Abwarten tötet!Erste-Hilfe-Regeln wurden vereinfacht – worauf es im Notfall ankommt

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Eine Person übt die Herzdruckmassage an einer Erste-Hilfe-Puppe.

Wie geht noch mal die Herzdruckmassage? Bei vielen Menschen ist der Erste-Hilfe-Kurs schon lange her.

Je länger der Erste-Hilfe-Kurs zurückliegt, desto unsicherer fühlen sich Menschen. Die wichtigsten Maßnahmen erklärt unser Medizin-Kolumnist. 

Die Techniker Krankenkasse hat gerade eine Befragung veröffentlicht: 1400 Menschen wurden über Erste Hilfe interviewt. Bei jedem vierten lag der letzte Erste-Hilfe-Kurs über 20 Jahre zurück. Je älter, je länger. Aha! Und die zweite Überraschung: Die Leute fühlen sich umso unsicherer, je länger ihre Ausbildung zurückliegt. Welch ein Aufwand, welch ein Erkenntnisgewinn.

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“.

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Der naheliegende Gedanke ist natürlich, mehr Notfallkurse zu fordern. Noch naheliegender könnte es allerdings auch sein, den Menschen in wenigen Sätzen zu erklären, worauf es im Notfall wirklich ankommt. Das wollen wir hiermit tun. Die gute Nachricht dabei ist, dass die Regeln für die Erste Hilfe viel leichter geworden sind.

Ganz oft stehen mehrere Personen um einen Patienten herum, und keiner tut was – der „Zuschauereffekt“. Er kann tödlich sein.

Wenn ein Mensch zusammenbricht und nicht mehr reagiert, wenn er oder sie nicht mehr erkennbar atmet oder eine merkwürdige schnappende Atmung hat, dann liegt wahrscheinlich ein Herzstillstand vor. In diesem Zustand – und das ist neu – wird auch nicht mehr empfohlen, den Puls des Patienten zu fühlen. Einfach deshalb, weil Laien in dieser Situation einen flachen Puls sowieso leicht übersehen. Oder weil sie umgekehrt den eigenen fühlen (was häufig vorkommt). Und weil das Pulssuchen zu viel Zeit kostet.

Ganz oft stehen mehrere Personen um einen Patienten herum, und keiner tut was – der „Zuschauereffekt“. Er kann tödlich sein. Denn beim Herzstillstand stirbt der Patient in wenigen Minuten. Auch der schnellste Notarzt kommt zumeist zu spät. Man muss also wirklich sofort reanimieren, um den Patienten zu retten. Sofort heißt sofort! Die gute Nachricht: Selbst die schlechteste Wiederbelebung ist besser als keine.

Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt die Reanimation für Laien ohne Beatmung

Der Patient muss auf dem Rücken liegen. Sie knien sich seitlich, strecken die Arme (!) und legen die Handgelenke übereinander mitten auf die Brust des Patienten. Dann drücken sie den Brustkorb kurz und so heftig, dass Sie fast Angst haben, den Patienten zu verletzen. Auch wenn etwa eine Rippe bricht: Nur so können Sie sein oder ihr Leben retten.

Wie oft drückt man bei der Herzmassage? Es gilt die 30-und-2-Regel: 30 Mal auf den Brustkorb drücken, zweimal beatmen. Aber auch diese Regel wurde vereinfacht: Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt die Reanimation für Laien ohne Beatmung. Weil viele Helfer sich ekeln und lieber gar nicht reanimieren. Und weil die Beatmung oft nicht funktioniert. Durch den Druck der Herzmassage wird aber nicht nur das Herz, sondern auch die Lunge zusammengedrückt. Eine minimale Atmung gibt es auch so. Wie schnell soll man drücken? Die klassische Empfehlung ist, das Lied „Stayin' alive“ von Bee Gees zu summen und in dessen Rhythmus zu reanimieren. Ganz ähnlich ist aber auch das Tempo von „Atemlos“ von Helene Fischer: etwa zwei Beats pro Sekunde.

Jedes Jahr bekommen etwa 70.000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Die Wahrscheinlichkeit, plötzlich zum Ersthelfer zu werden, ist recht groß. Aber das ist kein Problem: Auch eine kräftige Reanimation ohne Beatmung kann Leben retten. Man muss es nur tun. Sofort!

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