Neun TippsWie Eltern ihren Kindern das Schwimmen selbst beibringen

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59 Prozent der zehnjährigen Kinder in Deutschland können nicht sicher schwimmen.

Köln – Zu viele Kinder lernen heute zu spät schwimmen, das ist eine Tatsache, die den meisten Eltern bewusst ist. Weil es immer weniger Schwimmbäder gibt und damit auch weniger Vereinsangebote und Gelegenheiten für Schwimmstunden in der Grundschule. Die Anfängerkurs-Angebote sind rar und teuer, die Wartelisten lang. Und nicht jeder kann (oder will) sich im Sommer einen Cluburlaub leisten, bei dem ein Schwimmkurs Teil des Kinder-Animationsprogramms ist.

Sicher schwimmen kann nach Definition der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG, wer das Jugendschwimmabzeichen in Bronze (siehe Kasten Seite 5) geschafft hat. Das Seepferdchen-Abzeichen hingegen bedeutet nicht, dass ein Kind sicher schwimmen kann, sondern ist lediglich ein erster Schritt. Die DLRG weist darauf hin, dass auch Kinder mit Seepferdchen an Gewässern gut beaufsichtigt werden müssen. Und warnt alle Jahre wieder davor, dass die Schwimmfähigkeit von Kindern abnehme.

Im vergangenen Jahr wurde in einer von der DLRG beauftragten Forsa-Umfrage festgestellt: Die Mehrheit (59 Prozent) der zehnjährigen Kinder in Deutschland kann nicht sicher schwimmen. Befragt wurden 2000 Menschen ab 14 Jahren. Was also tun? Für einen Babyschwimmkurs reicht die Motivation vieler Eltern noch aus, doch bis zum Grundschulalter einen regelmäßigen Schwimmbadbesuch aufrecht zu erhalten, ist oft schon schwieriger. Dabei lohnt es sich. Zum einen, weil Kinder immens viel Spaß haben können im Element Wasser. Zum anderen, weil eine frühe Wassergewöhnung später das Schwimmenlernen sehr viel einfacher macht.

Und: Wer regelmäßig mit seinen Kindern zum Schwimmen geht, stellt vielleicht irgendwann fest: Wozu einen Kurs buchen? Ich kann schwimmen – also kann ich auch meinem Kind das Schwimmen beibringen. Ja, das geht!

Im Folgenden ein paar Tipps, wie es klappen kann:

Früh und regelmäßig ins Wasser

Damit Kinder Spaß im Element Wasser entwickeln und mögliche Ängste abbauen, ist eine regelmäßige Wassergewöhnung ab dem zweiten Lebensjahr wichtiger als ein früher Babyschwimmkurs. Das fängt in der Badewanne an: Schon hier können Eltern ihre Kleinen animieren, mal das Gesicht ins Wasser zu legen und Luft auszublubbern. Oder sich hinzulegen und ein bisschen zu schweben, mal in Bauch- und mal in Rückenlage. Das schult nicht nur ein erstes Koordinationsvermögen im Wasser, sondern erleichtert im Optimalfall auch die Haarwasch-Prozedur.

Schließlich führt aber kein Weg am regelmäßigen Schwimmbadbesuch vorbei, im Optimalfall gehen Eltern einmal in der Woche mit ihren Kindern ins Bad. Das reine Üben, wie wir es im Folgenden vorstellen, ist für Kinder zwischen drei und fünf Jahren geeignet und sollte sich dabei auf 20 bis 30 Minuten beschränken. Denn: Auch freies Spielen, Planschen, Herumtollen ist bestens geeignet für eine stete Wassergewöhnung. Und im Schwimmbad ist es wie sonst auch im Leben: Ohne Spaß lernt es sich deutlich schlechter. Kinder sind sehr unterschiedlich: Die einen sind Draufgänger im Wasser und lieben es von Anfang an, auf Tauchstation zu gehen. Sie müssen nur ab und zu von ihren Eltern zum Luftholen herausgezogen werden und können vielleicht schon mit vier Jahren schwimmen. Andere sind vorsichtiger, tun sich schwer mit dem nassen Element und wollen sich am liebsten irgendwo dauerfestklammern. Sie machen vielleicht erst mit sechs Jahren ihr Seepferdchen. Beides ist völlig in Ordnung. Sicher ist: Mit Geduld und regelmäßigem Üben lernt jedes Kind das Schwimmen – auch bei den eigenen Eltern.

