Knallhartes TrainingDas steckt hinter dem Fitness-Trend „Freeletics“

Lesezeit 4 Minuten
Wer mit „Freeletics“ seinen Körper richtig stählen will, muss viel Durchhaltevermögen zeigen.

Wer mit „Freeletics“ seinen Körper richtig stählen will, muss viel Durchhaltevermögen zeigen.

Wer schon einmal 150 Liegestützen mit einem Strecksprung hinterher gemacht hat, weiß: Spaß ist etwas anderes. Auch den Muskelkater am nächsten Tag wünscht man nicht mal dem schlimmsten Feind. Umso überraschender ist es, dass sich ambitionierte Menschen aus der ganzen Welt freiwillig über einen Zeitraum von 15 Wochen diese Übung, „Burpees“ genannt, fast täglich antun. In der Regel in Kombination mit einer Unzahl an Kniebeugen oder Sit-ups, oder auch mal mit 500 Hampelmännern. Und das in beeindruckender Geschwindigkeit.

Möglichst viel Training in möglichst wenig Zeit

Was ist das für ein neuer Trendsport, der einem so unheimlich viel abverlangt? „Freeletics“ heißt die neue Art, den Körper zu stählen: Eine Trainingsmethode, die von drei Münchner Fitness-Freaks gemeinsam mit Sportwissenschaftlern entwickelt wurde und im Wohnzimmer oder im Park ausgeübt werden kann. Das Motto: Extrem viel trainieren in möglichst wenig Zeit. Im Netz kursieren inzwischen unzählige Vorher-Nachher-Bilder und -Videos, auf denen Fans des Trendsports stolz ihre muskulösen Körper präsentieren.

Die Übungen zeigt ein elektronischer Coach, sie lassen sich über eine App oder online abrufen. In der kostenpflichtigen App-Version kennt der Coach das Fitnesslevel des Trainierenden und gibt dementsprechend eher leichtere oder eher schwere Übungen und die Anzahl der Wiederholungen vor.

150 Liegestützen, 150 Sit-ups, 150 Kniebeugen

Wer nicht für die App zahlen will, kann sich an der kostenlosen Basic-Version versuchen. Die zeigt das Workout „Aphrodite“. Das bedeutet: 50 Burpees, also Liegestützen mit Strecksprung, 50 Sit-ups und 50 „Squats“, also Kniebeugen – ist das geschafft, muss man von vorne anfangen. Diesmal allerdings mit nur 40 Wiederholungen. Danach geht es erneut von vorne los: mit 30 Wiederholungen, dann mit 20, dann mit zehn. Insgesamt beinhaltet das Workout also jeweils 150 Burpees, Sit-ups und Squats. Wichtig ist auch, in welcher Zeit man ein Workout schafft: Daran wird gemessen, wie gut eine Leistung war. Ziel ist es, die eigene Bestzeit zu steigern.

Andere Nutzer spornen an und „applaudieren“

Das Ganze klingt furchtbar schweißtreibend – und das ist es auch. Dafür bringt es laut Christian Wenzel von Vegan Freeletics, einer Website für Freeletics-Interessierte und Nutzer, auch mehr, als sich in Muckibuden abzurackern: „Ich bin immer ein Fitnesstudio-Gänger gewesen, hab aber nie die Resultate gesehen, die ich haben wollte“, sagt Wenzel.

Mit Freeletics habe er seinen Körper in kurzer Zeit zu seiner Zufriedenheit verändern können. Der Grund: „Man kann sich bei dieser Sportart nicht richtig drücken, weil alle Übungen vorgegeben werden. Außerdem können andere Nutzer der App meine Fortschritte sehen und mir dann elektronisch „applaudieren“. Das spornt an und lässt einen auch die ungeliebten Übungen über Wochen hinweg durchhalten.“ Mit der Zeit würde man die Workouts in der Regel auch immer schneller durchführen können.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Gefahren bestehen, wenn man den Fitness-Trend „Freeletics“ ausübt.

Unsaubere Ausführung der Übungen birgt Gesundheitsrisiko

Im rasanten Muskelaufbau durch die intensiven Workouts liegt jedoch auch das Hauptrisiko des Fitness-Trends. Sportwissenschaftler Markus de Marees von der Deutschen Sporthochschule in Köln sagt: „Da bei 'Freeletics' mit dem eigenen Körpergewicht gearbeitet wird, ist das Verletzungsrisiko grundsätzlich weniger hoch als zum Beispiel bei Freihantelübungen oder beim Bankdrücken. Bei 'Freeletics' besteht eher die Gefahr, dass man aufgrund der vielen schwierigen Wiederholungen müde wird und die Bewegungen dann unsauber oder falsch ausführt. Hierdurch kann das Verletzungsrisiko gesteigert werden.“

Knochen, Bänder und Knorpel passen sich nur langsam an

Außerdem wäre es wichtig, dass Anfänger das Training langsam angehen und nicht den Anspruch hätten, die Übungen von Beginn an durchzuhalten. Laut de Marees sei es für Knochen, Bänder und Knorpel generell besser, nicht zu viele Muskeln in zu kurzer Zeit aufzubauen. Da Muskeln sich sehr schnell an neue körperliche Herausforderungen anpassen, könne es sein, dass Knorpel und Bänder bei einem zu intensiven Training nicht hinterher kommen und so Schaden nehmen.

Die Tortur der harten Übungen scheint jedoch vielen egal zu sein: Die Freeletics-App hat nach Angaben der offiziellen Seite inzwischen über eine Million weltweite Nutzer. Ob die auch alle so intensiv trainieren, wie die gestählten Athleten auf den Vorher-Nachher-Bildern im Netz ist jedoch fraglich.

KStA abonnieren