Schutz oder KontrolleEine App zeigt mir, wo sich meine Teenie-Tochter befindet – ist das ok?

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau steht in einem Büro und schaut auf ihr Smartphone.

Den Aufenthaltsort des Kinds immer im Blick: Ist das in Ordnung oder zu viel des Guten?

Bei Sorgen um das eigene Kind verschwimmt die Grenze zwischen Schutz und Kontrolle. Psychotherapeutin Désirée Beumers erklärt, wo sie liegt.

Ich habe auf dem Handy meiner 15 Jahre alten Tochter eine App installiert, die es mir erlaubt, zu verfolgen, was sie macht und wo sie ist. Mein Partner findet das nicht in Ordnung und sagt, dass ich zu sehr kontrollieren würde. Aber muss ich als Mutter nicht wissen, was meine Tochter gerade so treibt?

Ihr Thema beschäftigt mich in meiner Praxis inzwischen regelmäßig. Viele Eltern versuchen besonders gut, auf ihre Kinder aufzupassen. Dabei kann aber die Grenze zwischen Schutz und Kontrolle leicht verschwimmen.

Désirée Beumers

Désirée Beumers

mehr

In der UN-Kinderrechtskonvention über die Rechte des Kindes ist unter anderem die Privatsphäre geregelt. Diese betrifft auch das Handy, das Tagebuch oder Briefe Ihres Kinds. All das dürfen Eltern nicht ohne Erlaubnis einfach so durchlesen. Erschwerend kommt hinzu, dass man in Chatverläufen nicht nur die Gedanken des eigenen Kinds lesen kann, sondern auch die des Gesprächspartners.

Eigene Ängste oder berechtigte Sorgen um das Kind?

Trotzdem sind Sie als Eltern für das Wohl Ihres Kindes verantwortlich. Das benötigt Fingerspitzengefühl. Stellen Sie sich ganz selbstkritisch die Frage, woher Ihr Bedürfnis kommt, Zugriff auf das Handy Ihrer Tochter zu haben. Machen Sie sich berechtigte Sorgen? Oder sind es vielleicht doch mehr Ihre eigenen Ängste, die Sie damit zu kompensieren versuchen?

Haben Sie tatsächlich die konkrete Sorge, dass sich Ihr Kind in Gefahr bringt oder gefährliche Inhalte konsumiert, sprechen Sie es darauf an und schauen Sie sich gemeinsam an, was sich auf dem Handy befindet. Doch tun Sie es niemals ohne das Wissen und hinter dem Rücken Ihres Kinds.

Ähnliches gilt für die Standortkontrolle. Natürlich ist es für Eltern oft ganz schön schwierig, nicht genau zu wissen, was das eigene Kind macht oder mit wem es sich unterhält. Aber Ihr Job ist es, auch zu lernen, diese Unwissenheit auszuhalten und Ihrem Kind den Raum zu geben, dass es „Nein!“ sagen darf. Wo sonst soll es lernen, wie das geht, wenn nicht in der eigenen Familie?

Vertrauen lässt Kinder zu mutigen, selbstbewussten jungen Menschen werden

Mit einer Tracking-App liegt die Gefahr nahe, dass Sie Ihrem Kind damit das Gefühl vermitteln, Sie trauten ihm nicht. Freiraum hingegen vermittelt auch eine Botschaft: „Du kannst das, ich traue dir das alleine zu!“ Nur so erziehen Sie Kinder zu mutigen, selbstbewussten jungen Menschen.

Außerdem birgt, was auf den ersten Blick nach Sicherheit klingt, durchaus Risiken. Eltern, die sich bei Standort-Trackern um den Datenschutz sorgen, tun das nicht grundlos. Dritte könnten beispielsweise Zugriff auf den Aufenthaltsort Ihres Kinds erhalten oder dessen Anzeige manipulieren.

Bringen Sie Ihrer Tochter genug Medienkompetenz bei, sodass sie selbst gute Entscheidungen im Netz trifft. Sprechen Sie sich zu Aufenthaltsorten und Zeiten ab, und schenken Sie ihr Vertrauen. Es ist wichtig, dass sie sich unter Ihrem Schutz ausprobieren darf. Wie soll sie sonst ihren Alltag meistern, wenn sie erst einmal 18 ist und Sie sie ohnehin nicht mehr kontrollieren dürfen?

Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung. Die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald sind versiert in der Beratung rund um Liebe, Beziehung und Partnerschaft. Der Urologe Volker Wittkamp kennt sich mit allem aus, was Liebe mit unserem Körper macht – und umgekehrt. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt! Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.

KStA abonnieren