Erste Schwimmtechnik

Ob Kinder erst Brust-, Kraul-, Rückenschwimmen oder lieber eine Mischung verschiedener Schwimmtechniken lernen sollten, da sind sich die Experten uneins. Die Bewegung des Kraulschwimmens ist am einfachsten, doch da macht die Atmung Probleme. Beim Brustschwimmen lässt es sich gut atmen, aber der Beinschlag, wir nennen ihn „Froschbeine“, ist schwierig. Rückenkraulen ist eine gute Sache und sollte immer wieder eingebaut werden – doof nur, dass man nicht sieht, wohin man schwimmt. Unser Tipp für den Anfang: Kraulbeinschlag (Sprudelbeine) und Brustarmzug (Pfeilarme) kombinieren.

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Schwimmhilfen wie Schwimmflügel, Schwimmreifen, Schwimmgurte oder Schwimmwesten sind gut und wichtig für das freie Spiel im Wasser, wenn Kinder noch nicht schwimmen können (auch dann nur unter Aufsicht!). Sie sollten aber immer wieder abgenommen und gegen die haltende Hand von Mama oder Papa eingetauscht werden, damit das Kind nicht vergisst, dass es im Wasser eigentlich nicht von allein oben bleibt. Zum Schwimmenlernen eigenen sich diese Schwimmhilfen weniger, da sie die Wasserlage zu stark beeinflussen. Da lohnt sich dann die Investition in eine Schwimmnudel und ein Schwimmbrett.

Erste Tauchübungen

Igittigitt, Wasser im Gesicht!? Wer das nicht mag, hat mehr Probleme beim Schwimmen lernen. Deshalb schon früh immer wieder üben, das Gesicht ins Wasser zu tunken.

Zunächst einfach mit dem Mund ins Wasser blubbern. Später das Gesicht dabei immer tiefer nehmen. Wichtig: Augen auf und nicht die Nase zuhalten. Später sehen die Kinder sonst den Tauchring nicht, den sie fürs Seepferdchen hoch holen sollen. Außerdem brauchen sie die Arme ja irgendwann für die Schwimmbewegung. Werden die Zwerge mutiger, können Eltern ihnen Tauchringe hinhalten, nach denen sie greifen müssen. Das Kind hält sich dabei am Beckenrand fest oder sitzt auf einer Treppe im Wasser. Auch ein schönes gemeinsames Spiel: Mit dem Kind zusammen tauchen und unter Wasser Küsschen geben oder mit den Fingern eine Zahl zeigen, die das Kind nach dem Auftauchen wiedergeben muss.

Ins Wasser springen

Wer keine Angst mehr vor Wasser im Gesicht hat, kann anfangen das Springen zu üben. Das macht nicht nur mutig, sondern auch riesigen Spaß. Ruhig zunächst aus dem Sitzen vom Beckenrand in Mamas oder Papas Arme fallen. Als nächstes klappt vielleicht schon ein Sprung vom Beckenrand mit einer unter die Arme geklemmten Schwimmnudel, das verhindert ein zu tiefes Abtauchen ins Wasser. Die Steigerung: Sprung vom Beckenrand in eine zum Kreis geformte Schwimmnudel. Und schließlich: Sprung über eine Schwimmnudel hinweg.

Hangeln am Beckenrand

Wie ist das im tiefen Wasser? Kinder, die immer eine Schwimmhilfe tragen oder von den Eltern gehalten werden, können kein Gefühl für ihren Körper im Wasser entwickeln. Besser: Immer mal wieder ohne Schwimmweste/-flügel/-ring am Beckenrand entlanghangeln. Mama und Papa bleiben natürlich zur Sicherheit in der Nähe. Richtungswechsel einbauen, mal schneller und mal langsamer hangeln, an einer Leiter vorbeihangeln, auch mal die Beine nach hinten strecken und feste Strampeln oder das Gesicht ins Wasser tauchen und Luft auspusten – oder beides gleichzeitig.

