„Spitzenvater 2019“Was die Astronautin zum umstrittenen Preis für ihren Mann sagt

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Während Mama Insa sich auf ihre Mission vorbereitet, kümmert sich Papa Daniel um die drei gemeinsamen Kinder.

Köln – Ein Vater erhält einen Preis dafür, dass er ein Jahr Elternzeit nimmt. Seine Frau macht in der Zeit Karriere und trainiert als Astronautin für ihre Mission zur Internationalen Raumstation ISS.

Als „beleidigend“, als „Schlag ins Gesicht jeder Frau“ – so empfanden einige Kommentatorinnen im Netz den Preis, mit dem am vergangenen Freitag Dreifachvater Daniel Eich aus Königswinter als „Spitzenvater 2019“ ausgezeichnet wurde.

Unter dem Hashtag #Spitzenvater wurde gelacht, gelästert und gespottet

Schon in den vergangenen Jahren hatte es kritische Stimmen zu der von einer Großbäckerei initiierten Auszeichnung gegeben. Warum bekommen Väter Preise für Selbstverständlichkeiten, die Frauen seit Jahrzehnten übernehmen? Warum werden keine Alleinerziehenden mit Preisgeldern bedacht, die sie viel besser gebrauchen könnten? Warum nicht Witwer, die sich allein um mehrere Kinder kümmern müssen?

Die Welle der Empörung, die in der Folge durch die sozialen Medien schwappte, ist beispiellos. Unter dem Hashtag #Spitzenvater wurde gelacht, gelästert und gespottet. Dabei geht es Kritikern wie Befürwortern im Grunde um dieselbe Sache.

Ein Mann geht Vollzeit in Elternzeit – dafür braucht es keinen Preis

Sie alle haben das Ziel, die berufliche und familiäre Gleichstellung von Mann und Frau zu erreichen. Sie wollen Wahlfreiheit für alle. Sie wollen, dass es selbstverständlich wird, dass ein Mann Vollzeit in Elternzeit geht. Dass es dafür Preise braucht? Umstritten.

Die Kritiker sagen, es müsste selbstverständlich sein, dass auch Väter mal ihren Frauen den Rücken freihalten, dafür bedürfe es keiner Auszeichnungen. Die Befürworter halten dagegen, dass es de facto nun einmal auch 2019 in Deutschland noch nicht selbstverständlich sei, dass Väter in der Karriere zurückstecken, wenn Kinder kommen.

Ein Paar bricht mit tradierten Rollenklischees und kann andere so ermutigen

Zwar steigt hierzulande die Zahl der Väter, die Elternzeit nehmen – drei von vier Männern nehmen diese aber nur zwei Monate lang. Und auch Astronautin Dr. Insa Thiele-Eich erzählt im Gespräch, dass sie auf Veranstaltungen immer wieder gefragt werde, wo denn ihr Baby sei. Bei der Oma? Beim Babysitter? Nein. Beim Vater!

Kann diese Auszeichnung also doch einfach ein positives Beispiel sein? Eines, das zeigt, dass hier ein Paar mit tradierten Rollenklischees bricht und das damit andere ermutigen kann, es ihnen gleichzutun? Dr. Insa Thiele-Eich und ihr Mann hatten genau diesen Gedanken, als sie sich entschlossen, den Preis – für den im Übrigen jeder jeden vorschlagen kann – anzunehmen.

Insa Thiele-Eich: „Ein Cousin hat uns die Augen geöffnet“

„Erst ein Cousin, der nach der Einführung des Elterngeldes 2007 direkt ein Jahr Elternzeit nahm, öffnete uns die Augen“, sagt Thiele-Eich. Bereits beim ersten Kind, als sie noch an ihrer Doktorarbeit saß, nahm ihr Mann ein ganzes Jahr Elternzeit. „Wir brauchten dieses positive Beispiel, um diesen Weg auch als Option für uns zu sehen“, sagt die Astronautin.

