbenen Frühgeborenen fanden die Forscherinnen und Forscher Anzeichen von Sauerstoffmangel, etwa Blutungen in diversen Organen. Weil die Plazenta so stark geschädigt war, dass das Kind nicht mehr ausreichend versorgt werden konnte „erstickte" es quasi im Mutterleib oder erlitt durch den Sauerstoffmangel starke Hirn- und Organschäden. Bei einem Drittel der lebendgeborenen Kinder konnte SARS-CoV-2 per Nasenabstrich nachgewiesen werden, bei den vier Totgeburten fanden sich auch in den inneren Organen Virus-Spuren. Aber: Die Forscherinnen und Forscher fanden keine Belege dafür, dass die Infektion den Tod der Ungeborenen mit verursacht hat. Auch Hinweise auf eine vorgeburtlich entstandene Entwicklungsstörung des Kindes fanden sie nicht.
Spricht das Studienergebnis dafür, dass sich Schwangere dringend impfen lassen sollten?
Das Fazit des Forscherteams entspricht voll und ganz den Empfehlungen der Stiko und der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC: Die Vorteile einer Impfung überwiegen für Schwangere weit jedes bekannte oder potenzielle Risiko, zumal nachgewiesener Weise die Zahl der Totgeburten und verstorbenen Neugeborenen bei geimpften Frauen nicht erhöht sei. „Die klare Empfehlung zur Impfung schon bei bestehendem Kinderwunsch und in der Schwangerschaft, ist begrüßenswert deutlich", sagt Schleußner. Eine Impfung verhindere schwere Covid-19-Verläufe in der Schwangerschaft und schütze dabei die Mutter, das ungeborene Kind und letztlich über den Nestschutz auch das neugeborene Kind. Information und Aufklärung ist grade in diesem Kontext besonders wichtig, um Unsicherheiten und Mythen faktenbasiert und einfühlsam zu begegnen.