Abstoßen und gleiten

Die größte Schwierigkeit beim Schwimmenlernen: Die richtige Wasserlage. Die Kinder hängen gern mit Kopf oben und Füßen unten im Wasser, vor allem Schwimmreifen und Schwimmflügel geben diese Haltung vor. Besser geeignet sind Schwimmwesten oder Schwimmgurte mit abnehmbaren Auftriebselementen. Um die flache Wasserlage zu üben: Ganz ohne Schwimmhilfe am Beckenrand festhalten oder auf einer Treppe sitzen und dann mit beiden Beinen Abstoßen und zur etwas entfernt wartenden Mama gleiten. Mal in Rückenlage („Bauch hoch!“), mal in Bauchlage („Gesicht ins Wasser und Hände zum Pfeil zusammenlegen und vorstrecken!“, „Wie eine Rakete!“). Dabei Gesicht ins Wasser, Luft ausblubbern und Augen auf. Den Abstand zum Erwachsenen größer werden lassen und ruhig dazu mit den Beinen strampeln. Das geht auch mit Schwimmnudel oder Schwimmbrett – nur darauf achten, dass die Arme lang nach vorn gestreckt sind und das Gesicht im Wasser liegt.

Der Beinschlag

Auf die Schwimmnudel legen, den vorderen Bogen etwas vorziehen, so dass ein „Fenster“ zum ins Wasser blubbern entsteht, Nudel mit den Achseln festhalten (dazu braucht es ein bisschen Koordination), dann mit „Sprudelbeinen“ voran kommen. Das kann man auch an Beckenrand oder Treppe sitzend oder in Bauchlage üben. Wichtig bei dieser Übung ist: Lange Beine machen und die Beine geradehalten, kein Unterwasser-Radfahren. Geht auch in Rückenlage mit Mamas Hand unter dem Popo.

Der Armzug

Auf die Schwimmnudel legen, diesmal ohne Fenster. Hände vor der Brust zum Pfeil zusammenlegen, nach vorn schieben, bei gestreckten Armen Daumen nach unten drehen – für die meisten Kinder der schwierigste Teil – und das Wasser in einem großen Kreis mit den Handflächen nach hinten schieben. Der Armzug hilft nicht nur den Beinen beim Vortrieb, sondern hält auch den Kopf zum atmen über Wasser.

Das Seepferdchen

Das Ziel all des Übens: Irgendwann kann das Kind sich ohne Schwimmhilfe im Wasser fortbewegen und dabei auch Luft holen. Sichere Schwimmer sind die Kleinen damit nicht, aber sie verfügen über die grundlegenden Fertigkeiten für das Seepferdchen-Abzeichen – das in vielen Schwimmbädern der Bademeister abnehmen kann. Ist das einmal geschafft, steigt oft auch die Motivation dran zu bleiben und weiter zu üben.

Die Schwimmabzeichen

Frühschwimmer (Seepferdchen)

Sprung vom Beckenrand, 25 Meter schwimmen, einen Gegenstand mit den Händen aus  schultertiefem Wasser heraufholen.

Jugendschwimmabzeichen Bronze (Freischwimmer)

Sprung vom Beckenrand und mindestens 200 Meter Schwimmen in höchstens 15 Minuten, einmal ca. zwei Meter Tieftauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen eines Gegenstandes, Sprung aus ein Meter Höhe oder Startsprung, Kenntnis der Baderegeln.

Jugendschwimmabzeichen Silber

Startsprung und mindestens 400 Meter Schwimmen in höchstens 25 Minuten, davon 300 Meter in Bauch- und 100 Meter in Rückenlage, zweimal ca. zwei Meter Tieftauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen je eines Gegenstandes, zehn Meter Streckentauchen, Sprung aus drei Metern Höhe, Kenntnis der Baderegeln und der Selbstrettung.

Jugendschwimmabzeichen Gold (Mindestalter neun Jahre)

600 m Schwimmen in höchstens 24 Minuten, 50 m Brustschwimmen in höchstens 1:10 Minuten, 25 m Kraulschwimmen, 50 m Rückenschwimmen mit Grätschschwung ohne Armtätigkeit oder 50 m Rückenkraulschwimmen, 15 m Streckentauchen, Tieftauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen von drei Tauchringen aus einer Wassertiefe von etwa zwei Metern innerhalb von drei Minuten in höchstens drei Tauchversuchen, Sprung aus drei Metern Höhe, 50 m Transportschwimmen: Schieben oder Ziehen, Kenntnis der Baderegeln und der Hilfe bei Bade-, Boots- und Eisunfällen (Selbst- und einfache Fremdrettung).

Literaturhinweise:

Ratgeber zum Kinderschwimmen sind in der Regel für Lehrer und Übungsleiter gedacht, aber auch interessierte Eltern können hier gute Tipps entdecken: Julia Bracke: „Lernzirkel Sport VI: Schwimmen lernen“, Buch Verlag Kempen, 20,90 Euro Kurt Wilke: „Schwimmen lernen für Kinder und Erwachsene“, Meyer & Meyer, 16,95 Euro

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