Tipps zur EinschulungZehn Fragen, die sich Erstklässler-Eltern jetzt stellen

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Langsam gehen in den ersten Bundesländern die Sommerferien zu Ende. Die Einschulung steht an.

Langsam gehen in den ersten Bundesländern die Sommerferien zu Ende. Die Einschulung steht an.

In vielen Bundesländern wurden die Erstklässler bereits eingeschult. In Berlin ist es am Samstag, 5. September, soweit. In den kommenden Tagen und Wochen beginnt für an die 700.000 Kinder eine aufregende Zeit: der erste Schultag. Während sich die Kinder vor allem auf Schulranzen und Zuckertüte freuen, stellen sich Eltern jetzt tausend Fragen. Wir versuchen sie zusammen mit einer Expertin zu beantworten: Laura Pinnig ist Grundschullehrerin in Berlin, engagiert sich im Vorstand der Lehrer-Gewerkschaft GEW und ist selbst Mutter.

Wie können Eltern einen erfolgreichen Start in die Schulzeit vorbereiten?

Laura Pinnig: Die Morgensituation ist wichtig. Die Schule beginnt ja früh. Wenn die Kinder das nicht gewohnt sind, dann sollten Eltern das frühe Aufstehen in den Wochen vor dem Schulstart trainieren. Nicht nur früh aufstehen, die Familie muss auch darauf achten, zügig in die Pötte zu kommen: Frühstücken, Zähneputzen, Anziehen. Ich finde es wichtig, dass Erstklässler von Anfang an lernen, pünktlich zur Schule zu kommen und nicht auf dem letzten Drücker durch die Tür zu stürzen. Das kann man üben.

Es ändert sich ja alles: neue Bezugspersonen, neue Kinder, ein neues Gebäude, ein anderer Weg dorthin. Wie kann ich einem schüchternen Kind den Übergang erleichtern?

Pinnig: Wenn Eltern ein besonders schüchternes Kind haben, dann sollten sie sich dafür einsetzen, dass ihr Kind mit bekannten Kindern, aus dem Kindergarten oder aus der Nachbarschaft, in eine Klasse kommt. Das kann man schon bei der Schulanmeldung erwähnen. Wichtig ist auch, dass die Eltern selbst signalisieren, dass sie keine Angst haben. Wenn man dem Kind immer sagt: „Wird schon alles gut gehen“ oder „Wird nicht so schlimm“ dann suggeriert man dem Kind, dass da irgendetwas schlimm sein könnte.

Seien Sie stolz auf Ihr Kind und vermitteln Sie ihm, dass es jetzt groß ist. Auch die Kommunikation zwischen Eltern und Lehrern ist wichtig. Das Kind soll merken: Mensch, Mama und Papa vertrauen dem Lehrer, da kann ich ihm auch vertrauen. Wer von zuhause ein negatives Schulbild vermittelt bekommt, hat viel größere Hemmschwellen.

Stillsitzen, Frust wegen schlechter Noten, Schulregeln – Kinder müssen sich viele neue Fähigkeiten aneignen. Wie können Eltern das fördern?

Pinnig: Ich merke schon, dass Kinder, die zuhause zum Beispiel Brettspiele mit ihren Eltern spielen, dass diese Kinder viel besser in der Schule klarkommen. Der Klassiker „Mensch ärgere Dich nicht“ ist eine tolle Vorbereitung. Die Kinder lernen spielerisch den Umgang mit Mengen. Sie müssen ja bis sechs zählen und ihre Figur selbst setzen. Aber viel wichtiger ist, dass sie verlieren lernen. Das ist ganz wichtig. In der Schule läuft auch nicht alles rund. Manches fällt einem Kind zu, anderes eben nicht. Manche Sachen sind schwierig. Und diese Erfahrung, dass etwas schwierig ist. Das müssen Kinder aushalten können. Das kann man beim Brettspielen gut üben.

Eigener Schreibtisch, Küche, Wohnzimmer? Wo der ideale Ort für die Hausarbeiten ist, lesen Sie auf der nächsten Seite!

Wie verhindere ich denn Schulfrust bei Kindern?

Pinnig: Weg mit dem Leistungsdruck! Ich habe oft mit besorgten Eltern zu tun, die sich ständig fragen, ob ihr Kind genug lernt. Mich haben schon Eltern von Erstklässlern gefragt, ob das Kind den Weg zum Abitur schaffen würde. Ich finde es schwierig, wenn der Leistungsdruck in der Grundschule schon so groß ist. Und nur weil ein Kind in der 1. Klasse Schwierigkeiten hat oder keine Schwierigkeiten hat, kann ich nicht sagen, wie die Prognose für die Oberschule sein wird. Da merke ich, dass der Druck so groß wird. Und den spüren die Kinder. Lesen und Schreiben sind ganz wichtige Fähigkeiten und das lernen die Kinder in der ersten und zweiten Klasse. Und darauf sollte man stolz sein! Da sollte der Fokus drauf liegen. Für die Kinder ist das Erreichen dieses Ziels großartig.

