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Kölner Väter-Verein„Viele Männer möchten präsente Väter sein, wissen aber nicht wie"

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Ein Vater macht mit seinen Kindern Seifenblasen.

„Männer haben Kinderbetreuung oft nicht von ihren Vätern beigebracht bekommen. Sie müssen das erst lernen“, sagt der Vorsitzende des Vereins „Väter in Köln“.

Köln – Zwischen traditionellen und modernen Rollenmodellen, starren Arbeitsstrukturen und großen Erwartungen ist es für heutige Väter gar nicht so leicht, ihren eigenen Weg zu finden. Da brauchen sie vor allem Vorbilder und Unterstützung von anderen Vätern, sagt Jürgen Kura, der Vorsitzende des Vereins „Väter in Köln“. Ein Gespräch. Wie aktiv sind die Kölner Väter? Jürgen Kura: Die Kölner Väter gehören mit zu den aktivsten in Nordrhein-Westfalen. Nicht nur gehen in Köln Väter vermehrt länger als zwei Monate in Elternzeit, viele nehmen auch an Geburtsvorbereitungskursen teil und engagieren sich in Vorständen von Elterninitiativen, im Jugendamtselternbeirat oder in unserem Verein „Väter in Köln e.V.“. Man kann sagen: Hier in Köln sind die neuen Väter längst angekommen.

Warum gibt es gerade hier so viele Väter, die längere Elternzeiten nehmen?

Das liegt zum einen an den guten ökonomischen Bedingungen in Köln, die meist zu einer hohen Elternzeit-Beteiligung von Vätern führt. Das ist auch in Städten wie Münster und Bonn zu beobachten. Zum anderen ist Köln eine Universitätsstadt, in der sich viele junge Familien bilden. Und dort, wo viele jüngere Menschen leben, gibt es auch ein moderneres Rollenmodell.

Ein weiterer Grund ist, dass wir hier in Köln nicht nur eine klassische Industrieregion sind, sondern es auch Dienstleistungsunternehmen und die Kreativbranche gibt – also Bereiche, in denen Flexibilität dazugehört und nicht in starren Strukturen gedacht wird. Gerade Informatiker oder Ingenieure haben oft einen so hohen „Marktwert“, dass sie es sich leisten können, das „Risiko“ einzugehen, auch länger aus dem Job auszuscheiden. Mehr noch sind in diesen Branchen familienfreundliche, flexible Strukturen oft sogar Teil der Firmenphilosophie, um beim Ringen um Fachkräfte zu bestehen.

Bei Ihnen im Verein „Väter in Köln“ können sich Papas treffen und vernetzen. Warum braucht es diesen exklusiven Raum für Väter?

Männer begegnen sich ja sonst hauptsächlich in beruflichen Zusammenhängen, da bleibt wenig Platz für Privates. Gerade als neuer Vater ist Kommunikation aber wichtig, um sich der eigenen Rolle bewusst zu werden. So vieles ist neu, wenn man ein Kind bekommen hat. Die Väter merken, da kommen andere Ansprüche auf sie zu, sie müssen vieles mit der Partnerin neu aushandeln und die Situation mit kleinem Kind ändert sich tagtäglich. Männer aber haben Kinderbetreuung oft nicht von ihren Vätern beigebracht bekommen. Sie müssen das erst lernen. Da hilft es ihnen, sich mit anderen erfahrenen Vätern auszutauschen und etwas von ihnen abzuschauen, ohne sich belehrt zu fühlen.

Haben Männer nicht auch gute Freunde, mit den sie sich austauschen?

Freizeitkameraden hat jeder. Aber nicht alle Männer haben gute Freunde, mit denen sie offen über ihre Gefühle und Probleme reden können. Und wenn, dann sind die nicht immer auch zugleich Väter.

Kennen sich die jüngeren Väter nicht schon besser aus mit den neuen Rollenmodellen?

Was die Aushandlung von Rollenmodellen und die Gleichwertigkeit der Partner betrifft sind die jüngeren Männer moderner. Aber es gibt dennoch bei ihnen nicht automatisch ein besseres Wissen über das Vatersein. Viele Männer möchten neue, präsente Väter sein, aber wissen gar nicht, wie es geht.

Videoreihe „Vätersache“

In der Interviewreihe „Vätersache“ von „vaeter.nrw“ erzählen zehn ganz verschiedene Väter aus Nordrhein-Westfalen über ihr Vater-Sein.

Und Ihr Verein möchte sie dabei unterstützen?

