Coronavirus fordert uns alle„Ich gehöre zur Risikogruppe und kenne meine Aufgabe”

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- Das Coronavirus verlangt der modernen Gesellschaft eine Solidarität ab, wie sie nur selten von ihr gefordert wird.
- Doch gerade in Zeiten der Not haben Menschen oft gezeigt, dass sie zu erstaunlichen Gemeinschaftsleistungen fähig sind.
- Unser Autor Frank Nägele gehört zur Risikogruppe - und er weiß, was er in den kommenden Wochen zu tun hat.
Vor ein paar Tagen hat der Kölner Professor Gerd Fätkenheuer zur Coronakrise gesagt: „Wenn wir das als Gesellschaft meistern wollen, dürfen wir nicht nur ans eigene Wohl denken … Es ist eine Kulturleistung, die uns da jetzt als Gesellschaft abverlangt wird.“ Diese Sätze des hervorragenden Mediziners, der mit seinem Kampf gegen einst tödliche Infektionen dabei geholfen hat, vielen Menschen das Leben zu retten, sind ein Aufruf zu einer Form von Solidarität, wie sie unserer modernen Zivilisation selten abverlangt worden ist.
Der Verzicht hat den Konsum über Nacht als Ideal abgelöst. Die Egozentrik der totalen Selbstverwirklichung wird für Monate ruhen müssen. Das fällt schwer. Niemand ist daran gewöhnt. Wenn man es biblisch oder sportlich sieht, je nach persönlicher Weltsicht, befinden wir uns in einem Test, der unseren Wert als Gemeinschaft bestimmt. Die Perfidie dieses Virus mit dem Namen Sars-CoV-2 besteht darin, dass es zwei Bevölkerungsgruppen mit besonderer Härte trifft: Die Alten und die Kranken. Alle anderen, denen eine Corona-Infektion eher wenig anhaben kann, werden jetzt mit darüber entscheiden, wie viele der Alten und Kranken diese Epidemie überleben.
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Das ist es, was Professor Fätkenheuer mit „Kulturleistung“ meint. Ich habe das auch erst vor ein paar Tagen richtig verstanden, als die Wissenschaftler das Wort übernahmen und uns die Dinge auf eine Art erklärten, wie es die Politiker nicht konnten. Es war bezeichnenderweise der Fußball, an dem die Dramatik der Bedrohung für alle deutlich wurde. Erst als Bilder leerer Stadien zu sehen waren; als Übertragungen von Spielen ohne Publikum die Zuschauer verwirrten, da begannen die Leute eine Ahnung davon zu bekommen, was uns bevorsteht.
Die direkt Beteiligten wehrten sich bis zuletzt, sogar in Form unsachlicher Bewertungen auf der Ebene von Gesundheitsämtern, die dank unseres föderalen Systems hier in Deutschland darüber zu entscheiden haben, ob Veranstaltungen abgesagt werden. Das zeigt, wie langsam die Wahrheit ins öffentliche Bewusstsein sickert. Viele Fans sind auch jetzt noch der Meinung, ihr Klub sei wichtiger ist als Corona. Und ich vermute, die Stadien wären schlagartig voll, wenn man sie wieder öffnen würde. Deshalb müssen sie geschlossen bleiben. Man kann von Menschen im Fußball nicht notwendig rationale Bewertungen erwarten. Deshalb nennt man sie Fans, aus dem Englischen von: Fanatics.
Professor Fätkenheuer, den ich einmal als Patient der Kölner Uni-Klinik kennengelernt habe, woran er sich aber bestimmt nicht erinnert, hat mir Folgendes klargemacht: Mein Auftrag ist es, Leben zu beschützen. Der Auftrag meiner Mitmenschen ist es, mein Leben zu beschützen.
Dass ich als Mensch mit einer beherrschbaren, aber chronischen Krankheit selbst zur Gruppe der besonders Gefährdeten gehöre und im 60. Lebensjahr ohnehin ein erhöhtes Risiko für einen schweren Corona-Verlauf trage, tut wenig zur Sache. Das Beste, das ich für die Gesellschaft tun kann, ist, mich nicht zu infizieren und damit eine mögliche Infektionskette mit unkontrollierbarem Verlauf gar nicht erst entstehen zu lassen. Dafür werde ich einige Monate lang auf Gewohnheiten verzichten und viel Zeit zu Hause verbringen. Persönlich wird auch das herausfordernder als bisher, weil ich mich vor dem Fernseher nicht wie gewohnt von Sportereignissen berieseln lassen kann, denn es werden weltweit fast alle aus gutem Grund abgesagt. Verglichen mit dem Los, das die meisten Menschen auf diesem Planeten tragen, ist das jedoch unerheblich. Mir geht es gut. Ich kann lesen, spazieren gehen, zu Hause Arbeiten, Filme anschauen und über das Geschenk meines Lebens nachdenken.
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Allerdings kam mir in diesen Tagen ein Gedanke, gegen den ich mich gern gewehrt hätte: Da die Tücke dieses Virus darin besteht, vor allem die Alten und Kranken zu treffen und den Jungen und Gesunden eher eine starke Erkältung zu bescheren, wäre die direkte Folge einer ungehemmten Virusausbreitung die dramatische Verjüngung der Gesellschaft mit allen ihren Nebenwirkungen, die sich jeder selbst ausmalen kann. Genau an dieser Stelle wird die Größe der vor uns liegenden Aufgabe klar: Sie liegt in der Verantwortung der Generationen füreinander.
Dies ist die Aufgabe, die uns dieses Virus viel anschaulicher stellt als zum Beispiel die Problematik des Klimawandels: Wir müssen füreinander da sein. In beide Richtungen. Wir müssen für einige Zeit unseren an Spaß und Unterhaltung orientierten Lebensstil ändern. Dazu zählt der Verzicht auf Kicks und die Sucht nach immer neuen Abenteuern. Das wird kurzfristig bei der Bewältigung der Corona-Krise helfen. Und langfristig wäre es gut für den unter uns leidenden Planeten.
In Zeiten der Not haben Menschen oft gezeigt, dass sie zu erstaunlichen Gemeinschaftsleistungen fähig sind. Ich erwarte nicht, dass die nächsten Monate lustig werden. Aber ich glaube, dass die Jüngeren durch vermehrten Verzicht auf Ansteckungsrisiken und durch private Unterstützung für die Gruppe der Älteren und Kranken da sein werden. Es wird nicht alles gut, und nicht jeder wird sich unabhängig von seinem Alter richtig verhalten, aber ich will einfach glauben, dass das Schlimmste verhindert werden kann, bevor wir dann darüber nachdenken können, ob wir danach alle gemeinsam wieder in die alte Normalität verfallen sollten.