Wie helfe ich meinem Kind bei den Hausaufgaben? Was ist meine Aufgabe als Elternteil?

Pinnig: Das Wichtigste ist: Die Kinder sollten in der Lage sein, die Aufgaben selbstständig zu machen. Das ist im Schulgesetz so vorgeschrieben. Auf gar keinen Fall sollen Eltern oder ältere Geschwister die Hausaufgaben machen. Dann kann ich die Leistung des Kindes nicht richtig einschätzen. Seien Sie lieber ehrlich und schreiben unter die Hausaufgaben: Mein Kind hat die Aufgaben nicht verstanden oder konnte die Aufgaben nicht lösen. Anstatt sie selber zu machen. Das verwirrt.

Braucht ein ABC-Schütze einen eigenen Schreibtisch?

Pinnig: Kinder brauchen nicht unbedingt in der ersten Klasse einen Schreibtisch, das wäre zwar toll, aber es reicht, dass ein ruhiger Ort vorhanden ist. In der Küche oder im Wohnzimmer, ganz egal. Ein ruhiger Platz wo die Hausaufgaben gemacht werden können. Wichtig ist auch, dass sich die Eltern ruhig mal Zeit nehmen, um gemeinsam ein kleines Diktat zu üben.

Wieviel Zeit soll ich für die Hausaufgaben einplanen?

Pinnig: 15 Minuten reichen. Ich sage den Eltern: Wenn das Kind die Hausaufgaben nicht in einer Viertelstunde schafft, dann schreiben sie es einfach drunter. Auch wenn man übt, das Einmaleins oder Lesen, auch da reichen 15 Minuten. Klar, manchmal gibt es auch Aufgaben, die länger dauern, wenn gebastelt wird zum Beispiel. Eltern sollen nicht vergessen, dass Spielen auch sehr wichig für die Entwicklung ist.

Was Eltern tun können, wenn das Kind sich weigert in die Schule zu gehen. Lesen Sie auf der nächsten Seite weiter.

„Ich will nicht mehr in die Schule!“ – das ist die Horrorvorstellung von Eltern. Was mache ich, wenn mein Kind nach zwei Wochen partout nicht mehr in die Schule gehen will.

Pinnig: Die meisten Kinder, die eingeschult werden, freuen sich auf die Schule. Es gibt aber in jedem Jahrgang ein Kind, das gar nicht in die Schule will. Das steht weinend im Klassenraum und will nicht bleiben. Da ist es wichtig, Zuversicht und Vertrauen aufzubauen. Bei den meisten Kindern verfliegt auch nach ein paar Wochen die Anfangseuphorie. Das ist normal. Da kann ich die Eltern beruhigen. Die Kinder kommen in einen Trott und finden Schule nicht mehr so toll.

Aufpassen müssen Eltern und Lehrer wenn Kinder massiv die Schule ablehnen. Da muss man sehr sensibel nachfragen. Woran liegt das? Es gibt ja Fälle von Mobbing. Oder, dass Kinder auf dem Weg zur Schule von anderen Kindern bedroht werden. Manchmal erzählen Klassenkameraden auch Gruselgeschichten vom „schwarzen Mann“, der auf den Toiletten wartet. Und einige Kinder glauben das und gehen dann tatsächlich nicht mehr aufs Schulklo, weil sie Angst haben. Und weil sie sich nicht trauen aufs Klo zu gehen, wollen sie nicht mehr in die Schule gehen. Das hat nichts mit der Schule, dem Unterricht zu tun.

Wie können Eltern dann reagieren?

Pinnig: Schnell reagieren! Bloß nicht schleifen lassen. Bloß nicht relativieren. Immer nachfragen, das Kind ernst nehmen und unbedingt den Lehrer informieren.

Was sollen Kinder denn können, wenn sie in die Schule kommen?

Pinnig: Ein gewisses Maß an Selbstständigkeit, vor allem Anziehen und Ausziehen. Wir merken im Sportunterricht, dass einige Kinder es nicht gewohnt sind, sich alleine an- und auszuziehen. Aber wir können nicht helfen. Dazu sind die Gruppen zu groß. Das können wir nicht leisten. Die Kinder müssen sich komplett aus- und anziehen können. Die Mädchen haben manchmal auch so komplizierte Kleider an. Da verheddern die sich und kriegen den Knopf auf dem Rücken nicht zu.

Womit kämpfen Kinde noch, wenn sie in die Schule kommen?

Pinnig: Regeln! Die Schule ist ein Ort, wo Regeln herrschen. Wenn es zuhause keine Regeln gibt, dann haben es die Kinder schwieriger. Kinder, die zuhause alles dürfen und alles bekommen, haben es in der Schule schwer. Ich empfehle Eltern also, schon frühzeitig kleine Regeln einzuführen. „Du hängst Deine Jacke alleine an die Garderobe, das mache nicht immer ich.“ Ich erlebe das bei Familien, die so Laissez-faire leben, die sagen, dass sie ihre Kinder nein-frei aufziehen. Diese Kinder, die ohne nein aufwachsen, haben es schwer. Das geht in der Schule nicht.

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