Das „hangry“-PhänomenWarum wir schlechte Laune bekommen, wenn wir hungrig sind

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Frau in aggressiver Grundstimmung

Hungrig und aggressiv – das Phänomen hat einen Namen: „hangry“

Washington/Chapel Hill – „Du bist nicht du, wenn du hungrig bist“ – eine bekannte Werbung stellt fest, was viele aus eigener Erfahrung kennen. Sind wir hungrig, reagieren wir aggressiver in stressigen Situationen, haben schlechtere Laune und sind einfach unbequemere Zeitgenossen.

Im Englischen gibt es sogar ein Wort dafür: „hangry“, eine Wortneuschöpfung, die die Worte „angry“ (wütend) und „hungry“ (hungrig) mischt. Dem international bekannten Phänomen haben sich nun amerikanische Forscher angenommen. Die Wissenschaftlerinnen der University of North Carolina wollten wissen, warum wir gereizter und dünnhäutiger reagieren, wenn wir hungrig sind. Die allgemeine Erklärung, Ursache sei das Absinken des Blutzuckerspiegels, reichte den Soziologinnen nicht aus.

Der soziale Kontext beeinflusst, ob wir aggressiv werden

Die Forscherinnen Jennifer MacCormack und Kristen Lindquist waren sich sicher, Hunger und die damit zusammenhängenden biochemischen Prozesse allein könnten nicht schuld daran sein, dass wir mit leerem Magen zu miesepetrigen Pessimisten werden. Also führten sie mehrere Experimente durch. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin „Emotion“ unter dem Titel: „Feeling hangry? When hunger is conceptualized as emotion“.

Die Studie stellt vor allem psychologische Aspekte in den Vordergrund. Die Forscherinnen meinen: Der Kontext, in dem sich eine Person gerade befindet, spielt bei dem Phänomen eine große Rolle. „Hunger macht einen nicht automatisch in jedem Kontext wütend“, erklärt Doktorandin Jennifer MacCormack die Ergebnisse. 

Hungrige Testpersonen reagieren anders

In einem ersten Experiment befragten MacCormack und Lindquist 400 Leute online. Sie zeigten den Testpersonen verschiedene Bilder. Erst sahen sie positive, dann neutrale und später negative Bilder. Im Anschluss sahen die Probanden ein chinesisches Schriftzeichen, das sie nicht zuordnen konnten. Dann sollten sie bewerten, ob das Zeichen eine positive, negative oder neutrale Bedeutung im Chinesischen habe. Dazu sollten sie Auskunft über ihr Hungerempfinden geben.

Das Ergebnis: Testpersonen, die angaben hungrig zu sein und ein negatives Bild gesehen hatten, deuteten das chinesische Schriftzeichen deutlich negativer als alle anderen. In der Bewertung von positiven oder neutralen Bildern zeigte sich jedoch kein Unterscheid zu denen, die nicht angaben hungrig zu sein.

Fingierter Systemabsturz als psychologischer Test

Das zweite Experiment fand im Labor statt. 200 Studierende mussten dafür an einem Computer einen eigenständigen Text schreiben. Eine Gruppe schrieb einen Text, der sich um ihre eigenen Emotionen drehte. Die zweite Gruppe sollte  eine Alltagssituation beschreiben. Danach lasen alle Teilnehmer einen sehr langen und schwierigen Text. Am Ende des Textes angekommen, stürzten die Computer ab. Die Forscherinnen simulieren einen Systemabsturz, für den die Teilnehmer beschuldigt wurden. Außerdem wurde ihnen gesagt, dass sie den kompletten Test wiederholen müssten. Dann sollten sie einen scheinbar nicht dazugehörigen Fragebogen ausfüllen und den Test sowie den Menschen, der das Experiment durchführte, bewerten.

Ergebnis des Labor-Experiments: Die Teilnehmer, die sich in dem Test auf ihre Emotionen fokussiert hatten und gleichzeitig hungrig waren, bewerteten die Situation ebenso wie nicht hungrige Personen. Die Testpersonen jedoch, die hungrig waren und sich nicht bewusst mit ihrem Emotionen beschäftigt hatten, fühlten sich gestresster und wütender.

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Alles in allem kamen die Forscherinnen zu dem Schluss, dass Hunger zu einem erhöhten Stressempfinden führt. Vor allem uneindeutige Situationen bewerten wir ungesättigt negativer und lassen uns dadurch schneller die Laune verderben. 

Werden wir also weniger „hangry" wenn wir Hunger haben?

Dafür haben die Wissenschaftlerinnen Tipps parat: Wenn wir merken, dass wir hungrig werden, aber gerade nicht essen können, hilft es, sich auf die schönen Dinge im Leben zu konzentrieren: beispielsweise aufmunternde Musik hören oder ein angeregtes Gespräch führen. Doch was ist, wenn wir bereits hungrig UND in einer unangenehmen Situation gefangen sind? Zum Beispiel wenn wir im Stau stehen? Jennifer MacCormack empfiehlt: die eigenen Emotionen bewusst machen. „Man sollte dann einen Schritt zurückgehen und sich überlegen: Okay, ich bin halt hungrig, aber der Fahrer vor mir ist vielleicht gar nicht so ein schlechter Mensch, wie ich gerade denke.“ So ließe sich die schlechte Laune wieder positiv beeinflussen.

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