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Studie zeigtHeikle Geheimnisse werden besonders oft ausgeplaudert – woran das liegt

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Geheimnisse

Weißt du schon? Geheimnisse sind auch unter Freunden nicht sicher. 

Köln – „Ich erzähle dir das im Vertrauen, bitte sag' es keinem weiter!“ Mit diesem Satz beginnen viele spannende Gespräche, in denen Geheimnisse ausgetauscht werden. Dass die Freundin eine Affäre hat, zum Beispiel, dass der Kollege am Arbeitsplatz Drogen nimmt oder dass ein befreundeter Geschäftsmann seit Jahren Steuern hinterzieht. Eine neue Studie zeigt nun, dass anvertraute Geheimnisse auch von Freunden oft ausgeplaudert werden – und zwar ganz besonders oft, wenn sie heikel sind. Woran liegt das?

Hinter dem Verrat steckt der Wunsch nach Bestrafung

Es ist der heimliche Wunsch nach Bestrafung, sagen die US-amerikanischen Psychologen Jessica Salerno (School of Social and Behavioural Sciences, Arizona State University) und Michael Slepian (Columbia Business School, Columbia University), die die Untersuchung mit dem Titel „Morality, punishment, and revealing other people’s secrets“ durchgeführt haben. Während man selbst bestrebt sei, seine eigenen unmoralischen Geheimnisse für sich zu behalten, um nicht bestraft zu werden, wolle man unbewusst andere Menschen, die einem ihr Geheimnis anvertrauen, für ihr unmoralisches Handeln bestrafen. Es sei dabei umso wahrscheinlicher, dass ein Geheimnis verraten wird, je mehr die gestandene Tat von den eigenen moralischen Ansprüchen des Zuhörers abweicht.

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Je empörter also jemand über etwas ist, das ihm erzählt wird, desto eher wird er es weitererzählen, um die Person zu bestrafen. Je schlimmer jemand zum Beispiel Untreue und Ehebruch findet, desto wahrscheinlicher ist es, dass derjenige die geheime Affäre der Freundin weitererzählt. „Das ist ein Warnsignal. Wer anderen heikle Geheimnisse anvertraut, sollte sich zuvor über dessen moralische Ansichten und die Übereinstimmung mit den eigenen Werten im Klaren sein“, schreiben die Forscher.

30 Prozent der Geheimnisse werden weitererzählt

Salerno und Slepian untersuchten in insgesamt neun Studien, wann und warum Menschen die Geheimnisse anderer Menschen preisgeben. (Die Fachzeitschrift „Journal of Personality and Social Psychology“ berichtet darüber.) Dazu legten die beiden Psychologen den Teilnehmern verschiedene hypothetische Szenarien, umstrittene Ereignisse aus den Nachrichten (z.B. Hacker, die private Informationen von Bürgern ausspionieren) und Fragen dazu vor, wie die Teilnehmer bisher mit Geheimnissen umgegangen seien, die sie in ihrem Alltag erfahren hatten. Dabei stellte sich heraus, dass die Probanden 30 Prozent der ihnen anvertrauten Geheimnisse nicht für sich behielten. Auch bei nahestehenden Personen verrieten 26 Prozent der Teilnehmer, was ihnen anvertraut worden war. Von den eher harmlosen Geheimnissen blieben 18 bis 27 Prozent nicht geheim. Ging es um Betrug, Lüge oder Untreue, redeten sogar 46 Prozent der Teilnehmer mit anderen Menschen darüber.

Zum Weiterlesen

The Secret Life of Secrets. How our inner worlds shape well-being, relationships, and who we are, Penguin Randomhouse, 28 Dollar. Michael Slepian hat ein ganzes Buch über seine Geheimnis-Forschung geschrieben. Es erscheint im Juni 2022 auf Englisch.

Bleibt die Frage, warum man überhaupt das Bedürfnis hat, jemand anderem ein Geheimnis zu erzählen, wenn die Gefahr des Verrats so groß ist. Rund 60 Prozent der Geheimnisse sind den Forschern zufolge mindestens einem anderen Menschen bekannt. Salerno und Slepian machen gesundheitliche Gründe für den Offenbarungsdrang verantwortlich. Etwas aus seinem Leben geheim zu halten, sei sehr belastend. Durch das Reden erhoffe man sich Absolution und auch Rat. Und man gehe automatisch davon aus, dass der Mensch, den man ins Vertrauen ziehe, die gleichen Werte teile wie man selbst und einen nicht verrate.

„Am besten nicht sagen: Das ist geheim!“

Übrigens: Wenn man etwas über sich verrät, aber nicht dazu sagt „Ich erzähle dir das im Vertrauen, bitte sag' es keinem weiter, das ist geheim!“ werden die Informationen zwar trotzdem oft ausgeplaudert, aber aus einem anderen Grund: Nicht der heimliche Wunsch nach Bestrafung stehe dann im Vordergrund, sondern die Lust an Klatsch und Tratsch. Wenn der Mitwisser zudem das Gefühl hatte, der Geheimnisträger sei schon anderweitig bestraft worden, war das Bedürfnis ebenfalls kleiner, ihn zu verraten. Man sollte sich in Zukunft also gut überlegen, wem und wie man etwas über sich erzählt.