InterviewWarum Vertrauen so wichtig ist
Köln – Herr Dr. Prost, Sie haben gerade ein Buch über Vertrauen geschrieben. Warum ausgerechnet jetzt?Winfried Prost Ich bin als Coach gefragt worden, mit welchen Verhandlungstricks man in einer wirtschaftlichen Krise noch erfolgreich verkaufen kann. Die Frage hat mich in meinem Ehrgeiz gepackt. Je länger ich nachgedacht habe, desto klarer wurde mir: Das A und O ist Vertrauen.
Warum?Prost Gerade in einer Krise will man am liebsten mit Leuten zusammenarbeiten oder Geschäfte machen, die man schon lange kennt und denen man vertraut. Also habe ich versucht, einen Katalog mit Vertrauenstechniken zu schreiben. Dazu gehört zum Beispiel, dass man überhaupt erst eine persönliche Beziehung aufbaut. Weiter, dass man – gerade auch in einer Krise – großzügig ist. Wenn man seinem Gegenüber zeigt, dass man ihm etwas geben will, dass man sich um ihn und seine Interessen kümmert, dass man ihm Brücken bauen will, gerade wenn es für ihn schwierig ist, dann wird er einen auch nach der Krise als Vertrauenspartner sehen, der sich bewährt hat, und mit dem er dann weiter zusammenarbeiten will.
VertrauenWoran erkennen Sie, wem Sie trauen können, und wie gewinnen Sie das Vertrauen anderer?Mit Dr. Winfried Prost, Kommunikations- und Persönlichkeitsphilosoph und Coach, Leiter der Akademie für Ganzheitliche Führung in Köln
Mittwoch, 17. April, 19 Uhr,studio dumont, Breite Str. 72, 50672 Köln
Tickets gibt es für 12,55 Euro im Servicecenter, Breite Str., unter 02 21/ 28 01 und im Internet www.koelnticket.deAbocard-Preis: 02 21/28 03 44 www.exklusiv-abo.de
Na ja, das klingt jetzt aber nach reiner Berechnung und Strategie . . .Prost Ja, das ist auch strategisch klug. Aber als Kommunikations-Philosoph unterscheide ich zwischen Moral und Lebensklugheit. Und um sich um Vertrauenswürdigkeit zu bemühen, braucht man nicht einmal Moral. Hier geht es um Lebensklugheit und die bewährt sich, wenn man langfristig denkt. Mein Eindruck ist, dass viele Menschen heute sehr überwiegend von ihrem kurzfristigen Bedürfnissen her denken.
In Ordnung, was beinhaltet also dann Vertrauen, wenn man langfristig denkt?Prost Vor allem Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Letztere entsteht, wenn man in seinem Denken und Tun transparent bleibt. Wenn man offen sagt, was man denkt, und in natürlicher Mimik und Gestik zeigt, was man fühlt, dann bekommt der andere mit, was im Gesprächspartner vorgeht. Dann kann Vertrauen entstehen. Zusätzlich bedarf es aber auch der Erfahrung über die Zeit, ob sich Eindrücke bewähren oder ob sich in im Laufe der Zeit vielleicht noch andere Wesenszüge eines Menschen zeigen und durchsetzen. Deshalb empfehle ich für eine Beziehung auch immer, sich Zeit zu geben, damit man erfahren kann, ob der andere zum Beispiel im Streit noch fair ist oder aber ein anderes Gesicht zeigt.
Also sollte man vor der Hochzeit auf jeden Fall mal gestritten haben?Prost Am besten ein paar Mal richtig. Dann wird man sehen, welche Masken der andere fallen lässt und wie er tickt, wenn er wütend ist.
Es ist also gut, dass Kinder ihr bedingungsloses Urvertrauen, mit dem sie ja geboren werden, verlieren?Prost Kinder werden mit einem Grundvertrauen anderen gegenüber geboren. Das ist gut und man sollte sich bemühen, es nicht zu enttäuschen. Wie die Märchen aber zeigen, muss man beim Heranwachsen lernen, sich auch gegenüber bösen Wölfen oder Hexen zu behaupten. Sie stellen sich alle zuerst einmal freundlich. Dazu muss man das naive Vertrauen ablegen und sie zu erkennen lernen. Dafür muss man lernen, die Augen aufzumachen, wach zu sein und seinen Verstand einzuschalten. Mit blindem Vertrauen würde man jedem Lügner in jede Falle hineinlaufen. Achtsamkeit ist deshalb das Mittel, um zu prüfen, ob jemand vertrauenswürdig ist. Meistens macht man das intuitiv, aber man kann andere Menschen auch bewusst scannen.
Das klingt aber anstrengend. Sie meinen also, dass man grundsätzlich erst einmal misstrauisch sein sollte?Prost Ich würde nicht misstrauisch sagen, sondern eher behutsam und aufmerksam. Wer im Leben getäuscht und betrogen wurde, verliert eben auch seine Naivität. Man spricht auch zu Recht von Enttäuschungen als vom Ende einer Täuschung.
Aber viele misstrauische Menschen sind deshalb auch einsam . . .Prost Ohne jedes Vertrauen würde man sich in der Tat völlig isolieren. Natürlich braucht man Menschen. Deshalb gilt es ja, unterscheiden zu lernen: Wem kann ich trauen und wem nicht. Man darf eben nicht blind vertrauen. Es ist so ähnlich, wie wenn man über Eis geht: Man muss das mit einer gewissen Behutsamkeit tun und jedes Knirschen wahrnehmen. Genaue Beobachtung und Wahrnehmung sind eine Frage des Selbstschutzes. Ebenso sollte man sich nicht durch totales Vertrauen emotional oder finanziell komplett von einer Person abhängig machen. Nach Scheidungen haben schon viele erlebt, dass sie vor dem Nichts stehen.
