Das Feriengefühl in den Alltag retten„Urlaub ist kein Ort, sondern ein mentaler Zustand“

Lesezeit 6 Minuten
Eine Frau steht am Meer und streckt den Kopf Richtung Sonne.

War das schön im Urlaub! Dieses Gefühl darf ruhig noch ein bisschen bleiben.

Manchmal ist die schöne Urlaubserholung direkt am ersten Arbeitstag verflogen. Das geht auch ganz anders, sagt unser Experte.

Der Urlaub war herrlich und erholsam, zufrieden und entspannt kommt man zurück an den Arbeitsplatz. Doch es dauert keinen Tag, da pfeift man bereits wieder aus allen Löchern. Der Stress ist zurück, noch bevor der Koffer ganz ausgeräumt ist. Muss das so sein – oder lassen sich Urlaubsgefühle und Erholung auch im Alltag noch eine Weile bewahren? Ein Gespräch mit Neurobiologe und Mentaltrainer Marcus Täuber.

Warum sind viele am ersten Arbeitstag nach dem Urlaub bereits wieder gestresst?

Marcus Täuber: Stressgefühle kommen selten von einer extremen Arbeitsbelastung. Die äußeren Bedingungen des Jobs sind in den meisten Fällen weder körperlich noch geistig auszehrend. Das ist für unser Gehirn eigentlich gut zu bewältigen. Stress und Druck entstehen in uns selbst. Und dafür kann es mehrere Gründe geben. Eine große Rolle spielt zum einen, dass man viel grübelt, sich Sorgen macht und auf negative Gedanken fokussiert ist. Zum anderen löst das, was um den eigentlichen Job herum passiert, häufig Stress aus. Wir sind in den sozialen Medien aktiv oder verfolgen Nachrichten, ständig trudelt eine neue Mail oder Chatnachricht ein.

Und das stresst uns so sehr?

Dadurch prasseln immer neue Informationen auf das Gehirn ein und es ist alarmiert, weil etwas wichtig sein könnte. Das Stresssystem wird hochgefahren. Jede fünftel Sekunde entscheidet das Gehirn, ob es bei dem bleibt, worauf es sich fokussiert oder mit der Aufmerksamkeit woanders hingeht. Und durch die vielen ständigen Ablenkungen sind wir eher darauf trainiert, nicht zu lange bei einer Sache zu bleiben. Wir versuchen Multitasking, aber unser Gehirn ist eigentlich für Single-Tasking gemacht. Das erzeugt Stress und vermindert die Leistungsfähigkeit.

Neurobiologe und Mentaltrainer Marcus Täuber

Dr. Marcus Täuber ist Neurobiologe und Leiter des „Instituts für mentale Erfolgsstrategien“. Er lebt in der Nähe von Wien.

Sollte man die erste Zeit nach dem Urlaub also eher eins nach dem anderen angehen?

Wichtig ist, sich gut zu organisieren, um nicht ständig von Termin zu Termin hetzen zu müssen. Man sollte, wenn möglich, nach dem Urlaub erst Schritt für Schritt wieder reinkommen. Und dabei hilft, sich vor zu vielen gleichzeitigen Reizen abzuschirmen. Um konzentriert bei der Sache bleiben zu können, empfehle ich, beim Arbeiten manche Programme bewusst für eine Zeit zu schließen.

Und wie findet man nach dem Urlaub die Arbeitsmotivation wieder?

Das ist tatsächlich ein schwieriges Thema. Es hängt auch davon ab, ob die Stelle oder Position, die man gerade hat, zu einem passt. Eigentlich sollte Arbeit ja Spaß machen und etwas sein, bei dem wir uns verwirklichen können. Etwas, das unsere eigene Motivation anspricht. Und die hat auch etwas mit unseren eigenen Werten und Bedürfnissen zu tun. Die Frage ist, wie man das, was einem wichtig ist, auch im Arbeitsalltag gut ausleben kann. Richtet man den Fokus darauf, klappt es besser.

Es kann ja auch schön sein, nach dem Urlaub wieder gefordert zu sein…

Genau. Unser Gehirn leistet gerne, Arbeit ist nichts Schlechtes. Wenn man auf Dauer Langeweile hat, ist das auch nicht gut, dann wird man eher nostalgisch, negativ gestimmt oder fühlt sich sogar einsam. Und chronische Langeweile kann sogar krank machen. Es kommt auf die Mischung an.

