Eine ganz normale künstliche VerbindungWie Chips im Gehirn gelähmten Menschen helfen können

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Illustration: Silhouette eines Kopfs, in dem ein Chip zu sehen ist

Chips im Gehirn können gelähmten Menschen helfen, eine Verbindung zu einem Computer und damit zur Welt herzustellen.

Mit der Kraft der Gedanken einen Computer steuern: Dank eines Chips ist das für Gelähmte möglich. Eine natürliche künstliche Alltagshilfe.

Noland A. scheint allerbester Laune zu sein. Vor allem aber: Er wirkt vollkommen normal. Und das ist in seinem Fall nicht selbstverständlich.

Denn der 29-Jährige hat einen Chip im Gehirn. Einen Computerchip, der sein Leben nun zum zweiten Mal verändern soll. Das erste Mal war vor acht Jahren. Seither ist er nach einem Unfall „tetraplegisch“ – seine Arme und Beine sind vollständig gelähmt. Er braucht Hilfe bei jeder Aktion, vom Waschen bis zum Essen.

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“. ...

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Eines aber hat sich geändert: Noland kann jetzt nur mit der Kraft seiner Gedanken einen Cursor auf einem Computerbildschirm bewegen. Das klingt nicht nach viel, ist aber für den jungen Mann ein Durchbruch, zumindest ein erster Schritt. Denn nun kann er über den Cursor den Computer mit seinen Gedanken steuern. Nicht mit den Händen, die er nicht bewegen kann. Noland sagt selbst, er liebe Computerspiele. Und die kann er jetzt wieder spielen. Ein kleiner Teil des Lebens ist zurück.

Die Verbindung zur Welt wiederherstellen

Ein Durchbruch ist das noch nicht, was die US-amerikanische Firma Neuralink gerade vorgestellt hat. Und Noland ist auch nicht der typische Patient für diese Technik. Das wären Menschen, die nicht nur gelähmt sind, sondern solche, die auch nicht mehr sprechen können.

Für diese Menschen würde eine Verbindung zwischen dem Gehirn und einem Computer (und nichts anderes ist der genannte Chip) die Verbindung zur Welt wieder herstellen: Sie könnten über einen Computer reden, diskutieren, flirten. Und vielleicht singen. Dafür reicht ein durch Gedanken bewegbarer Punkt natürlich nicht aus. Es müssen viele Punkte sein, viele Gedanken, die in Signale übersetzt werden.

Auch das gibt es schon: Neurowissenschaftler haben einer Patientin EEG-Elektroden auf die Oberfläche des Gehirns gelegt. Sie musste Texte vorlesen (in Gedanken, sprechen konnte sie nicht) und hat damit eine Künstliche Intelligenz auf ihre Gedanken trainiert. Schließlich konnte sie ohne eigene Stimme durch den Computer sprechen, nur mit der Kraft ihrer Gedanken – mit vielen Fehlern zwar, aber nicht mühsam Wort für Wort, sondern ganz natürlich.

Eine ganz natürliche künstliche Verbindung

Das Erstaunlichste ist aber, wie die Patienten diese künstliche Verbindung zum Computer wahrnehmen: als ganz natürlich. Noland musste natürlich trainieren, den Punkt auf dem Bildschirm in seinem Sinne zu bewegen. Aber nachdem er das geschafft hatte, war es für ihn irgendwie ganz normal.

Und genau das ist das Entscheidende: Verbindungen vom Gehirn zum Computer – mit denen die Betroffenen etwa einen künstlichen Arm, einen Rollstuhl oder eine künstliche Stimme kontrollieren – werden ganz normal sein. Das Gehirn stößt diese „Erweiterung“ des Körpers nicht ab, sondern akzeptiert sie nach kurzer Zeit. Es gibt einen skurrilen Versuch, bei dem der Proband eine künstliche Plastikhand unterbewusst für seine eigene hält – nur dadurch, dass sie immer wieder gleichzeitig mit der (nicht sichtbaren) echten berührt wurde.

Die Verbindung vom Gehirn zum Computer zur Steuerung von Hilfsmitteln wird schon bald normal sein. Der erste Schritt ist längst getan.