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Genau darum geht es auch der Initiatorin der Spitzenvater-Ehrung, Ulrike Detmers, die den Preis in diesem Jahr bereits zum 14. Mal verlieh: „Hier bricht ein Paar mit tradierten Rollenklischees und lebt vor, wie sich Berufs- und Familienarbeit partnerschaftlich teilen lassen.“

Unglückliche Erstberichterstattung hat Netz-Debatte entfacht

Daniel Eich könne mit der Auszeichnung ein „pionierhaftes Vorbild für Männer“ sein, so heißt es in der Begründung der Jury, „die sich dafür einsetzen, dass Frauen in einem für sie ungewöhnlichen Berufsbereich erfolgreich sein können.“

Erst durch eine unglückliche Erstberichterstattung über die Preisverleihung rückte diese Intention in den Hintergrund. Darin hieß es, Dr. Insa Thiele-Eich könne 2020 nur ins All, „weil ihr Mann sich um die drei Kinder kümmert“. Damit wurde im Netz etwas losgetreten, das zum Teil bis heute anhält.

Familienbetrieb: „Ich dachte ja, Dr. Insa Thiele-Eich fliegt ins All, weil sie kompetent ist – mein Fehler“

„Ich dachte ja, Dr. Insa Thiele-Eich fliegt ins All, weil sie kompetent ist, in einem aufwändigen Verfahren ausgewählt wurde und ein knallhartes Training absolviert. Aber anscheinend doch nur, weil ihr Mann Elternzeit nimmt. Sorry, mein Fehler“, twitterte Christian Hanne auf dem Account seines Blogs „Familienbetrieb“.

Der Tweet wurde über eintausend Mal geteilt und entwickelte eine Eigendynamik. Denn plötzlich ging es nicht mehr um den Kern des Preises, der Männer bestärken will, die ihren Frauen den Rücken freihalten, um Karriere zu machen. Jetzt ging es nur noch um die Wortwahl und die vermeintliche Degradierung einer überaus kompetenten und erfolgreichen Frau.

dasnuf: „Solche Männer sollten unsere Verbündeten sein – strategisch“

Bloggerin Patricia Cammarata von „dasnuf“ widmete dem Fall denn auch gleich einen ganzen Beitrag. Darin schreibt sie: „Zu meinem eigenen Erstaunen denke ich in der Zwischenzeit: Wenn Männer entgegen Klischees leben, ist das eine gute Sache. Sollen sie von mir aus 5.000 Euro bekommen“

Und weiter: „Seit 2016 habe ich viel darüber nachgedacht, ob es irgendwie gut ist, wenn es gleich eine Presseerklärung und Geld gibt, wenn ein Vater ausnahmsweise mal tut, was Generationen von Frauen aufs Selbstverständlichste als Mütter tun. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass solche Männer unsere Verbündeten sein sollten. Nicht von Herzen, aber strategisch. Denn letztendlich arbeiten wir am gleichen Ziel.“

Insa Thiele-Eich: „Heftige Reaktionen zeigen, dass es gut war, den Preis anzunehmen“

Nach der ersten großen Empörungswelle werden die Worte im Netz versöhnlicher: Das bekommt auch Insa Thiele-Eich mit: „Uns haben nun auch etliche Zuschriften erreicht, in denen uns Väter und Mütter danken, dass wir hier auch öffentlich machen, wie gleichberechtigt wir leben“, erzählt sie.

Mit den heftigen Reaktionen zu Anfang und der Hartnäckigkeit, mit der auf der Erstberichterstattung herumgeritten wurde, hatte sie nicht gerechnet. „Das zeigt uns aber im Grunde nur einmal mehr, warum es gut war, den Preis anzunehmen.“ So habe sie nun die positive Hoffnung, dass sich dieser kurzfristige Sturm im Netz am Ende in einen dauerhaften Windstoß in Richtung Gleichberechtigung verwandle. „Es wäre schön, wenn die Energie, die jetzt in die Aufregung über diesen Preis gesteckt wird stattdessen in konkrete gesellschaftliche Veränderungen umgewandelt würde.“ 

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