Lässt sich das Schöne des Urlaubs trotzdem noch ein bisschen in den Alltagstrott mitnehmen?

Zwei Wochen Urlaub bestehen für unser Gehirn aus 400.000 Momenten, aber nur an einen ganz kleinen Teil dieser Momente erinnern wir uns auch später noch gut – nämlich an jene Augenblicke, die wir bewusst aufgesaugt haben. Und das funktioniert im Urlaub besonders gut, weil wir weniger tun, mehr im Moment sind und es nicht so viele Reize von außen gibt. Oft sind das kurze Momente der Langweile, in denen das Gehirn sein Ruhenetzwerk aktiviert und auf innere Bilder und Pläne zurückgreift, in denen oft auch neue Gedanken und kreative Ideen kommen. Und von solchen Augenblicken, die man sich intensiv eingeprägt hat, zum Beispiel den Blick aufs Meer oder den Geruch von salziger Luft, kann man lange zehren. Sie lassen sich im Alltag wieder aufrufen. Und damit auch das Gefühl der Entspannung.

Das klingt schön. Wie geht das denn?

Urlaub ist kein Ort, sondern ein mentaler Zustand. Er ist immer und überall möglich. Jeder Schlaf, jeder Spaziergang im Park, jedes Kuscheln mit dem Hund kann Erholung sein. Die Momente müssen nicht lange dauern, schon sind wir wieder regeneriert. Ich rate, im Alltag regelmäßig solche Erholungsphasen einzubauen.

Klappt das auch, wenn man bei der Arbeit sitzt?

Ja, wir müssen nur zwei, drei Minuten freischaufeln, um in diesen Urlaubsmodus zu gehen. Dazu Augen schließen und bewusst die inneren Bilder aus dem Urlaub aufrufen, dabei tief in den Bauch atmen – dann kommt man wieder in eine Entspannung. Das Element Natur kann hier sehr helfen, zum Beispiel für zwei Minuten einen Blumentopf, ein Naturbild oder ein schönes Urlaubsfoto auf dem Schreibtisch konzentriert anzuschauen. Es gibt viele kleine Achtsamkeitsübungen, die man in den Alltag einbauen kann, zum Beispiel im Stau oder in der Supermarktschlange achtsam in sich hineinspüren: Wie fühlt sich das Lenkrad an? Wie stehen meine Füße? Man kann Stress auch bewusst wegatmen, indem man für ein paar Minuten etwa doppelt so lange ausatmet wie einatmet.

Können auch die Arbeitskollegen helfen, eine entspannte Stimmung zu behalten?

Auf jeden Fall. Wir wollen ja als Menschen und nicht als funktionierende Maschinen betrachtet werden, deshalb ist das Zwischenmenschliche bei der Arbeit so wichtig. Wir sind Teil einer Gemeinschaft und haben ähnliche Ziele, das schweißt zusammen. Wenn ich mich mit Personen umgebe, denen ich vertraue, also etwa mit netten Kollegen einen Kaffee trinke, wird das Bindungshormon Oxytocin produziert und der Stress wird weniger.

Und wie sollte man die Zeit nach Feierabend gestalten – bewusst urlaubsmäßig?

Nach Dienstschluss könnte man so eine Art Schleuse definieren und sich kleine Erholungsphasen holen, zum Beispiel mit einem Spaziergang in der Natur, um nicht daheim sofort wieder in den nächsten Stress mit Hausarbeit und Terminen einzusteigen. Ganz wichtig für unsere Erholung ist auch der Schlaf. Wir sollten auch nach dem Urlaub darauf achten, genug zu schlafen.

Und könnte man den „Urlaubsvibe“ als Anlass nehmen, direkt den nächsten Urlaub zu planen?

Warum nicht, Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Und das kann die Stimmung heben. Aber erholsam ist die Planung des nächsten Urlaubs eher nicht, schließlich muss man aktiv werden, recherchieren und überlegen, was wiederum neuen Stress und Druck auslösen kann.

Buchtipp: Marcus Täuber: „Gute Gefühle – Nutze die emotionalen Stärken deines Gehirns“, erscheint am 14.8.2023, Goldegg Verlag, 200 Seiten, 22 Euro

KStA abonnieren