Auf jeden Fall. Wir wollen aber nicht nur, dass es den Vätern gut geht, sondern wir machen es vor allem für die Kinder, damit sie gut aufwachsen und zwei gleichwertige Elternteile haben. Wenn sich ein Vater bei uns in der Gruppe beklagt, dass sein Kind schlecht schläft, dann liegt der Fokus nicht darauf, wie der Vater besser durchschlafen kann, sondern darauf, zu vermitteln, in welcher Entwicklungsphase das Kind gerade ist. Natürlich geht es da auch um Prävention. Wir sorgen dafür, dass die Väter sich sicherer fühlen, dass sie einen Spielraum an Handlungsmöglichkeiten lernen. Auf diese Weise wird letztlich das Wohl des Kindes gestärkt. Wir wollen die Väter darin unterstützen, ihr Kind zu schützen und es in seiner Entwicklung zu fördern.

Wie erleben Sie solche Väter-Treffen?

Für die Väter bei unseren Treffen ist es toll, einfach mit anderen Vätern in einem Raum oder auf dem Spielplatz zu sein und zu sehen, wie die mit ihren Kindern umgehen. Zu erleben, dass sie die gleichen Fragen und Sorgen haben. Die Männer haben auch eine unglaubliche Solidarität untereinander. In Kursen mit anderen Müttern fühlen sie sich zum Teil beobachtet und beurteilt. Man merkt es deutlich, wie Väter von Mal zu Mal lockerer und selbstbewusster im Umgang mit ihren Kindern werden. Vor Corona hat regelmäßig ein Väter-Café stattgefunden und wenn ich dort war, fand ich es immer unglaublich schön, einen Raum voller Väter mit glücklichen Kindern zu sehen. Es hatte wirklich etwas Magisches.

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Worüber tauschen sich die Väter denn so aus?

Väter reden genauso wie Mütter über alle Themen des Alltags mit Kind, wie etwa Einschlaf-Rituale, Beikost, Kita-Wahl oder Windeln. Über Fragen und Probleme in der Partnerschaft sprechen sie dagegen eher nicht so gerne in der großen Gruppe. Auch weil sie es nicht gewohnt sind, Ängste und Schwächen zuzugeben. Und ich habe manchmal den Eindruck, dass sie glauben, ihr Problem sei nicht wichtig genug, sie würden die anderen nerven und die gute Stimmung verderben. Aber sie lästern niemals übereinander.

Jetzt in Corona-Zeiten fallen reale Treffen ja weg, wie halten die Väter Kontakt?

Zu Corona-Zeiten halten wir sehr intensiv Kontakt über eine Messenger-Gruppe, im Augenblick mit 190 Vätern. Außerdem haben wir regelmäßige Video-Meetings am Abend zu verschiedenen Familien-Themen. Dazu laden wir Expertinnen und Experten aus Pädagogik und Psychologie ein – je nach Bedarf. Wir möchten ein virtuelles Dorf für die Väter sein. Einige haben mir geschrieben, dass diese Gruppe sie während der Pandemie oder in der Quarantäne „vor dem Durchdrehen gerettet“ habe. Wir bieten auch persönliche Beratung an und vermitteln ggf. an Beratungsstellen oder Therapeuten weiter. Die Väter wissen, dass sie bei uns gut aufgehoben sind.

Werden die virtuellen Treffen gut angenommen?

Die Väter wünschen es sich sehr, sich bald wieder in echt treffen zu können, aber die Online-Meetings werden sehr gut angenommen. Und sie haben Vorteile. Es kommen immer neue Väter dazu, die bisher noch nicht dabei waren. Die Schwelle ist nicht so hoch, auch weil der virtuelle Raum nicht mit einem Geschlechterbild besetzt ist. Es ist ein Unterschied, ob ich in eine Familienbildungsstätte oder eine Kita zu einem Treffen gehe oder ob ich mich vor den heimischen Computer setze.

Haben Sie den Eindruck, Väter bleiben auch weiter ein aktiv, wenn die Kinder größer sind?

Ja. Wenn sie es einmal begriffen haben, wenn die Bindung zum Kind da ist, dann ist das nicht mehr rückgängig zu machen. Das bringt eine dauerhafte Veränderung im Sinne aktiver Vaterschaft und Gleichstellung mit sich. Da fällt mir ein Vater ein, der, bevor er zu uns kam, neben seinen Kindern her gelebt hat. Sie waren für ihn nur eine Art Störfaktor, er hat extra Überstunden gemacht, um sie weniger zu sehen. Jetzt aber ist er vollkommen präsent, nimmt die Kinder wahr und begreift, wie schön das ist. Diese Transformation ist total faszinierend und gut für die ganze Familie.

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