Kann man denn auf den ersten Blick überhaupt erkennen, ob man jemandem vertrauen kann? Prost Man kann schon bei einer ersten Begegnung intuitiv sehr viel empfinden. Solange man entspannt ist, kann man vieles über einen anderen Menschen richtig einschätzen. Signale sind normalerweise genug da. Wenn aber die eigene Wahrnehmung durch Begehren oder Gier getrübt ist, projiziert man eigene Wünsche auf den anderen und staunt später, dass er die nicht erfüllt. Im Nachhinein aber stellt sich heraus, dass es schon zu Beginn einer Beziehung Indizien gab, aus denen man Schlüsse auf das wahre Wesen hätte ziehen können. Darüber hinaus glaube ich, dass das Vertrauen zunächst grundsätzlich Grenzen haben muss. Man sollte Vertrauen wachsen lassen. Oft hilft es auch, das System hinter einem Menschen, seine Familie oder Firma wahrzunehmen, um besser einschätzen zu können, wo seine Loyalitäten liegen und wie seine Grundeinstellungen aussehen.
Sie erwähnten, dass es von Anfang an Signale gibt, die einen stutzig machen können. Welche? Prost Das können körpersprachliche Signale sein, Versprecher oder auch das Verhalten eines Menschen anderen gegenüber. Wie hat etwa jemand seine letzte Beziehung beendet? Oder prahlt er damit, andere über den Tisch gezogen zu haben? Dann ist es vielleicht eine Frage der Zeit, wann man selbst dran ist.
Jetzt drehen wir den Spieß einmal um: Wie erscheine ich selbst denn für andere vertrauenswürdig?Prost Wenn man sein Gegenüber beispielsweise erfahren lässt, dass er sich auf einen auch in kleinen Dingen verlassen kann. Wenn man jemandem das Gefühl vermittelt, dass man selbst etwas haben und ihm etwas nehmen will, wird er einem nicht vertrauen. Umgekehrt kann man ihm mit Großzügigkeit – wenn man ihm also vielleicht sogar etwas mehr gibt, als er erwarten kann – ein gutes Zeichen für Vertrauen setzen.
Zerbrochenes Vertrauen
Wie gewinnt man zerbrochenes Vertrauen zurück?
Prost Manches kann man reparieren. Manchmal aber gibt es wie bei einem Auto einen Totalschaden. Etwa bei einer Frau, die mitbekommen hat, dass ihr Verlobter Freunden von zwei anderen Frauen erzählte, die er „am Laufen“ habe. In anderen Fällen braucht es meistens Zeit, damit verlorenes Vertrauen wieder wachsen kann. Außerdem gibt es unterschiedliche Level von Verbindlichkeit. Man kann etwas zusagen oder es versprechen oder sogar schwören. Vielleicht glaubt ein verletzter Partner einem einen ausdrücklichen Schwur. Danach kommt dann die Zeit, in der man sich neu bewähren muss. In manchen Fällen kann auch Transparenz ganz wichtig sein, etwa dann, wenn ein Partner eine Affäre hatte und häufig gelogen hat, um sie zu vertuschen. In einem solchen Fall kann es hilfreich sein, wenn man offensiv dem Betrogenen die Möglichkeit gibt, bei Zweifeln die Mails, Anrufe oder den Kalender des anderen einzusehen. Das braucht alles Zeit, und das Vertrauen muss wieder wachsen. Langfristiges Vertrauen lässt sich nur aufbauen, wenn man behutsam mit den Menschen umgeht. Immanuel Kant schrieb: „Handele immer so, dass du andere Menschen nie nur als Mittel benutzt, sondern immer auch als Zweck an sich selbst.“
Sie haben den Fall angesprochen, dass jemand seinen Partner betrogen hat. Leidet durch ein solches Erlebnis nicht grundsätzlich die Vertrauensfähigkeit der betrogenen Person und wie könnte sie sie zurückgewinnen?Prost Natürlich leidet die Vertrauensfähigkeit. Auch wenn es schmerzhaft ist, lohnt es sich in einem solchen Fall meistens, den Ursachen eines Vertrauensbruchs auf den Grund zu gehen. Wenn man versteht, dass eine Affäre des anderen vielleicht ursächlich gar nichts mit der eigenen Person und Beziehung zu tun hat, sondern vielleicht in Einsamkeitsgefühlen aus der Kindheit des anderen begründet ist, kann das künftig helfen, genauer hinzuschauen und seine grundsätzliche Vertrauensfähigkeit zu bewahren.
War es früher leichter zu vertrauen?Prost In gewisser Weise ja. In einem Dorf kannte jeder jeden. Es gab eine viel größere Kontrolle. Rufschädigendes sprach sich schneller rum. Durch die heute viel größere Mobilität und die dadurch oft größeren Entfernungen funktionieren solche sozialen Mechanismen nicht mehr.
Hat Vertrauen denn auch mit Kontrolle zu tun?Prost Ich würde lieber Wahrnehmbarkeit oder Transparenz sagen – auch wenn es eine Form von Kontrolle ist, im Positiven wie im Negativen. Was man sehen kann, kann man auch einschätzen. Da fühlt man sich dann in seinem Vertrauen sicher.
Das Gespräch führte Angela Horstmann